25.09.19 – Textil-und Bekleidungsindustrie — read English version

Situationsbericht Afrika

Demografischer Wandel, Urbanisierung, Verschiebungen der Wirtschaftskräfte sowie globale Entwicklungen befeuern das Wachstum der afrikanischen Wirtschaft.

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Die Nachfrage nach afrikanischen Textilien und Kleidungsstücken nimmt weltweit zu. Afrikanische Muster werden als wahrhaft modische und ikonische Stücke anerkannt. © Jeanette Dietl/stock.adobe.com

 
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Auf Safari in Afrika. Ein großer Teil des Kontinents ist Wüste, die bekanntesten: Sahara und Kalahri. Doch Afrika ist noch viel mehr: Afrika ist ein Kontinent mit großer Zukunft ... © canvasoflight/ stock.adobe.com

 
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Dies hat auch Auswirkungen auf die Textilindustrie. Laut Prognose von „UN Economic Report on Africa 2017“ weist Afrika die am schnellsten wachsende Bevölkerung auf. Die heutige Population von rund 1,2 Mrd. Menschen wird sich demnach bis 2050 mehr als verdoppeln. Ebenso nimmt die Anzahl der arbeitenden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent rasant zu. Bereits 2034 wird die weltweit größte arbeitende Bevölkerung (1,1 Mrd.) in Afrika prognostiziert. Diese demografischen Veränderungen lassen den privaten und geschäftlichen Konsum stark zunehmen, wovon überwiegend regionale Wirtschaftsmärkte profitieren werden. Was bedeutet das für die Textilindustrie? Unser Autor Skander Negasi hat dazu folgende vier Schwerpunkte näher betrachtet.

Afrikanische Textilien, afrikanisches Design

Die Nachfrage nach afrikanischen Textilien und Kleidungsstücken nimmt weltweit zu, und afrikanische Muster werden als wahrhaft modische und ikonische Stücke anerkannt. Internationale Modehäuser integrieren immer mehr afrikanische Einflüsse in ihre neuesten Kollektionen.

Internationale Textilhersteller wenden sich Afrika als neue Arbeitsquelle und wachsendem Verbrauchermarkt zu. Afrika nimmt eindeutig und schnell eine größere Rolle in der globalen Mode-Wertschöpfungskette ein und ist auf dem Weg sich rasch zu industrialisieren, um davon zu profitieren. Anstatt Rohstoffe zu exportieren, die anfällig für Marktschwankungen sind, und Second-Hand-Kleidung zu importieren, schafft Afrika für alles Produzierte einen Mehrwert und exportiert fertige Modeprodukte.

Textil- und Bekleidungssektor

Die Textil- und Bekleidungsindustrie bietet eine einzigartige Gelegenheit für Länder, die eine Industrialisierung anstreben. Der Sektor trägt zur Diversifizierung der Wirtschaft bei und sieht sich durch den Export als eine Devisenquelle. Die Lohnkosten von 40 bis 160 Euro sind für viele Investoren und Einkäufer interessant.

Schauen wir uns den Fall Äthiopien an. Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 Exporte im Wert von 30 Mrd. US-Dollar aus dem Textil- und Bekleidungssektor zu erwirtschaften. Daher hat die Regierung Industrieparks errichtet, um die Textilinvestitionen und die Produktivität des Landes zu steigern. Kein Wunder, dass Äthiopien Textilriesen wie PVH, H&M und Primark angezogen hat. Laut der Weltbank sind fast 80 Prozent der im Bekleidungssektor Äthiopiens beschäftigten Arbeitnehmer Frauen. Der wachsende und vielversprechende Markt in Äthiopien hat viele Investoren in die Wirtschaft gelockt, um Geschäftsmöglichkeiten im ostafrikanischen Investitionszentrum zu nutzen. Von Schweizer über Inder und Amerikaner bis hin zu türkischen und jetzt auch deutschen Unternehmen hat Äthiopien mit seinen Spekulationen über die wirtschaftlichen Aussichten verschiedene Unternehmen umworben.

Neben Äthiopien ist der Bekleidungssektor in Südafrika, Mauritius, Madagaskar und in anderen nordafrikanischen Ländern gewachsen. Der Rest des Kontinents ist jedoch noch weit entfernt.

Investment aus China

Chinas nationaler Textilverband China National Textile and Apparel Council (CNTAC) hat sein Interesse an Investitionen in die am schnellsten wachsende Wirtschaft Afrikas, Äthiopien, bekräftigt. Der Verband der Textilindustrie sucht nach Investitionsmöglichkeiten im Land.

Das International Trade Center (ITC) organisierte in Zusammenarbeit mit der chinesischen Handelskammer für den Import und Export von Textilien und Bekleidung (CCCT) vom 11. bis 15. März 2019 eine Investitions-Roadshow zu Textilien und Bekleidung in Shanghai und Wuxi, China. Die Roadshow wurde im Rahmen des Projekts „Partnerschaft für Investitionen und Wachstum in Afrika“ (PIGA) organisiert, das von der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und dem Ministerium für internationale Entwicklung (DFID) in Nordirland unterstützt wurde.

Nach der Roadshow unterzeichneten die Zhejiang Mengnah Socks & Hosiery Co. Ltd. und die Ethiopian Investment Commission (EIC) eine Absichtserklärung als ersten Schritt zur Umsetzung eines 30-Millionen-Dollar-Investitionsprojekts. Die Woche darauf besuchten zwei chinesische Unternehmen Äthiopien, und eines von ihnen verhandelt derzeit mit der Regierung über die Anmietung des Grundstücks und den Bau seiner Fabrik.

Die 100 chinesischen Unternehmen, die an der Roadshow teilnahmen, zeigten großes Interesse an Investitionen in den Textil- und Bekleidungssektor in Afrika, insbesondere in Äthiopien und Kenia, aufgrund ihrer Arbeitskräfte, ihres Marktes und ihrer bereits vorhandenen Infrastrukturvorteile.

Risikofaktor: Gebrauchte Kleidung

Der weltweite Handel mit gebrauchter Kleidung hat eine lange und robuste Geschichte. Es wurde aufgrund seiner Erschwinglichkeit und der zunehmenden Liberalisierungspolitik zu Beginn der neunziger Jahre bekannt. Second-Hand-Kleidung bietet Arbeit für Millionen von Wiederverkäufern, Händlern und Marktständen in aufstrebenden Märkten, insbesondere in Ostafrika. Die Entscheidung einiger Länder, die Einfuhr von Second-Hand-Kleidung zu kürzen, um die lokale Textilherstellung zu fördern, führte dazu dass Exporteure der Industrieländer diese wegen Protektionismus angeklagt haben.

Die Altkleider werden in Afrika nicht gratis abgegeben, sondern verkauft. Weil die Zwischenhändler die Ware fast gratis erhalten, können sie sie günstig weiterverkaufen. Die heimische Produktion hat gegen solche Dumpingpreise keine Chance. In fast allen afrikanischen Großstädten gibt es diese Märkte, wo man beispielsweise Markenjeans für ein paar Euro erstehen kann. Parallel zur Ausbreitung dieser importierten Billigware ging es mit der heimischen Textilindustrie bergab. Was früher als Second-Hand-Klamotten aus den Westlichen Ländern kommt, wird nun sogar aus China importiert. Kenia führt derzeit verstärkt Werbung gegen diese Second-Hand-Waren aus China.

Der Guardian schätzt, dass mit dem weltweiten Handel von Gebrauchtkleidern jährlich 3,7 Mrd. Dollar umgesetzt werden. In Tansania kamen vor den neuen Maßnahmen jeden Monat rund 40.000 t Altkleider aus dem Westen an. In Uganda machen Secondhandkleider 81 Prozent aller Kleiderkäufe aus. In den frühen neunziger Jahren gab es in Kenia 110 grosse Bekleidungsfirmen. 2006 waren es noch 55. Inzwischen existieren noch ganze 15 Textilfabriken.

Der Gipfel der Ironie ist, dass nun einige internationale Kleiderketten in Afrika produzieren, weil inzwischen auch in bisherigen Produktionsstandorten wie Bangladesh die Lohnkosten gestiegen sind. Nun werden also beispielsweise in Äthiopien Kleider für den Markt in Europa produziert, die nach einiger Zeit in der Textilsammlung landen und zurück nach Äthiopien wandern, wo sie die einheimische Produktion unterminieren.

Fazit

Wo Industrialisierung im Lauf der Geschichte einsetzte, ging es fast immer mit der Textilproduktion los. Aktuelle Beispiele sind Bangladesch und Vietnam. Beide Volkswirtschaften sind in den vergangenen Jahrzehnten schnell gewachsen, und die Industrie wurde dort stetig wichtiger. Beide Länder haben auch die Armut deutlich reduziert.

Afrika ist die Wiege der Menschheit. Der Kontinent ist kulturell und ökologisch sehr vielfältig. Konsumenten weltweit sind beeindruckt von seiner breiten Palette an Stoffen, Mustern und traditioneller ebenso wie moderner Kleidung. Jährlich werden afrikanische Textilien mit raffinierten Mustern und Stickereien im Wert von mehr als 4 Mrd. Dollar an Endverbraucher verkauft. Auf dieser Basis kann die Textilentwicklung nun zügig aufbauen.

Afrikanische Regierungen haben im Rahmen der UN-2030-Agenda mit den Nachhaltigkeits-Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) und der 2036-Agenda der Afrikanischen Union versprochen, die Lebensbedingungen in ihren Ländern zu verbessern. In diesem Kontext ist die Textilindustrie vielversprechend. Sie kann Millionen Menschen aus der Armut heben – und vielleicht auch hunderte von Millionen.

Wichtige Plattform für den Austausch innerhalb der Industrie

Die Internationale Textil- und Bekleidungsindustrie trifft sich jährlich auf der „Africa Sourcing and Fashion Week“. Dort werden all die o. a. Themen besprochen. Die Veranstaltung besteht auf einer Messe, der Konferenz sowie Führung durch diverse Textilfabriken. Über 7.000 Investoren und Einkäufer aus über 45 Ländern treffen auf übber 350 Afrikanische Hersteller und Regierungen. Die Veranstaltung findet vom 9. bis 12. November 2019 statt. Veranstaltungsort ist Addis Abeba/Äthiopien. Weitere Informationen dazu auf www.asfw-online.com

Skander Negasi

CEO Trade and Fairs Consulting GmbH