30.04.19 – Serie: Stars der Zukunft – Teil 3 — read English version

Zukunft sichern!

Wettbewerbsfähig bleiben. Flexibel und effizient arbeiten. Fachkräfte finden. Drei der Herausforderungen angesichts der digitalen Transformation.

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In Teil 3 unserer Serie geht es darum, wie „Textil vernetzt“ Mitarbeiter beim Ausbau ihrer digitalen Fitness unterstützt. © Mattes & Ammann GmbH & Co. KG

 
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Textil vernetzt manövriert durch das weite Feld der Digitalisierung und macht Unternehmen und Mitarbeiter zu Stars der Zukunft. Der QR-Code führt zum Kurzfilm, in dem Unternehmer, die schon mitgemacht haben, darüber berichten. © Textil vernetzt

 
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Die Digitalisierung verändert die Berufswelt wie derzeit keine andere Entwicklung

So stellt sich kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Branche die Frage, wie sie in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, sie entsprechend fortbilden und dazu bringen, dem Betrieb auch die Treue zu halten.

Fort- und Weiterbildung bekommen dabei einen immer höheren Stellenwert.

Anja Merker, Geschäftsführerin vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Textil vernetzt

„Hier kommen wir ins Spiel. Da Mensch und Maschine in der heutigen digitalen Welt enger zusammenarbeiten denn je, ist fundiertes Fachwissen eine neue Schlüsselqualifikation“. Sie betont, wie wichtig es ist, dabei von Anfang an die Mitarbeiter miteinzubeziehen – die Stars der Zukunft, wenn es um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen geht.

Der Verbund von fünf Partnern unter Federführung des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie macht als eines von 25 Kompetenzzentren der Initiative Mittelstand-Digital des Bundeswirtschaftsministeriums KMU fit für den digitalen Wandel.

Karl Peter Fritz, Projektleiter beim Textil vernetzt-Partner Hahn-Schickard

„Wir wollen für die Unternehmen nicht nur die technischen Voraussetzungen schaffen, sondern die Mitarbeiter mit den richtigen Kompetenzen ausstatten.“

Dazu bietet Textil vernetzt Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an, um Mitarbeiter beispielsweise an die Arbeit mit Assistenzsystemen wie Tablet oder Augmented Reality-Brille (AR) heranzuführen.

Mitarbeiter im Mittelpunkt

Ditmar Schultschik von der Gruschwitz Textilwerke AG kann das bestätigen: „Die Digitalisierung lässt sich nur gemeinsam mit den Mitarbeitern bestreiten."

Mit dem Unternehmen hat Textil vernetzt zuletzt eine Roadmap erarbeitet, um die Digitalisierung der Produktion im Unternehmen voranzutreiben. Des Weiteren stehen die Nachrüstung von Maschinen mittels Sensorik sowie die Einführung eines computergestützten Assistenzsystems für die Endkontrolle an. Hierbei will das Unternehmen wieder auf die Expertise der Textil vernetzt-Partner zurückgreifen. Für Schultschiks Unternehmen bedeutet der digitale Wandel nicht, „dass wir Arbeitsplätze streichen wollen, sondern dass Arbeitsplätze eine höhere Qualifikation benötigen.“ Der Zwirnhersteller aus dem Allgäu bezieht seine Mitarbeiterschaft deshalb proaktiv in die neuen Prozesse ein, um sie zusätzlich zu motivieren, „sich auf diese Form der Neuqualifikation einzulassen.“

Darauf baut auch Peter Brunsberg, Geschäftsführer von bagjack, einem Taschenhersteller, der in Berlin produziert. Er hat sich zum Ziel gesetzt, einfache und personengebundene Prozesse an Maschinen abzugeben, sodass Mitarbeiter frei werden für neue und komplexere Aufgaben. „Ich brauche Mitarbeiter, die in der Lage sind, neue Ideen zu entwickeln und Prozesse zu gestalten“, so Peter Brunsberg. „Denn nur so können sie sich selbst wie auch das Unternehmen weiterentwickeln.“ Bei bagjack kommen bereits Tablets zum Einsatz, um interne Abläufe zu beschleunigen. Diese werden vornehmlich zur internen Kommunikation eingesetzt, um auf schnellem Weg beispielsweise anhand einer Projektskizze offene Fragen zu diskutieren. „Damit kann jeder Mitarbeiter vom Wissen des anderen profitieren“, freut sich Brunsberg.

