29.04.20 – Mut machen trotz düsteren Zeiten – Folge 6

Corona-Krise: Zum Gebrauchsmuster angemeldete Maskenkonstruktion

Wörner Südfrottier, Herbrechtingen-Bolheim: Mit Gebrauchsmuster und Neueinstellungen in der Krise gegen den (Frottier-)Strich.

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Hans-Martin Wörner ist einfallsreich in der Krise: „Mein Maskensystem ist zwar aufwändiger, es geht aber mit den derzeit knappen Ressourcen nachhaltiger um und gewährleistet auch in der Krise die hygienischen Mindestanforderungen.“ © Südfrottier

 
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Sie nähen und nähen und nähen. Mehr Näherinnen als je zuvor: Südfrottier hat neue Mitarbeiterinnen gefunden. © Südfrottier

 
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Für den auf der Schwäbischen Ostalb ansässigen Hersteller von Frottierwaren und Nachtwäsche waren die vergangenen sechs Wochen herausfordernd wie niemals zuvor. Als Inhaber Hans-Martin Wörner am Telefon ein Zwischenfazit zieht, bekennt er nicht ohne Stolz in der Stimme: „Ich bin komplett fertig“ und verweist auf den sichtbaren Wandel in seiner Firma: neue Mitarbeiter, die zum Gebrauchsmuster angemeldete neue und besonders nachhaltige Maskenkonstruktion sowie seine mit Partnern inzwischen in die Gänge kommende Idee der viralen Masken-Produktion. Diese Entwicklungs- und Aufbauarbeit musste er parallel zum kaum reduzierten Alltagsbetrieb schultern.

Wechselvlies – nur so viel Einweg wie nötig

Spezialisiert auf Frotteewaren für Kinder, liefert Wörner Südfrottier nach Produktionsumstellung und -erweiterung wöchentlich noch nicht zertifizierte 40.000 Mund- und Nase-Masken aus. Das Unternehmen mit bisher sieben Vollzeitarbeitskräften hat dafür seine personelle Nähkapazität ausgebaut und um zwölf Teilzeit-Mitarbeiterinnen erhöht.

Statt jährlich 2,5 Mio. Frotteeteile u. a. für Baby-Fachmärkte und Online-Fachhändler produziert die Firma jetzt jeweils hälftig für die Wertschöpfung bei Kooperationspartnern einen Maskenbausatz sowie ein fertig konfektioniertes textiles Trägersystem aus Baumwoll-Feinripp und – das ist neu – der Möglichkeit, ein leicht austauschbares Wechselvlies (bis hin zu FFP3-Standard möglich) einzulegen. Damit soll das Masken-Tragen gerade in systemrelevanten Bereichen hygienischer und vor allem bequemer werden.

Hans-Martin Wörner:

„Ich habe von Seniorenheimen und Kliniken gehört, wo die Pflegekräfte ihre Einwegmasken den ganzen Tag über tragen. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Mein System ist zwar aufwändiger, es geht aber mit den derzeit knappen Ressourcen nachhaltiger um und gewährleistet auch in der Krise die hygienischen Mindestanforderungen ...“.

Der Nutzer des Wörner-Atemschutzes kann bei durchfeuchteter Vlieseinlage mit wenigen Handgriffen das Einlegevlies austauschen und zur Wiederaufbereitung geben oder entsorgen. Kaum war der textile Träger mit Kuvert für das Austauschvlies und einem integrierten Nasenbügel als Schutzrecht eingereicht worden, beförderte Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery mit zwei Argumenten diesen Gedanken: Die (fest integrierten) Masken-Vliese, so der Experte, verlören mit jeder Wäsche immer mehr an Schutzwirkung. Zudem entstehe bei zu langem Tragen durch feuchte Atemluft im Mundbereich des Textils eine „Keimbrutstätte“, deren Erreger dann eingeatmet würden. Durch Wörners Austauschsystem lässt sich beides vermeiden. Bei Durchfeuchtung, spätestens nach zwei Stunden, wird das Vlies mit wenigen Handgriffen und in wenigen Sekunden ausgetauscht, um anschließend thermisch desinfiziert oder entsorgt zu werden. Ideal also für Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen? Der Ansatz klingt logisch und auch nachhaltig, trifft wohl aber (noch) nicht die Intension dieser an Einwegmasken gewöhnten Zielgruppe.

Kunden inzwischen auch aus Großbritannien

In der Anfangsphase gehörten folglich eher regionale Unternehmen, Lebensmittelgeschäfte im Umkreis und ein großer Medienkonzern zu den Abnehmern der zweigeteilten Südfrottier-Masken. Der Kundenkreis weitet sich täglich und reicht inzwischen sogar bis nach Großbritannien.

Hans-Martin Wörner:

„Ich sehe in dem Trägersystem ein Hilfsmittel zur Problemlösung, das die derzeitige Versorgungssituation berücksichtigt. Unser Engagement in der Maskenproduktion kommt nicht aus einer Not heraus, sie ist unser Beitrag, in dieser Krisenzeit innerhalb der eigenen Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen.“

Der 50-Jährige Inhaber prophezeit, dass Masken mit Austauschvliesen aus ökologischen wie rationalen Gründen mittelfristig den Markt für Einwegmasken schmälern werden. Er sucht deshalb weitere Partner für Einsteckvliese und bietet auch anderen Unternehmen diese Masken-Idee zeitlich begrenzt zur kommerziellen Nachnutzung an. „Wer bis zum Herbst auf diesen Zug aufspringt, der soll für das Charity-Projekt www.kinderwerk-lima.de einen Spendenvorschlag machen ...“.

Masken-Bausätze für Änderungsschneidereien & Co.

Das zweite Maskenstandbein in der Bolheimer Firma sind Bausätze, mit denen Wörner die virale Masken-Produktion dezentral und mit Blick auf monatlich viele Hunderttausend Stück ankurbeln will. Änderungsschneidereien oder Computerstickereien können mit passendem Equipment pro Mitarbeiter bis zu 5.000 Masken pro Woche nähen und in ihrem Umfeld vertreiben. Eine geübte Näherin schaffe an einer Industrienähmaschine mit Einfasser bereits am zweiten Produktionstag 100 Stück in der Stunde, ist Wörner überzeugt. Von jeder verkauften Maske, auch vom Bausatz, führt der Südfrottier-Chef 15 Cent an das Kinderwerk ab.

Und was wird mit der Maskenflut in den Haushalten nach Corona?

Auch dafür hat der innovative Unternehmer mit Blick auf das neue Mode-Accessoire über Mund und Nase eine Idee: „Nach der Corona-Pandemie kann die Maske als Träger für ein Wärme-Kälte-Pad verwendet werden.“

Hier geht es zur Übersicht der weiteren Folgen aus unserer Serie Mut machen trotz düsteren Zeiten.

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