30.05.23 – Special „Chancen und Risiken der Demografie“ – Teil 2

Wie geht die Branche mit dem demografischen Wandel um?

Statt über Fachkräftemangel zu klagen, stellt sich die Textilbranche aktiv den Themen Weiterbildung und Digitalisierung. Das neue Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe unterstützt Unternehmen mit konkreten Angeboten und zeigt, wie sich mittelständische Industrie für eine Zukunft mit weniger Nachwuchskräften fit machen kann.

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Anja Merker, Leitern des Bereichs Ausbildung beim Gesamtverband textil+mode. © photothek

 

Nicht nur neue digitale Technologien, auch der demografische Wandel stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, der sich besonders für viele kleine und mittlere Betriebe in einem gravierenden Mangel an Arbeitskräften und Fachkräften manifestiert. Wie Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützt und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf die neuen Anforderungen vorbereitet werden können, hat das Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe im Blick, das zum 1. März Fahrt aufgenommen hat. An Bord sind neben dem Gesamtverband textil+mode als koordinierende Einheit die Partner Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF), Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University und Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V. (STFI) sowie Der Mittelstandsverbund - ZGV. Gemeinsames Ziel der Reise: Mittelständische Unternehmen bei ersten Schritten oder größeren Projekten rund um Digitalisierung zu unterstützen. Im Gepäck haben die Partner dafür auch praxisorientierte Formate für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben, um über Digitalisierungs- und arbeitsgestaltende Themen zu informieren und für konkrete Anwendungen zu qualifizieren.

Gemeinsam Herausforderungen meistern

Geschäftsführerin Anja Merker kennt aus ihren Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern die besonderen Herausforderungen vieler Mittelständler: „Eingeschränkte Ressourcen und fehlendes Personal, das in diesem Bereich entsprechend ausgebildet ist, verzögern in kleinen und mittleren Betrieben oftmals die konkrete Anwendung neuer digitaler Technologien. Hier wollen wir die Unternehmen in Zukunft unterstützen.“

Ein Angebot, das dringend gebraucht wird. Denn die Herausforderungen werden nicht weniger: hohe Energie- und Rohstoffkosten, neue gesetzliche Regelungen in den Bereichen Lieferketten und Kreislaufwirtschaft sowie hoher Wettbewerbsdruck kommen zum Fachkräftemangel hinzu. Anja Merker, die in den vergangenen fünf Jahren bereits das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Textil vernetzt leitete, ist überzeugt: „Gemeinsam mit unseren Partnern im Konsortium und den Partnern im Mittelstand-Digital Netzwerk finden wir zusammen mit den Unternehmen passende Lösungen für nachhaltige, kreislauffähige Prozesse und neue digitale Geschäftsmodelle, damit die aktuellen Herausforderungen gemeistert werden können und der deutsche Mittelstand zukunftsfähig bleibt.“ Die ersten Meilensteine der Reise stehen schon fest: Showroom-Eröffnungen in Berlin und Köln sowie Labtouren zu den Demonstratoren an den Standorten in Aachen, Chemnitz und Denkendorf, die die digitalen Anwendungsmöglichkeiten für die Beteiligten konkret erlebbar machen.

Etwa am Institut für Textiltechnik in Aachen. Hier wird nicht nur der Ingenieursnachwuchs für die Textilindustrie ausgebildet, hier findet sich auch eine der Ideenschmieden für nachhaltige Lösungen und Prozesse im Bereich der Kreislaufwirtschaft und für neue digitale Geschäftsmodelle. Leiter des Schaufensters am ITA ist Rosario Othen. „Bei uns in Aachen können die Besucher die Vernetzung einer vollstufigen textilen Prozesskette erleben. Die Führung durch die verschiedenen Stationen ist für viele mit einem großen Aha-Effekt verbunden und vor allem mit der Erkenntnis, wie viel wirtschaftlicher Nutzen sich durch die digitale Transformation ergibt.“ Qualifizieren geht für ihn oft mit Umsetzen einher. Im Rahmen von Unternehmensbesuchen ermitteln er und seine Kollegen Potentiale für Digitalisierung. „In nachgelagerten Workshops befähigen wir die Mitarbeitenden dazu, z. B. Digitalisierungsstrategien auszuarbeiten, Messkonzepte zu entwickeln und mit den gewonnenen Daten umzugehen. Sehr gern begleiten wir die Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung Ihrer Projekte.“