Berührungsängste abbauen

Erste Einblicke in digitale Entwicklungen am Markt wird Mittelständlern an den Standorten aller Textil vernetzt-Partner geboten. In Aachen, Berlin, Chemnitz, Denkendorf und Stuttgart werden digitale Lösungen anhand konkreter Fallbeispiele demonstriert. Dazu finden regelmäßig Labtouren mit Mittelständlern, Interessierten aus Industrie und Handwerk oder Studenten statt. Die Veranstaltungen decken sowohl allgemeine Schwerpunkte der Digitalisierung ab, werden – je nach Nachfrage – aber auch individuell auf die Bedarfe der Unternehmer zugeschnitten.

Im Regelfall besuchen Interessierte zunächst eine der Labtouren und verschaffen sich einen ersten Überblick über die Möglichkeiten der Digitalisierung. In praxisnahen Workshops mit den Unternehmen und den Mitarbeitern ermittelt das Textil vernetzt-Team dann, wo der Schuh drückt und schneidet individuelle Schulungsprogramme auf die Textiler zu. Neben Vor-Ort-Veranstaltungen sind auch Webinare möglich. „Ziel ist natürlich, mit den digitalen Lösungen bestmöglich zu arbeiten“, fasst Karl-Peter Fritz zusammen.

Mit Datenbrille experimentieren

Wer bislang keine Berührungspunkte mit digitalen Anwendungen hatte, kann am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University zum Beispiel mit einer Datenbrille experimentieren. Wie fühlt es sich an, diese aufzusetzen, und was lässt sich damit erfassen und optimieren? Oder wie weit ist die Automatisierungstechnik beim Einsatz von Robotik fortgeschritten? Das zeigen die Kollegen am Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI) in Chemnitz. An den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf können Bekleidung und Bandagen per Computerprogramm optimal „auf den Leib“ eines Avatars, dem virtuellen Abbild einer Person „geschneidert“ werden. Die Stuttgarter Kollegen von Hahn-Schickard richten derzeit eine Sensorwand ein, die im Spritzgusslabor montiert wird und den Besuchern die einzelnen technischen Komponenten und deren Zusammenspiel erläutern soll. Mit einem Smartphone oder einem Tablet scannen die Besucher die auf der Schauwand aufgebrachten QR-Codes, sodass sie auf der Textil vernetzt-Webseite sofort Hintergrundinformationen zum dargestellten Bauteil abrufen können.

„Es geht darum, Unternehmern und ihren Mitarbeitern die Scheu vor der Technik zu nehmen, daher heißt es: Ausprobieren! Ausprobieren! Ausprobieren!“, ermuntert Merker.

„Digitalisierung ist keine Raketentechnik“

Die verschiedenen Veranstaltungsformate von Textil vernetzt wie Industriedialoge, Messen oder eben Labtouren sind sehr gut ausgelastet: Knapp 300 Veranstaltungen hat das Kompetenzzentrum im ersten seiner drei Projektjahre durchgeführt und mehr als 2.000 Mitarbeiter in den KMU erreicht. „Ich finde es super, dass die in der Labtour gezeigten Lösungen auf KMU zugeschnitten sind und low cost- sowie open source-Ansätze aufgreifen“, sagt Thomas Zocher von der thoenes Dichtungstechnik GmbH im sächsischen Klipphausen im Nachgang zu einem Workshop mit dem STFI. Und auch David Stolz von der Heinrich Essers GmbH & Co. KG im nordrhein-westfälischen Wassenberg, der an einer Labtour des ITA teilgenommen hat, zieht ein positives Fazit: „Ich gehe aus dem Workshop schlauer heraus, als ich hereingegangen bin. Vor allem hat er mir die Angst genommen und gezeigt, dass Digitalisierung keine Raketentechnik ist.“

Angesichts der positiven Resonanz setzt Textil vernetzt auch in diesem Jahr auf ein breites Veranstaltungsangebot. Für die Textil vernetzt-Chefin kann oft schon eine kleine Änderung eine nicht für möglich gehaltene positive Veränderung nach sich ziehen: „Die Einführung digitaler Lösungen ist nicht immer aufwendig und komplex. Bereits kleinere Schritte können eine große Wirkung erzielen.“ So sind sowohl Unternehmen angesprochen, die sich bislang noch nicht mit dem digitalen Wandel beschäftigt haben, als auch Mittelständler, die schon erste Anwendungen eingeführt haben. Neben der Fachtagung „Textil macht’s vor: Arbeit 4.0 und Künstliche Intelligenz in der Praxis“ am 16. Mai 2019 auf der Techtextil-Messe in Frankfurt steht in diesem Jahr eine Roadshow an. Die Textil vernetzt-Partner gehen mit ihren Exponaten auf Tour und bringen die Digitalisierung direkt in die textilen Hotspots in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen. „Wir holen die Unternehmer dort ab, wo sie tätig sind. Davon erhoffen wir uns, erste Fragen aus dem unternehmerischen Alltag direkt beantworten zu können“, so Merker.