09.05.18 – Microfactory Teil 6 — read English version
„Wir wollen Produktionswissen nach Deutschland zurückholen“
Welche Möglichkeiten bietet die Microfactory? Ein Gespräch mit Christian Kaiser, DITF Denkendorf, der das Projekt Microfactory 4 Fashion koordiniert.
Das Konzept Microfactory bietet nicht nur die Möglichkeit, individualisierte Maßbekleidung sehr schnell herzustellen – sondern vor allem auch, Produktionswissen nach Deutschland zurückzuholen.
textile network: Herr Kaiser, wie entstand die Idee zur Microfactory?
Christian Kaiser: Wir waren von Beginn an von den Möglichkeiten begeistert, die 3D-Simulationen für die Bekleidungsindustrie eröffnen und wollten 3D mit der Produktion verbinden. So entstand das Projekt „Simulate, Print and Cut“. Die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Unternehmen – Assyst, Ergosoft, Zünd und den DITF als Koordinator und konzeptionellem Vorreiter – lief sehr gut. Auf Basis dieser ersten Erfahrungen haben wir auf der Texprocess 2017 im Auftrag der Messe Frankfurt mit weiteren Partnern erstmals eine Microfactory aufgebaut, die auf die Anforderungen der Bekleidungsindustrie für die individuelle Fertigung ausgerichtet ist.
textile network: Wie schnell waren die beteiligten Unternehmen von der Idee überzeugt?
Christian Kaiser: Wir mussten niemanden überzeugen! Alle haben sofort das Potenzial gesehen und waren dabei. Für die Texprocess haben wir Dürkopp-Adler als Partner hinzugewonnen, sodass wir tatsächlich vor Ort die Fertigung anbieten konnten. Colormanagement, ein oft schmerzhaftes, aber sehr wichtiges Thema, können wir nun zusammen mit unserem Partner Caddon direkt adressieren.
textile network: Welche Ziele verfolgt das Projektteam?
Christian Kaiser: Ganz klar wollen wir die Microfactory als Gesamtkonzept auf den Markt bringen. Die Einzellösungen der beteiligten Firmen sind in der Branche bekannt und etabliert. Wir sehen sie aber auch als Nukleus, um Industrie 4.0 Lösungen zu erproben und auf Tauglichkeit für die „traditionelle Produktionslandschaft“ zu erproben.
textile network: Welche Möglichkeiten bietet die Microfactory Bekleidungsunternehmen?
Christian Kaiser: Die Microfactory eignet sich für die Produktion individueller Bekleidung mit geringer Losgröße. Genauso wichtig ist uns aber der Aspekt, dass das Konzept Unternehmen die Möglichkeit bietet, spezifische Problemstellungen in kleinem, aber industrierelevanten Maßstab zu erproben und sich Produktions-Know-how anzueignen, das auch in Deutschland heute nicht flächendeckend verfügbar ist. Nur sehr wenige Unternehmen unterhalten Samplinglinien und Produktionsstandorte in Deutschland – die Microfactory bietet hier die Möglichkeit, mit einem relativ überschaubaren Invest vorhandenes Know-how auszubauen und beispielsweise Kleinstkollektionen oder individuelle Bekleidungsstücke zu produzieren.
Um der deutschen Bekleidungsindustrie einen unkomplizierten Zugang zu den eingesetzten Industrie-4.0-Technologien zu ermöglichen, wird an den DITF zusammen mit unseren Partnern aktuell die Microfactory 4 Fashion aufgebaut.
textile network: Wie aufwändig ist es für Unternehmen, das Konzept zu realisieren?
Christian Kaiser: Wir haben auf der Heimtextil, der Texprocess und der Munich Fabric Start gezeigt, dass eine funktionierende Microfactory sogar unter den besonderen Anforderungen einer Messe in kurzer Zeit an den Start gehen kann – mit einer gut aufeinander abgestimmten Partnerlandschaft ist der reine Aufbau einer Prototypenlinie theoretisch innerhalb weniger Tage möglich.
textile network: Wie lange dauert die Produktion eines Bekleidungsstücks?
Christian Kaiser: Es ist uns schon gelungen, ein T-Shirt in unter 40 Minuten Minuten Durchlaufzeit durch den kompletten Prozess zu bringen, im Durchschnitt würde ich sagen ist es möglich, Laufzeiten für Produktionslots von weniger als einem halben Tag zu realisieren. Beim Design kommt es auf die Entscheidungsfreude des Kunden an, wie lange dieser Schritt dauert. Druck und Schnitt sind sehr schnell gemacht. Je nachdem, ob ein Kleidungsstück genäht oder geschweißt wird, nimmt die Konfektion einen vergleichsweise großen Anteil der Zeit ein. Die Techniken sind zwar allesamt sehr schnell, die hohe Anzahl von Arbeitsschritten sind hier ein Faktor, der den Prozess verlangsamt. Die Nutzung von Assistenzsystemen, die geschickte Anordnung der Arbeitsschritte in beispielsweise Inseln sowie die Nutzung programmierbarer Maschinen zur Reduktion der Umrüstzeiten birgt hier sicherlich noch enormes Potenzial.
textile network: Für welche Produkte ist eine Umsetzung denkbar?
Christian Kaiser: Hemden, Blusen, Shirts, Kleider, Hosen, aber bei einem größeren Ausbau auch komplexere Produkte – im Prinzip lassen sich alle Oberbekleidungstypen herstellen.
Herr Kaiser, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen für textile network stellte Eva Fröhlich.