01.09.15 — read English version
Die echten Espadrilles
Pünktlich zum Sommer überschwemmen sie die Geschäfte, im Herbst dann verstopfen sie die Mülleimer: In Asien gefertigte Espadrilles. Für nur wenige Euro sind die Billigproduktionen aus Fernost fast überall auf der Welt erhältlich. Das Label Espadrij l'originale geht einen anderen Weg und arbeitet mit Manufakturen in Südfrankreich und Nordspanien und damit in der Heimat der Espadrilles.
In den 1980er Jahren, so erzählt Felix Staeudinger, Geschäftsführer der Panorama Europe GmbH, gab es noch zig Manufakturen im Gebiet der französischen Pyrenäen. "Dann kamen die Chinesen mit ihren Billigprodukten und überfluteten den Markt", sagt er. Viele Betriebe machten zu, die Arbeitslosigkeit in der ländlichen Gegend trieb die Leute in die großen Städte. Zurück geblieben sind nur noch eine Handvoll Manufakturen. "Es gibt nicht mehr viele, die diese Arbeit noch beherrschen oder mit den Maschinen umgehen können. Mit denen arbeiten wir jedoch exklusiv zusammen, um das Produkt wiederzubeleben". Neben dem Trend zu billigen Massenprodukten sieht er auch den Trend zur Nachhaltigkeit und Qualität. Viele Kunden wünschten sich wieder authentische und exklusive Produkte. Handgefertigte und zudem ökologische Schuhe passen somit perfekt zum aktuellen Zeitgeist.
Die Betriebe in den pyrenäischen Dörfern verdienen noch die Bezeichnung Manufaktur. Auf alten Maschinen und in Handarbeit wird jeder einzelne Schuh hergestellt. Die Werkstätten erinnern eher an ein Museum als an einen Arbeitsplatz. Wie alt die Maschinen sind, kann Staeudinger selbst kaum schätzen. Die meisten stammen aus den 1970er und 1980er Jahren, einige glaubt er, sind um die 100 Jahre alt. Der Schuh selbst sei aber noch wesentlich älter. Ursprünglich wurden Espadrilles mit Sohlen aus Espartogras gefertigt, woher sich vermutlich auch der Name ableitet. Diese Sohle aus Pflanzenfasern ist das Markenzeichen der Leinenschuhe, welches sich bis heute bei allen Modellen, ob flach oder mit Absatz, gehalten hat. Die mit Naturkautschuk gummierten Jutesohlen der Espadrij l'originale halten durchaus auch einen Regenschauer aus, durch Bäche zu waten empfiehlt Staeudinger dagegen nicht.
"Der Schuh mag es nicht, nass zu werden". Anders als seine asiatischen Verwandten halte er aber jahrelang, bei richtiger Pflege versteht sich und natürlich abhängig vom Trageverhalten. Dass die Qualität stimmt, darauf legt Staeudinger großen Wert. Seit er das Label vertreibt, sind die Absatzzahlen stetig gestiegen. Die Franzosen kamen schließlich mit der Produktion nicht hinterher. Als Folge wurde die Qualität in Mitleidenschaft gezogen. Eine Auslagerung sei die logische Konsequenz gewesen. Zusammen mit den Franzosen wurde entschieden, die Schuhe mit Absatz künftig in Nordspanien zu produzieren. In Spanien werde ebenfalls von Hand gearbeitet, alles sei jedoch etwas perfektionierter und der Betrieb verfüge über ein hohes Know-how bei der Vulkanisierung nach einem alten Verfahren.
Mit der Produktionsvergrößerung können die benötigten Stückzahlen wieder erreicht und die Franzosen gleichzeitig entlastet werden. Jeder mache nun das, was er am besten könne. Eine tiefere Verbundenheit mit Frankreich ist jedoch im Gespräch mit Felix Staeudinger spürbar. Wahrscheinlich bleibt das nicht aus, wenn die meisten Einwohner eines Dorfes praktisch abhängig von seinem Verkaufserfolg sind. Eine gute Zusammenarbeit und die Übereinstimmung bezüglich der Werte, die mit dem Produkte erreicht werden sollen, müssen gegeben sein. Werte wie Qualität, Authentizität und Nachhaltigkeit.
Letztere ist ein wesentlicher Bestandteil der Philosophie von Espadrij l'originale. Bis auf die Jute, die aus Bangladesch importiert wird, bevorzugt der Vertreiber kurze Transportwege. Den Canvas bezieht Staeudinger aus Spanien, den Kautschuk aus Frankreich. Selbst bei der Auslieferung an seine Großkunden achtet er darauf, so wenig Plastik wie möglich zu verwenden. Das ließe sich jedoch nicht immer umgehen, einige Kunden wie Online Shops verlangten Polybags. Standard seien jedoch hölzerne Kisten mit eingebranntem Logo, in denen die mit einem einfachen Gummiband zusammengehaltenen Paare ausgeliefert werden.
Diese Holzkisten seien auch das einzige Werbematerial für die Leinenschuhe. Staeudinger verzichtet auf unnötige Kosten für aufwendige Dekorationen. Wichtig sei ihm nur eine gute Präsentation, die er mit den Kisten gewährleistet sieht. Letztendlich ginge es auch um ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Die Konkurrenz aus Billiglohnländern erzielt ganz klar profitablere Margen. Dennoch meint Staeudinger ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis zu bieten. Er vertreibt einen hochwertigen Schuh aus natürlichen Materialien zu einem angemessenen Preis, bei dem auch der Chic nicht fehlt. Ideen für neue Designs werden zusammen mit den Franzosen anhand der aktuellen Markt- und Händlerwünsche entwickelt. Die Tradition soll erhalten bleiben, aber die Mode nicht zu kurz kommen. Auch ein klassisches Produkt müsse en vogue sein und der Zeit angepasst werden, so Staeudinger.
Hat der Espadrij l'originale am Ende dann doch ausgedient, muss er auch nicht unbedingt den Mülleimer vollstopfen. Er darf aufgrund seiner natürlichen Materialien getrost auf dem Komposthaufen landen.
[Anja Obst]
Stoff zuschneiden, die Seiten vernähen, an die Sohle anbringen und ebenfalls vernähen, und schließlich die Gummisohle anbringen. Das Aufwändigste dann zum Schluss: Das Versäubern des Fadens, damit dieser sich nicht löst. Das erledigten die Arbeiter zu Hause. Die Stelle ist nur bei genauer Untersuchung der Schuhe zu finden. Selbst nach etwas Herumzupfen bleibt der Faden hartnäckig an dem ihm zugedachten Platz.