28.04.21 – Interview mit Michael Steidle, Geschäftsführer der Textildruckerei Mayer

Techtextil/Texprocess: Inspiration und Leistungsabgleich fehlt

Techtextil/Texprocess im Mai hätten erneut gezeigt, wie innovativ die Branche ist. Der Ausfall ist für die Aussteller verheerend, meint Michael Steidle.

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„Was ich heute nicht entwickle, von dem kann ich in drei Jahren nicht leben.“ Michael Steidle im Interview mit textile network. © Textildruckerei Mayer_Koch

 

textile network: Herr Steidle, wie viele Messen besuchen Sie normalerweise im Jahr?

Michael Steidle: Im Durchschnitt sind wir im Jahr auf vier bis fünf Messen. Wir nehmen an der Munich Fabric Start in München zum Thema Konfektion teil, besuchen Events, die die Technik betreffen, allen voran die ITMA, dann natürlich Messen im Bereich der Elektrotechnik und der Drucktechnik. Als mein „Geheimtipp“ hat sich die Messe Lopec in München erwiesen, die ist zwar klein, aber für unsere Nische eine klasse Adresse.

  • Und natürlich die Techtextil/Texprocess, die für uns mit Abstand wichtigste Messe.

textile network: Was bedeutet eine Messe für Sie?

Michael Steidle: Eine Messe ist Inspiration und Leistungsabgleich zugleich. Wenn ich über eine Messe gehe, verschaffe ich mir einen Überblick über den Stand der Technik und der Leistungen der Branche. Das kann zu Freude oder zu Ernüchterung führen; wenn man entdeckt, dass andere schon haben, was man sich selbst überlegt hat, ist das erst mal ein Dämpfer, führt aber auch zu positivem Leistungsdruck.

  • Außerdem ist eine Messe ein durch nichts zu ersetzender Kontaktpool für potentielle Kunden, Partner und Lieferanten: Man sieht und trifft dort mehr Menschen, als man selbst bei aufwendigen Reisen besuchen könnte.

textile network: Durch Corona sind die allermeisten Messen abgesagt. Welche Konsequenzen hat das für Sie?

Michael Steidle: Für uns bedeutet das einen schlechteren Zugang zu neuen Märkten und eine schlechtere Möglichkeit zur eigenen Standortbestimmung. Außerdem vermisse ich den Wettbewerbsdruck, den eine Messe ausübt. Der fehlt dieses Jahr komplett und der hemmt die Entwicklung. Das bedeutet, dass uns in Zukunft die Nachfolgeprojekte fehlen, denn was ich heute nicht entwickle, bringt mir in drei Jahren keinen Umsatz.

  • Ich bin übrigens der Meinung, dass dieser fehlende Druck nicht nur bei einzelnen Unternehmen zu Ausfällen in puncto Innovation führt, sondern in der gesamten Branche. Daraus folgt eine insgesamt schlechtere Wettbewerbsfähigkeit – denn anderswo in der Welt läuft der Laden ja schon wieder.

textile network: Wie können Sie den Ausfall kompensieren? Können Sie es überhaupt?

Michael Steidle: Natürlich suchen wir nach Alternativen. Wir halten bei uns im Haus regelmäßig Innovationsgespräche ab; zu diesem Anlass laden wir ausgewählte Gesprächspartner zu einem bestimmten Thema ein. Der Austausch, der sich dadurch ergibt, ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Zudem nutzen wir Netzwerke; wir sind bei der IHK Reutlingen Mitglied der Netzwerke Automotive und technische Textilien. Auch bin ich regelmäßig als Referent bei Forschungsinstituten eingeladen, als nächstes werde ich im Mai beim STFI sprechen.

Klar kann ich mir auch Sachen im Internet anschauen und mir da Anregungen holen. Das machen wir natürlich auch regelmäßig, aber:

  • Sieht das Teil wirklich so aus wie im Video?
  • Wie fühlt sich das Produkt an?
  • Ist es tatsächlich so taktil und lederähnlich, wie wir es uns vorstellen?
  • Das sehen Sie im Video nie, das können Sie nur feststellen, indem Sie das Produkt anfassen.
  • Unsere Branche lebt von der Haptik!

Außerdem ist mir der interdisziplinäre Austausch sehr wichtig. Immer noch werden technische Textilien hauptsächlich als Produkte wahrgenommen, die man am Körper trägt, als Schutzkleidung beispielsweise. Dabei kann Textil so viel mehr: Es ist ein Werkstoff wie jeder andere, der zu einem Bauteil oder einem Funktionsteil werden kann. Diese Anwendungen fallen aber nicht vom Himmel – sie können nur im branchenübergreifenden Austausch entwickelt werden.

Herr Steidle, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen für textile network stellte Claudia Bitzer.

Vom 04. bis 07. Mai 2021 hätte in diesem Jahr in Frankfurt am Main das Messe-Duo Techtextil/Texprocess stattfinden sollen, wurde jedoch wegen der Corona-Pandemie auf nächstes Jahr verschoben.

Wir von textile network bieten den potentiellen Ausstellern des Messe-Duos im Monat Mai die Möglichkeit, über unsere Webseite auf ihre Innovationen aufmerksam zu machen und sich der Branche zu präsentieren.

Möchten Sie mit Herrn Steidle in den Dialog treten, um sich mit ihm über Innovationen auszutauschen? Dann schreiben Sie ihm gerne eine E-Mail.

Sie sind potentieller Aussteller und möchten bei der Aktion mit dabei sein, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail.