09.09.20 – Jetzt Weichen für die Zukunft stellen — read English version

Stationärer Handel schöpft eigenes Potential nicht aus

Die Studie „Der Stationäre Handel 2020“ zeigt, wo der Einzelhandel versagt und wie Händler jetzt die Weichen für die Zukunft stellen.

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Christian Sickel ist Gründer und Geschäftsführer von Sickel und Team sowie Auftraggeber der Studie „Der stationäre Einzelhandel 2020“. Basierend auf den Ergebnissen gibt er Händlern im stationären Einzelhandel konkrete Tipps, um wettbewerbsfähig zu bleiben. © Sickel-Team

 

Nicht erst seit Corona kämpft der stationäre Einzelhandel gegen den Onlinemarkt. Und das obwohl Endkunden immer noch klare Vorteile des Ladengeschäfts sehen.

Dazu zählen die Überprüfung der Ware (52,5 Prozent), die direkte Verfügbarkeit (28 Prozent) und die Beratungsmöglichkeit durch das Verkaufspersonal (22,8 Prozent). Vor allem Letzteres nutzt der Einzelhandel nicht ausreichend als Alleinstellungsmerkmal für sich, wie eine aktuelle Studie zeigt.

  • Für die Studie „Der stationäre Handel 2020“ wurden 577 Endkunden und 133 stationäre Händler aus den verschiedensten Branchen befragt. Sie wurde vom Deutschen Institut für Marketing im Auftrag von Sickel und Team durchgeführt.

Unzureichende Identifizierung der Kundenbedürfnisse

Wenn Endkunden mit ihrem Einkaufserlebnis unzufrieden sind, liegt das meistens am schlechten Verkaufspersonal (41,7 Prozent). Bei der Beurteilung des Verkaufspersonals stimmen Händler und Endkunden bei fünf von sechs Faktoren überein. Lediglich bei der Identifizierung der individuellen Kundenbedürfnisse teilen sich die Meinungen. Endkunden sind mit dieser unzufriedener als die Händler selbst. Dabei wäre das ein klarer Vorteil gegenüber dem Onlinehandel.

Falsche Maßnahmen zur Kundenbindung

Die von Händlern eingesetzten Kundenbindungsmaßnahmen werden von den Endkunden durchweg negativer beurteilt. Händler bieten vor allem Coupons und (Treue-)Rabatte (45,9 Prozent), Newsletter (43,6 Prozent) und Give-aways (41,1 Prozent). Doch Kunden bewerten Bonusprogramme, Coupons und Kundenclubs am positivsten. Nur rund ein Drittel der Händler bieten Bonusprogramme (34,6 Prozent) und Kundenclubs/-karten (34,6 Prozent). Sogar Visitenkarten werden von mehr Unternehmen verteilt (39,8 Prozent) – eine Maßnahme, die Endkunden als am wenigsten effektiv bewerten.

Unterschiedliche Wahrnehmung

Zudem zeigen die Studienergebnisse, dass die Alleinstellungsmerkmale des stationären Handels von Endkunden und Händler unterschiedlich wahrgenommen werden. Händler glauben, dass sie sich durch Zusatzservices (55,8 Prozent) und Kundenorientierung (26,9 Prozent) vom Wettbewerb abgrenzen. Für die Endkunden stehen allerdings ein vielseitiges und wechselndes Sortiment (35,0 Prozent) und das Preis-Leistungs-Verhältnis (24,6 Prozent) an erster Stelle.

Tatsächlich geben sogar mehr Endkunden (65,4 Prozent) als Händler (48,9 Prozent) an, dass es Services und Dienstleitungen gibt, die als „besonders“ zu bewerten sind und mit denen sich das Unternehmen vom Wettbewerb abhebt.

  • Händler werden von den Kunden demnach aktuell nicht so wahrgenommen, wie sie es möchten und wissen gar nicht, warum Kunden bei ihnen kaufen.

5 Tipps für einen wettbewerbsfähigen Einzelhandel

Christian Sickel ist Gründer und Geschäftsführer von Sickel und Team sowie Auftraggeber der Studie „Der stationäre Einzelhandel 2020“. Die Studienergebnisse waren für ihn keine Überraschung; im Gegenteil: Seine persönliche Erfahrung zeigt, dass Händler zwar oft angeben, ein Kundenerlebnis oder klare Ziele zu haben, doch diese sind zu schwammig oder werden im Alltag nicht konsequent umgesetzt. Basierend auf den Ergebnissen gibt er Händlern im stationären Einzelhandel konkrete Tipps, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

1. Strukturierte Kundenerlebnisse bieten

Ein Viertel der in der Studie befragten Unternehmen (25,6 Prozent) bieten kein klar definiertes und strukturiertes Kundenerlebnis. In den Unternehmen, die ein Kundenerlebnis haben, enthält dieses in nur 40 Prozent der Fälle ein Alleinstellungsmerkmal. Jedoch brauchen Händler genau dieses Kundenerlebnis mit einem Alleinstellungsmerkmal, um sich vom Wettbewerb abzuheben.

2. Klare Ziele kommunizieren

In über einem Fünftel der Unternehmen (21,1 Prozent) werden keine Verkaufsziele kommuniziert. Das bedeutet, dass das Verkaufspersonal nicht weiß, was von ihnen erwartet wird und wann sie einen erfolgreichen Tag hatten. Doch um erfolgreich zu verkaufen, muss das Verkaufspersonal die eigenen Ziele kennen.

3. Regelmäßige Messzyklen etablieren

Über die Hälfte der befragten Unternehmen (54,1 Prozent) haben keine regelmäßigen Messzyklen. Doch nur mit etablierten Messzyklen können Verbesserungspotentiale des Verkaufspersonals verlässlich identifiziert werden.

4. Ganzheitliche Kundenberatung leben

Kunden bewerten die Identifizierung ihrer individuellen Bedürfnisse schlechter als die Händler selbst. Um sich vom Wettbewerb und vor allem dem Onlinehandel abzugrenzen, muss das Verkaufspersonal in der Lage sein, die individuellen Kundenwünsche zu erkennen und auf sie eingehen. Verkäufer müssen nicht nur für die ganzheitliche Kundenberatung geschult werden. Sie muss auch von der Führung bis zum einzelnen Mitarbeiter gelebt werden.

5. Kundenbindungsmaßnahmen richtig nutzen

Händler setzen aktuell auf Kundenbindungsmaßnahmen, die von den Kunden nur als bedingt effektiv eingestuft werden. Dies liegt einerseits an der Wahl der Maßnahmen, andererseits aber auch an der Umsetzung durch das Verkaufspersonal. Jedoch braucht der Einzelhandel effektive Kundenbindungsmaßnahmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das kann zum Beispiel der persönliche Bezug zum Verkaufspersonal durch die ganzheitliche Kundenberatung sein.

Über die Studie „Der stationäre Handel 2020“

Die Studie „Der stationäre Handel 2020“ wurde von Sickel und Team in Auftrag gegeben und vom Deutschen Institut für Marketing unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Bernecker durchgeführt. Von Januar bis März 2020 wurden 133 Händler und 577 Endkunden rund um die Themen Verkauf, Kundenzufriedenheit und Erfolg im stationären Handel befragt. Die befragten Händler stammen aus verschiedensten Handelsbranchen und repräsentieren gemessen an den Mitarbeiterzahlen und dem Jahresumsatz sowohl kleinere als auch größere Unternehmen. Die befragten Endkunden sind im Schnitt 45 Jahre alt und befinden sich größtenteils in einem Angestelltenverhältnis (58,7 Prozent). Die Geschlechterverteilung ist ausgeglichen.

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