14.09.18 – Digitalisierung
Kurswechsel verlangt Mut und Überzeugung
Die Technologie ist vorhanden, dennoch treten immer noch viele Unternehmen beim Thema Digitalisierung auf der Stelle, kommen nicht richtig voran.
Was häufig fehlt ist eine tatsächliche digitale Strategie - dies ist eine von mehreren Erkenntnissen eines hochspannenden Informationsworkshops am 11. September 2018 in Berlin. Das Unternehmen Lectra hatte gemeinsam mit seinen Partnern, dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Textil vernetzt und dem Branchenmagazin textile network, Interessierte aus Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie eingeladen, um Ihnen Expertenwissen an die Hand zu geben, wie Digitalisierung gelingt.
Produkte Online verkaufen ist keine digitale Strategie
Im Fokus stand das Thema intelligente Digitalisierung der Entwicklungs- und Fertigungsprozesse – über die gesamte Supply Chain hinweg. Die technische Ausrüstung der Unternehmen ist laut Lectra-Deutschland Geschäftsführer Holger Max-Lang, inzwischen im Durchschnitt älter als zehn Jahre, eine Vernetzung / Digitalisierung damit "schlichtweg nicht möglich".
Herausforderungen wie Individualisierung, Losgröße 1, Mass Costumization sowie immer kürzere Entwicklungszeiten und ein hoher Preiswettbewerb sind die elementaren Herausforderungen denen sich die Branche stellen müsse.
Für Textil vernetzt-Geschäftsführerin Anja Merker, textile network-Chefredakteurin Iris Schlomski und Lectra-Geschäftsführer Holger Max-Lang führt an der Digitalisierung der Branche kein Weg vorbei. Angesichts einer sinkenden Anzahl an Unternehmen und Umsätzen in der Bekleidungsindustrie ist in den Unternehmen eine langfristige Strategie gefordert, erklärte Holger Max-Lang. Die Ursachen für die Rückgänge sieht er unter anderem auch darin, dass Unternehmen in Deutschland vorhandene Innovationen nicht abriefen.
Digitales Engineering
Anja Merker veranschaulichte dies am Beispiel einer vernetzten Produktion. In KMU sind Abteilungen derzeit untereinander wenig oder gar nicht vernetzt. Im Bereich der Produktentwicklung lassen sich beispielsweise durch Cloudlösungen Zeit, Ressourcen und Logistikkosten sparen. Durchgängiges digitales Engineering ermöglicht Zulieferern alle relevanten Produktionsinformationen, wie z. B. Farben oder Materialien aus der Cloud abzurufen, das Versenden von Stoffproben entfällt. Beschaffung und Vertrieb profitieren ebenfalls von der zentralen Bereitstellung der Informationen.
Digitale Fitness
Ein generelles Umdenken forderte Prof. Dr. Karl Peter Fischer von der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning. Seiner Einschätzung nach wird die Hälfte der Arbeitsplätze in 20 Jahren völlig neue Aufgabenbeschreibungen haben und 25 Prozent der heutigen Arbeitsplätze wird es schon bald nicht mehr geben. In vielen Unternehmen werden seiner Einschätzung nach selbst die einfachsten Marketing-Grundwerkzeuge nicht (mehr) beherrscht und die Zielgruppe kennen sie auch nicht (mehr).
Erfolgreiches Business ist Daten getrieben
Die Digitalisierung sprenge unsere Vorstellungen von Tempo und Dimension von Veränderungen enorm und viele kämen da einfach nicht mehr mit. Dennoch liege in der Nutzung von Daten heute das Geheimnis des Erfolges.
Florian Hein, der die erste Digitalisierungsplattform openspace GmbH der Commerzbank für mittelständische Unternehmen leitet, sieht hier die Geschäftsführungen in der Pflicht, die notwendigen Änderungen vorzuleben und die Digitalisierung als eine Chance zu begreifen.
Am Anfang jedes Digitalisierungsprozesses stehe das Ausloten eines erfolgreichen Businessmodells.
In dem von Petra Diroll vom Gesamtverband textil+mode moderierten Panel zogen die Experten das Fazit: Ausgangspunkt für jeden Digitalisierungsprozess ist die genaue Analyse der Kundenwünsche. Für die Bekleidungsindustrie liegt in der Individualisierung der Produkte eine große Chance, zumal dies gleichzeitig zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz führen kann.
Fördermöglichkeiten für den Mittelstand
Einen Überblick über Fördermöglichkeiten für den Mittelstand bei Digitalisierungsvorhaben gab im Anschluss Eckard von Schwerin von der KfW Bankengruppe. Allein in 2017 habe die KfW Bank insgesamt 76 Mrd. Euro an Krediten vergeben. Das Besondere bei der Förderung von Digitalisierungsvorhaben sei, dass die KfW Bank hier für bis zu 80 Prozent der Kreditsumme hafte und die Darlehenszinsen bei nur 1 Prozent liegen. Florian Hein machte daraufhin zum Abschluss noch auf die sogenannten Innovations- und Digitalisierungsgutscheine der einzelnen Bundesländer aufmerksam, die Unternehmen sozusagen als Geschenk für ihre Vorhaben beantragen und erhalten könnten.
Eine gelungene Veranstaltung die vor allem eines zeigte: die notwendigen Technologien sind vorhanden, was fehlt ist die digitale Veränderung in den Köpfen von Entscheidern und Machern.
Die Zeit drängt
Allein zwischen 2010 und 2017 ist die Anzahl der deutschen Bekleidungsunternehmen von 300 auf inzwischen nur noch 240 gesunken. Und die digitale Welt erobert sich mit exponentieller Entwicklungsgeschwindigkeit weitere Marktanteile. Hierzu Holger Max-Lang: "Wir wollen, dass die Unternehmen in einer digitalen Welt überleben. Wir lassen nicht locker und wollen weiterhin zum Thema aufklären und Expertenwissen anbieten". Auch weiterhin seien Veranstaltungen und Workshops zum Thema Digitalisierung geplant, kündigte er abschließend an.