16.03.15 — read English version

27. Colombiatex: Immer weiter aufwärts

Bei milden Temperaturen und ausgelassener Stimmung ging die Colombiatex de las Americas vom 27. bis 29. Januar in Medellin in die 27. Runde. Rund 26.000 Besucher und knapp 10.000 Käufer ließen sich von einer bunten Mischung aus Ausstellern, Shows und Vorträgen inspirieren.

Invista Lycra Fashion Show Photo: Hannah Werner

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fabricato Fashion Show Photo: Hannah Werner

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Die Organisatoren der Colombiatex de las Americas ziehen eine positive Bilanz für die 27. Ausgabe im kolumbianischen Medellin, die zu den größten Textilmessen Südamerikas gehört. "Wir schließen mit einer Geschäftserwartung von 306 Millionen US Dollar ab – das ist ein Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zu 2014", freut sich Carlos Eduardo Botero Hoyos, CEO des Messeveranstalters Inexmoda. Die Ausstellerzahl konnte auf dem Vorjahresniveau mit 500 gehalten werden, trotz Unsicherheiten bezüglich der Handelsabkommen mit Venezuela und Ecuador. In sechs Hallen vereinte die Colombiatex alle Bereiche der textilen Kette angefangen bei Textil- und Bekleidungsmaschinen, über die Stoffe/Stofftrends bis hin zum Nähzubehör und dem sogenannten "Full-Package".

Dieses Jahr stand die Colombiatex unter dem Leitmotto "Open Access" - Sinnbild für die Öffnung der Branche für neue Technologien, Ideen und Strukturen. So bildeten auch die Impulsvorträge im Knowledge Pavillon, die als Kooperation von Inexmoda und der Universität Pontificia Bolivariana veranstaltet wurden, einen Knotenpunkt zur Vernetzung von Forschung, Industrie und Kreativbranche.

Das Trend Forum präsentierte ein repräsentatives Sample aller ausgestellten Stofftrends, die analysiert und in Trend- und Color-sheets eingebettet wurden. Ergänzend hielt Martha Cálad, Geschäftsführerin des Fashion Labs bei Inexmoda, Vorträge zu den Macrotrends, den "übergreifenden Strömungen in allen Bereichen – sozial, politisch, wirtschaftlich und kreativ", so Cálad. Sie seien essentiell, um herauszufinden, wie sich die Mode entwickle. "Denn das sind Themen, die Menschen in ihrem Alltag beschäftigen.

Modeprodukte müssen letztlich die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen befriedigen". Für den nächsten Winter, erklärt Cálad, werden sich beispielsweise Themen wie globale Vernetzung und Multikulturalität in den Prints und Materialien widerspiegeln – "Metamorphosis" nennt das FashionLab diesen Macrotrend.

Die Brücke zwischen Ausstellern und Endkonsumenten wurde zum zweiten Mal über die Fash.Mob Events geschlagen. Fünfmal verwandelte sich der Außenbereich für eine halbe Stunde zum innovativen Pop-up Laufsteg. Junge Designer präsentierten ihre Ideen und zeigten, wie sich Textilstoffe letztlich im Endprodukt wiederfinden und angewandt werden können. Clara Henriquez, Geschäftsführerin Commercial Platforms bei Inexmoda, betont: "Wir können die Textilindustrie nicht von ihrem raison d’être (Daseinszweck) distanzieren - der Endkonsument ist stets der Mittelpunkt des Business. Wir haben die Fash.Mobs ins Leben gerufen um die Branche mit Kreativität und Innovation zu verknüpfen".

Auf den Shows und auch bei den ausgestellten Waren fällt aus deutscher Perspektive vor allem der starke Fokus auf europäische Designs auf. Wie Martha Cálad herausstellt, sucht die kolumbianische Branche vor allem den Anschluss an die globale Modeindustrie und hat somit wenig Interesse an spezifisch kolumbianischen Designs. Der Kinderbekleidungshersteller OFFCORSS strebt in seinen Kollektionen ebenfalls europäische und amerikanische Looks an. Marketingleiterin Alejandra Munoz fügt hinzu: "Wir fahren zu allen wichtigen Shows nach Paris, London und Berlin und lassen uns inspirieren. Höchstens an der Farbenfroheit zeigt sich der kolumbianische Einfluss".

Trotz der ästhetischen Annäherung an Europa, wenden sich in Sachen Handel wenige Unternehmen in Richtung europäischer Märkte. "Die Geschäftsbeziehungen sind vor allem wegen des ungünstigen Wechselkurses in den letzten Jahren stark abgeflacht", erklärt Carla Henriquez. Allerdings, so betont der Vizeminister für Business Development, Sardi Cruz, ergeben sich nun mit Absinken des kolumbianischen Pesos tolle Möglichkeiten für ansässige Unternehmen, neue Exportmärkte zu erschließen. Auch die Sprachbarriere bleibt ein nicht zu unterschätzendes Problem. So ist Spanien mit 38 Ausstellern das mit Abstand am stärksten vertretene europäische Land von insgesamt 70 teilnehmenden europäischen Unternehmen.

