19/08/2020 – Exklusivumfrage von textile network (TNW) – Startups – Teil 5
Haelixa AG (Zürich): Neugeschäfts-Dynamik seit Juli wieder spürbar
Gesamttendenz: zuversichtlich. Wer hätte gedacht, dass ein Hochtechnologie-Startup auch ein Erklärvideo mit chinesischen Untertiteln produzieren kann.
Die Wirtschaft ist schwer angeschlagen. Noch kaschieren Kurzarbeit und staatliche Unterstützung die wahren Auswirkungen. Was bedeutet das für Startups? Immerhin 30 Prozent der Startup-Gründer plagen laut einer Befragung von Bitkom in jüngster Zeit Existenzängste. In Summe setzt jedoch die Mehrheit (63 Prozent) darauf, gestärkt aus der Krise herauszukommen.
textile network (TNW) wollte wissen, ob dieses Meinungsbild auf textile Startups übertragbar ist, von denen bekanntermaßen nicht wenige auf Industrie-4.0-Fortschritte und digitalen Handel ausgerichtet sind. In unserer neuen Serie kommen rund ein Dutzend Gründer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Wort.
Teil 5: Haelixa AG (Zürich)
Haelixa als mehrfach ausgezeichnete Ausgründung der ETH Zürich verfolgt mit ihrem patentierten DNA-Markern die Vision, zu einer transparenten Konsumgüterindustrie beizutragen und selbst komplexeste „auszuleuchten“. Marketingchefin Tanja Schlager: „Wenn wir beim Bauern Bio-Baumwolle markieren, können wir dann im fertigen T-Shirt nachweisen, ob dieses T-Shirt dann 100 Prozent der von uns markierten Bio-Baumwolle enthält.“
textile network sprach mit der Expertin über die Auswirkungen des Corona-Knicks in einem der bekanntesten Schweizer Jungunternehmen, in das u. a. der weltweit tätige Spezialchemie-Hersteller Clariant investiert hat.
textile network: Hat Ihnen Corona die Fahrt aus den Segeln genommen?
Tanja Schlager: Haelixa bietet eine Produktmarkierungslösung, um Produkte vom Ursprung bis in den Einzelhandel „traceable“ (rückverfolgbar) zu machen. Wir leisten so einen wesentlichen Beitrag für die Transparenz komplexer globaler Lieferketten. Nachdem Covid-19 die globale Logistik unterbrochen hat, haben sich bei Haelixa Projekte verzögert. Auch hat die Dynamik im Neugeschäft zunächst nachgelassen, weil Budgets bei unseren Kunden gestrichen oder umgeschichtet, Entscheider in Kurzarbeit oder Urlaub geschickt wurden oder weil das Sicherheitsbedürfnis gestiegen und damit die Bereitschaft gesunken ist, in neue innovative Technologien zu investieren. In den letzte zwei Wochen hat die Neugeschäfts-Dynamik jedoch wieder deutlich zugenommen. Die Anfragen zeigen, wie wichtig das Thema „Traceability“ für Marken und Produzenten gerade als Learning aus der Krise geworden ist.
Basis-Innovation: Markierungs-Technologie basierend auf DNA für Textilien und andere Materialien, um vollständige Transparenz in der Lieferkette zu schaffen und Ansprüche in Bezug auf Produktursprung und Produktauthentizität zu stützen. Transparenz in der Lieferkette war einst nur ein Mehrwert; heute wird es u. a. durch Haelixa zu einem Geschäftsgebot.
Gründungsjahr: 2016
Mitarbeiter: 7 vor Corona, ab September 4 weitere
textile network: Krise als Chance: Denken Sie an die Modifizierung Ihres Geschäftsmodells bzw. hat die Pandemie ggf. neue Türen geöffnet?
Tanja Schlager: Covid-19 hat der gesamten Textilindustrie nochmals schmerzlich die Notwendigkeit einer transparenten Lieferkette über Tiers 1 hinaus vor Augen geführt. Wie will man eine Unterbrechung von globalen Lieferketten aktiv managen, wenn man nicht alle beteiligten Zulieferer kennt? So ist die Nachfrage nach Transparenz und Traceability-Lösungen in den letzten Wochen stark gestiegen. Zudem hat der Umgang der Marken mit ihren Zulieferern in der Krise deren Glaubwürdigkeit in Bezug auf Werte und soziale Standards in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Verbraucher fordern nun zunehmend „radikale Transparenz“ und „Beweise“, dass die kommunizierten Standards und Werte auch wirklich gelebt werden. Und diese Transparenz hat natürlich sehr viel mit Beweisen durch Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der Lieferkette bis hin zum Ursprung zu tun.
textile network: Welches Vorhaben/strategische Zusammenarbeit steht unbedingt für dieses Jahr noch auf Ihrem Aktionsplan?
Tanja Schlager: Wir haben im Juli unser Ingredient Label „Marked & Traced by Haelixa“ lanciert, um unseren Kunden die Möglichkeit zu geben, gegenüber dem Endverbraucher auszuweisen, dass ihre Produkte rückverfolgbar sind. Verbraucher wollen zunehmend wissen, wo und unter Berücksichtigung welcher Sozial- und Umweltstandards die Produkte hergestellt wurden. Die wenigsten Traceability-Technologien bieten eine Lösung an, um diese kommunikative Lücke zum Endverbraucher zu schließen. Wir wollen das Thema „Traceability“ in den kommenden Monaten noch stärker in den Fokus von Verbrauchern rücken, um so auch Marken und Produzenten zu unterstützen, die mit Hilfe von „Traceability“ für Transparenz einstehen.
textile network: Haben Sie Positives aus der Krise mitnehmen können?
Tanja Schlager: Für uns als junges Unternehmen war Covid-19 die erste große Krise, die wir meistern mussten. Die Krise hat uns aufgezeigt, dass nichts ohne ein starkes Team geht, das zusammenhält und schnell Lösungen für neue Situationen finden kann.
Ein Beispiel: Bei den meisten unserer Kunden betreuen wir normalerweise die Produktmarkierung vor Ort. Nachdem Reisen nach China nicht mehr möglich waren, hat unsere Mannschaft in kurzer Zeit ein Erklärvideo mit chinesischen Untertiteln erstellt, das es dem Kunden vor Ort ermöglicht hat, die Markierung selbst durchzuführen. Unsere Techniker haben außerdem via Video-Call die Markierung „remote“ betreut und waren via WeChat permanent mit dem Kunden in China in Verbindung.
Ganz wichtig für uns auch festzustellen: Die Krise hat die Bereitschaft unserer Kunden erhöht, mit uns neue und zum Teil unkonventionelle Wege zu gehen.