20.04.20 – Südwesttextil

Corona-Krise: Neustart in acht Schritten

Die Textil- und Modewirtschaft stellt die zweitgrößte Konsumgüterbranche in Deutschland dar! Wie kann jetzt der Neustart gelingen?

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Peter Haas, Hauptgeschäftsführer Südwesttextil fordert für seinen Verband und gemeinsam mit dem Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie einen Neustart des wirtschaftlichen Lebens in acht Dimensionen. © Südwesttextil

 

Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas in seinem Appell an Bundes- und Landesregierung:

„Als zweitgrößte Konsumgüterindustrie Deutschlands nach der Lebensmittelbranche und mit 24 Mio. qm Handelsfläche muss Textil zwingend Teil der nächsten Öffnungsstufe sein.“

Die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung haben stets höchste Priorität. Gleichzeitig gilt: Je länger die gesellschaftlichen Einschränkungen andauern, desto teurer werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sein. Die aktuell deutliche Verlangsamung der Infektionsraten in Deutschland eröffnet den Weg, rasch, schrittweise und diskriminierungsfrei die Rückkehr des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens anzugehen.

Spätestens ab dem 04. Mai 2020 müssten nicht nur sämtliche Textil- und Modegeschäfte wiedereröffnen dürfen, sondern dringend auch finanzielle und konjunkturelle Fördermaßnahmen eingeleitet werden. Damit die wirtschaftliche Erholung schnellstmöglich und nachhaltig gelingt, schlägt die deutsche Textil- und Modeindustrie acht Schritte für den Re-Start vor.

Die acht Schritte für den Re-Start in Kurzfassung

1. Textil- und Modewirtschaft ist systemrelevant

Der aktuell enorme Bedarf an Schutzausrüstungen zeigt, wie sehr der Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft von Textilien abhängig ist. Doch ihre Bedeutung geht weit über diesen Anwendungsbereich hinaus. Die Textil- und Modewirtschaft (Industrie, Handel, Dienstleistung) beschäftigt allein in Deutschland rund 900.000 Menschen und erwirtschaftet einen Umsatz von über 145 Mrd. Euro pro Jahr. Erste Auftragsrückgänge und Stornierungen haben allerdings schon jetzt für massenhafte Fabrik-Stilllegungen und Entlassungen in den Produktionsländern gesorgt.

2. Textil- und Modegeschäfte diskriminierungsfrei wiedereröffnen

Mit einer Verkaufsfläche von rund 24 Mio. qm gehört der deutsche Textil- und Modeeinzelhandel nicht nur zu den drei größten Einzelhandelssektoren in Deutschland, sondern auch zum wichtigsten Abnehmer der Modeindustrie. Ohne eine rasche, diskriminierungsfreie Wiedereröffnung sämtlicher Textil- und Modegeschäfte droht in Kürze eine Insolvenzflut in ungeahntem Ausmaß in der gesamten Textil- und Modewirtschaft. Bund, Länder und Kommunen sind gefordert, rasch gemeinsame und einheitliche Regelungen zur Öffnung der Verkaufsstellen zu treffen, um keine zusätzlichen Rechtsunsicherheiten und Wettbewerbsverzerrungen zu schaffen.

3. Hygienemaßnahmen – Abstandsgebot – Masken tragen: Die neue Normalität fordern und vorleben

Das strikte Einhalten von Hygienemaßnahmen und des Abstandsgebotes sowie das Tragen von Mund-Nasen-Masken in weiten Teilen der Öffentlichkeit, in Geschäften und in der Arbeitswelt werden für einen nachhaltig erfolgreichen Weg aus dem Lockdown entscheidend sein.

4. Direkthilfen für mittelständische Unternehmen

Bei knapp einem Viertel der Textil- und Modehersteller werden die finanziellen Reserven bereits in wenigen Wochen aufgebraucht sein. Die Situation im Einzelhandel sieht noch düsterer aus. Die kürzlich vorgenommene Korrektur des KfW-Kreditprogramms war ein guter und folgerichtiger Schritt. Dies wird jedoch die durch den Lockdown verloren gegangenen Umsätze nicht kompensieren können. Die mittelständischen Betriebe brauchen daher – neben den staatlichen Kreditangeboten – auch eine schnelle und unbürokratische Direkthilfe in Form eines staatlichen nicht rückzahlbaren Zuschusses.