Der einzige deutsche Hersteller Martin Pliester aus Wuppertal ist zum ersten Mal bei der Colombiatex dabei. Direktor Christian Escher zieht ein positives aber zurückhaltendes Resümee. "Das Interesse ist auf jeden Fall da, wir hatten viele Besucher und haben fruchtbare Gespräche geführt. Allerdings wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen, was sich daraus ergibt. Prinzipiell, und das ist ein generelles Problem in Südamerika, ist der Import einfach noch nicht klar geregelt. Die Infrastruktur ist oft nicht präsent und einige Unternehmen haben uns bestätigt, dass es ohne einen Stützpunkt vor Ort in Kolumbien nahezu unmöglich sei. Insofern ist unsere Präsenz auf der Messe zunächst nur ein erster Vorstoß, diesen Markt zu erkunden". Und, so stellt Escher heraus, die Atmosphäre auf der Colombiatex sei wirklich einzigartig und sehr inspirierend.

Die kolumbianische Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit beeindrucken viele internationale Aussteller und Besucher. Man spürt, dass sich alle Beteiligten viel Mühe geben, um ihre Stadt Medellin und auch Kolumbien insgesamt im besten Lichte erscheinen zu lassen. Das spiegelt auch die enormen politischen Anstrengungen der letzten Jahre wieder, Medellin vom Image der Drogenhauptstadt zu befreien. Vor allem Investitionen im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs und der nachhaltigen Stadtentwicklung brachten Medellin 2013 die Auszeichnung als "innovativste Stadt der Welt" des Urban Land Institutes ein. Besonders hervorzuheben sind dabei das moderne Metronetz, um arme und reiche Stadtteile schnell und kostengünstig miteinander zu verbinden, sowie öffentliche Bibliotheken und Erlebnisparks in sozialen Brennpunkten.

Dennoch, das Gefühl der Unsicherheit ist aus Medellins Straßen noch nicht verbannt. Taxifahrer warnen vor gefährlichen Gegenden und in Downtown wird prinzipiell vom Mitführen elektronischer Geräte abgeraten. Analog ist die Mordrate in den letzten Jahren wieder angestiegen. Dennoch wird sich Medellin davon unbeirrt weiter für die Stadtentwicklung einsetzen und laut dem Regional Pact for Innovation wird 1 Prozent des nationalen BIP in die Region um Medellin investiert. Der Textilsektor spielt dabei eine große Rolle, da er fast 30 Prozent der Einwohner Medellins beschäftigt und insgesamt einer der stärksten Branchen Südamerikas ist - nicht zuletzt wegen Events wie der Colombiatex und ihrer Schwesterveranstaltung Colombiamoda, die dieses Jahr vom 28. bis 30. Juli stattfindet und sich stärker auf Mode und Design konzentriert.

[Hannah Werner]

[colombiatex.inexmoda.org.co]

Nachhaltigkeit in der Produktion wird auch in Kolumbien zunehmend ein Thema in der Textilindustrie. Das spanische Unternehmen Jeanologia, spezialisiert auf ressourcenschonende Lasertechnologie für Jeansfinishing, registriert einen Wandel im Bewusstsein der Kunden. "Vor drei Jahren führten wir unsere nachhaltigen Waschsysteme ein. Seitdem hat sich viel geändert – Unternehmen sind zunehmend bereit, langfristig in umweltschonende Technologien zu investieren" erzählt Jesus Blay Andres, Bereichsleiter bei Jeanologia.

"Für die konventionelle Waschung einer Jeans werden 70 Liter Wasser benötigt. Unser Prozess basiert auf Nanoblasen und benötigt gerade einmal 5 Liter Wasser". Allerdings, so wendet Blay Andres ein, reiche Nachhaltigkeit als Verkaufsargument allein nicht aus – solche Investitionen müssen sich letztlich für die Unternehmen immer auch finanziell lohnend sein.

Das kolumbianische Unternehmen Offcorss lässt alle Produkte im Inland produzieren. "Unsere grüne Unternehmensphilosophie leitet unsere Entscheidungen. Darum stellen wir spezielle Anforderungen an unsere Zulieferer – wie beispielsweise geringer Wasserverbrauch oder die Vermeidung von giftigen Chemikalien" erklärt Ana Maria Galeano, Leiterin der Produktentwicklung bei Offcorss.

Allerdings gibt es in Kolumbien keine Gesetze oder Lizenzverfahren, die eine umweltfreundliche Produktion zertifizieren und garantieren. „Für uns ist es eine Frage des Prinzips - aber natürlich ist nachhaltige und saubere Herstellung vor allem in unserer Zielgruppe der jungen Familien zunehmend zum Verkaufspunkt geworden". Auch in Hinblick auf zukünftige Kooperationen mit Europa ist das ein wichtiges Thema, versichert Galeano. Für Offcorss ist die Präsenz auf der Colombiatex wichtig, um sich noch stärker mit Zulieferern zu vernetzen und gemeinsam aufzutreten, denn "letztlich kauft der Kunde ein Produkt, an dem wir alle beteiligt waren" schließt Galeano.

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