Alle Angebote sind auf die Bedürfnisse der Unternehmen ausgerichtet. Daran arbeiten auch Projektleiter Dirk Zschenderlein und sein Team am Sächsischen Textilforschungsinstitut. Das Chemnitzer Schaufenster "Vernetzte Produktion" ist ein wahres Forschungs- und Versuchsfeld und zeigt am Beispiel einer textilen Prozesskette, was von der drahtlosen Kommunikation zwischen Werkstoffen und Maschinen über die Steuerung von Anlagen und intelligente Instandhaltung bis zur Sicherheitstechnik für die digital vernetzte Produktion möglich ist. Dirk Zschenderlein ist überzeugt: „Um den Krisen dieser Zeit zu begegnen, braucht es smarte Lösungen und vor allem qualifizierte Mitarbeiter, die damit umgehen können.“ Das dazu notwendige Know-how vermittelt das STFI-Team in (Online-)Workshops oder Inhouse-Schulungen. „Wir zeigen mit unseren Schulungen, wie einfach erste Schritte in der Programmierung sind und vermitteln den Mitarbeitenden einfache Programmierkenntnisse, unabhängig von ihren digitalen Vorkenntnissen und an den jeweiligen betrieblichen Abläufen ausgerichtet. Dabei setzen wir bewusst auf OpenSourceSoftware, um die kleinen und mittleren Unternehmen nicht gleich mit Kosten für kommerzielle Lösungen abzuschrecken.“

Auch Alexander Artschwager und seine Kolleginnen und Kollegen von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung in Denkendorf beschäftigen sich damit, welche zukunftsrelevanten Technologien für mittelständische Unternehmen in Frage kommen und wie Vorbehalte bei Mitarbeitern gegenüber Neuerungen abgebaut werden können. Schwerpunkt seines Teams ist der Einsatz digitaler Tools in Unternehmen, etwa in den Bereichen Nearshoring und On Demand-Fertigung oder Prozess- und Ressourceneffizienz durch Künstliche Intelligenz. „Mit unseren Labtouren machen wir durchgehendes digitales Engineering erlebbar, von der Idee bis zum fertigen Produkt. Wichtig ist, mehr Zeit für die Fortbildung im Bereich digitaler Kompetenzen für die Mitarbeiter einzuplanen. Dafür müssen Führungskräfte sensibilisiert werden, damit Lernende sich die Zeit nehmen können.“

Weiterentwicklung durch Weiterbildung

Viele Qualifizierungsangebote vom Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe drehen sich auch um Künstliche Intelligenz, ein Thema, das durch den Chat-BOT ChatGPT aktuell in aller Munde ist. Welche KI-Anwendungen gibt es darüber hinaus und welche bieten sich für den Mittelstand an? Welche konkreten KI-Anwendungen können im Unternehmen eingesetzt werden? Und wie können Mitarbeitende qualifiziert werden, um KI-Anwendungen im Unternehmen einzuführen. Fragen, die die KI-Trainer des Zentrums in ihren Sprechstunden den Unternehmen beantworten oder mit dem KI-Escape-Room des DITF spielerisch erfahren werden können.

Für Der Mittelstandsverbund - ZGV, Transferpartner im Konsortium, ist Weiterentwicklung durch Weiterbildung nicht nur relevant für den persönlichen und beruflichen Werdegang eines jeden Einzelnen. Sie bestimmt auch den Erfolg eines ganzen Unternehmens und macht es fit für die Zukunft. Auf seiner Plattform zukunfit.de stehen Lerninhalte zu aktuellen, branchenübergreifenden Themen bereit. Der Mittelstandsverbund plant, auf die kürzlich erstellte kooperative Landingpage auch die Inhalte des Netzwerk Mittelstand Digital einzustellen. Tim Geier, Projektleiter, ist an der kontinuierlichen Programmentwicklung beteiligt. „Unsere Experten vermitteln Fachkompetenzen und Fu?hrungswissen für Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Spektrum reicht von exzellenten Management- und Qualifizierungsprogrammen über Seminare und bis zu Netzwerkveranstaltungen.“

Zusätzlich arbeitet das Zentrum Hand in Hand mit anderen Mittelstand-Digital Zentren, um Know-how zusammenzuführen und den Unternehmen sowie Mitarbeitern möglichst umfassende Lösungen anzubieten für den Weg hin zu einem Unternehmen der Zukunft.

Neuigkeiten zum Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe finden sich auf LinkedIn, und ab Juni auf der Projektwebseite www.smarte-kreislaeufe.de.

Das Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe gehört zu Mittelstand-Digital. Mit dem Mittelstand-Digital Netzwerk unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk, ermöglicht die kostenfreie Nutzung und stellt finanzielle Zuschüsse bereit. Weitere Informationen: www.mittelstand-digital.de.