5. Konjunkturprogramm starten

Die Forderungen der Verbände lauten:

• Zeitlich befristete Reduzierung der Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer für sämtliche Textil- und Lederwarenerzeugnisse.

 • Ausgabe von Einkaufs- bzw. Konsumgutscheinen mit einer zeitlich befristeten Gültigkeitsdauer, insbesondere für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

 • Rasche und vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

 • Weitere Steuerentlastungen für die Unternehmen, insbesondere eine rückwirkende Erweiterung und Vereinfachung der Verlustverrechnung. Auch Steuererstattungen, die den Unternehmen im kommenden Jahr ohnehin zustehen würden, müssen jetzt ausgezahlt werden.

6. Regelungen anpassen – Belastungen aussetzen

Hier wünschen sich die Verbände die größtmögliche Flexibilisierung bei den Regelungen zu Arbeits-, Urlaubssowie Ladenöffnungszeiten. Zahlreiche Unternehmen werden dieses Jahr auf die sommerliche Betriebsruhe verzichten müssen. Auch über eine Anpassung der Schulferien, insbesondere eine deutliche Reduzierung der Sommerferien, müsste daher diskutiert werden.

 Neue oder geplante Gesetzes- und sonstige Rechtsetzungsvorhaben sollten den Verbänden zufolge dann verschoben werden, wenn diese für die Unternehmen eine Belastung darstellen und die wirtschaftliche Erholung gefährden. Hierzu zählten insbesondere das Umwelt- und Chemikalienrecht sowie diverse CSR-Vorhaben. Auch die Anhebung der CO2-Bepreisung im Rahmen des BEHG von 10 auf 25 Euro pro Tonne sollte laut der Verbände vorerst muss ausgesetzt werden.

7. Freien Waren- und Personenverkehr gewährleisten

Um den Warenverkehr sicherzustellen und zu erleichtern, sollten sich Bund und Länder laut den Verbänden auf folgende Maßnahmen einigen:

 • Keine generelle Verlängerung der geltenden pauschalen Quarantänepflicht bei Einreisen in das Bundesgebiet aus EU- und Schengen-Staaten.

 • Verlängerung bzw. Ausweitung von Ausnahmeregelungen für die Belieferung und Transport von Waren in Nacht- und Nebenzeiten, einschließlich Nachtflüge und Sonntagsfahrten.

 • Zollrechtliche Erleichterungen, wie vor allem Flexibilisierungen bei den zollrechtlichen Fristen, Zahlungspflichten sowie im administrativen Bereich.

8. Textilgipfel: Zahlreiche Initiativen der Industrie zeigen aktuell die Systemrelevanz und Innovationskraft der Branche.

Die Bundesregierung sollte die Länder sowie die Spitzenverbände der deutschen Textilbranche und des Handels zu einem Textilgipfel einladen.

Peter Haas:

 „Der Erfolg unserer wirtschaftlichen Erholung wird wesentlich von einem Mix aus innovativen und pragmatischen, möglichst auf die jeweiligen Branchen maßgeschneiderten Einzelmaßnahmen abhängen. Dabei muss das Rad nicht in jedem Fall neu erfunden werden. Oftmals wird es ausreichen, von anderen Ländern zu lernen, die Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie zeitlich voraus sind. Besonders unsere international tätigen Textil- und Modeunternehmen können hierbei eine erhebliche Unterstützung bieten, indem sie ihre Erfahrungen mit den Ansätzen ausländischer, insbesondere asiatischer Staaten teilen. Auch hierfür eignet sich ein Textilgipfel besonders gut.“

 

Hier geht es zu den ausführlicheren von den Verbänden formulierten acht Schritten für den Re-Start.