28.10.15 — read English version

Große Unsicherheiten

Die Krisen in Griechenland, Russland und Syrien wirken sich negativ auf die türkische Textilindustrie aus. Gerade erst ist die schreckliche Rezession in den westlichen Märkten überstanden, kommt eine Krise nach der anderen. Der Druck der Krisen beeinträchtigt das einst florierende internationale Geschäft.

Blick auf Istanbul – Hagia Sophia Kirche Photo: fotolia

Blick auf Istanbul – Hagia Sophia Kirche Photo: fotolia

 
Screenshots Laleli Fashion Shopping Festival 2015 Photo: lalelishoppingfestival.com

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Bereits die Krise in Griechenland hatte ihre Schatten auf die export­orientierten türkischen Unternehmen geworfen. Nachdem die Exporte nach Griechenland im vergangenen Jahr um 9,1 Prozent auf 116 Mio. US-Dollar angestiegen waren, gingen sie laut Hikmet Tanriverdi, Präsident des in Istanbul ansässigen Verbandes der Textilien- und Bekleidungsexporteure, in den ersten fünf Monaten d.J. um 19 Prozent zurück.

Seref Faya von der Turkey Clothing Manufacturers’ Association brachte seine Sorge zum Ausdruck, als er auf die Auswirkungen der griechischen Krise hinwies. „Der Euro verliert gegenüber de, Dollar an Wert und das beeinträchtigt unsere Exporte.“ Einige türkische Aussteller sowohl auf der Heimtextil-Messe in Frankfurt als auch auf der Texworld in New York betonten gegenüber textile network, dass sie sich weiterhin große Sorgen um die griechische Wirtschaft machen.

Auf der Texworld in New York zeigten sich die türkischen Aussteller indessen zuversichtlich in Bezug auf die Weltmarkt-Lage. Im Gespräch mit textile network betonte Gul Sen, Marketingleiterin des Textilherstellers HMK Tekstil, Bursa, Türkei, der zum ersten Mal hier ausstellte, dass ihr Unternehmen Textilstoffe aus Baumwolle und Polyester nach spezifischem Bedarf der Kunden liefern könne. „Wir produzieren hauptsächlich für Europa. Russland ist schwieriger für türkische Lieferanten geworden, dafür öffnet sich der Iran. Wir sind optimistisch, dass der Iran seine Importe aus der Türkei steigern wird.“

Der in New York ansässige Ken Mulligan, der verschiedene türkische Textilfirmen in den USA vertritt, meinte, die Käufer importieren weniger als vorher. „Und sie feilschen noch mehr über die Preise. Meine Lieferanten geraten dadurch noch mehr unter Druck.“ Necmi Demirel, Produktionsleiter beim türkischen Unternehmen Aker Tekstil, Istanbul: „Wir produzieren Stoffe für Strickwaren und setzen hierzu auch künstlichen Pelz sowie gemischte Wolle ein.“

Die verwendeten Rohstoffe kommen aus der Türkei, einige Polyesterqualitäten werden importiert. Aker Tekstil exportiert vorwiegend nach Europa, den USA, Japan, Russland, usw. Wie andere türkische Unternehmen leidet auch Aker Tekstil unter den Russland-Sanktionen, die die türkischen Textil- und Bekleidungsexporte beeinträchtigen.

„Im vergangenen Jahr haben wir eine ernsthafte Russland-Krise erlebt. Wir haben mit einigen Maßnahmen darauf reagiert. Nun scheint Russland auf dem Weg der Erholung zu sein und so erwarten wir in den kommenden Saisons unsere Verluste wieder ausgleichen zu können,” sagt Giyasettin Eyyupkoca, Vorsitzende des türkischen Geschäftsverbandes Laleli Industrialists and Businessmen’s Association (LASIAD).

Das Laleli-Viertel der Metropolstadt Istanbul gilt als Drehpunkt des Textilhandels; hier findet man Hunderte von Textil- und Bekleidungsgeschäfte. Viele Besucher aus Russland und den GUS kaufen hier ein. Das alljährliche „Laleli Fashion Shopping Festival“ lockt im August Besucher aus der ganzen Welt nach Istanbul.

Die Bedeutung der türkischen Textil- und Bekleidungsindustrie ist eng mit der Industrialisierung des Landes verknüpft. Heute zählt die Türkei zu den zehn führenden Baumwollproduzenten. Nach Indien und Syrien ist die Türkei inzwischen der drittgrößte Produzent von Bio-Baumwolle. Mit einem geschätzten Anteil von 3,4 Prozent gilt die türkische Bekleidungsindustrie als die siebtgrößte der Welt und ist drittgrößte Lieferantin der EU. Wie das Nachbarland

Syrien, wo die Terrorgruppe ISIS fast dreiviertel der Baumwollproduktion des Landes kontrolliert, leidet und fürchtet sich die Türkei vor der aktuellen Situation. Durchaus denkbar, dass türkische Großhändler die Baumwolle zum stark reduzierten Preis von der ISIS kaufen, die unter Geldknappheit leidet und deren Baumwolle so in der Türkei landen. Die ISIS kontrolliert Teile von Syrien, die sehr nah zu der Türkei liegen.

Laut neuesten Meldungen will die Türkei Baumwolle nicht mehr von Syrien kaufen. Experten in den USA gehen davon aus, dass diese Haltung auf den Druck von den USA zurück zu führen sei. Der nun schon vier Jahre währende Krieg in Syrien hat zum Rückgang der Baumwollproduktion geführt. Vor dem Krieg produzierte Syrien ca. 600.000 Tonnen Baumwolle im Jahr; das Volumen ist nun auf 70.000 Tonnen geschrumpft; wovon 3.000 Tonnen nach offiziellen Angaben exportiert wurden.

Und was macht die Türkei? Sie richtet ihren Blick in Richtung Afrika und will nun in einer Partnerschaft mit Algerien ein integriertes Textilkomplexprojekt in Relizane, Algerien aufbauen. Ein Vertrag dazu wurde bereits von Mohamed Bouchama, dem Chef der nationalen Bekleidungsindustriegruppe CH, und der türkischen Gruppe Taypa Mesut Toprak unterzeichnet.

Das im November beginnende Riesenprojekt umfasst acht integrierte Fabriken, wobei die Produktion von Materia­lien und Strumpfwaren, eine Ausbildungsschule im Textilbereich sowie ein Geschäftszentrum und andere Einrichtungen die Kernpunkte des Projektes bilden. Die Produktion wird für den einheimischen (40 %) sowie für den Exportmarkt (60 %) bestimmt.

[Manik Mehta]