30.04.15 — read English version

Comeback in den USA

Mit der Herstellung von Textilien assoziieren wir Lieferländer wie China, Indien, die Türkei, Bangladesch und auch Vietnam und Kambodscha. Doch ganz still und heimlich erlebt die Textilproduktion in den USA derzeit ein Comeback. Quo vadis Textil- und Bekleidungsindustrie in Amerika?

Die US-Regierung will die Attraktivität der USA als Produktionsort auch für die Textilindustrie fördern und hat dazu eine neue Initiative gegrü...

Die US-Regierung will die Attraktivität der USA als Produktionsort auch für die Textilindustrie fördern und hat dazu eine neue Initiative gegründet Photo: Fotolia

 
Mitte März hat die Regierung von US-Präsident Obama (Bild) eine Investition in Höhe von 150 Mio. US-Dollar angekündigt Photo: Manik Mehta

Mitte März hat die Regierung von US-Präsident Obama (Bild) eine Investition in Höhe von 150 Mio. US-Dollar angekündigt Photo: Manik Mehta

 
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Seit der Rezession von 2008 gilt der Abbau der Arbeitslosigkeit als eine hohe Priorität für die Obama-Regierung, deren Strategie vorsieht, die verarbeitende Industrie im Lande wiederzubeleben. Auch die Textilindustrie des Landes hat die Regierung aufgefordert, die Attraktivität der USA als Produktionsort zu fördern. Mitte März hat die Obama-Regierung nun eine Investition in Form eines Wettbewerbes von 150 Mio. US-Dollar in einer neün Initiative für Innovationen im Produktionsbereich Textil angekündigt. Dieser dann 9. Textil-Innovationswettbewerb richtet sich an Unternehmen, Universitäten und gemeinnützige Organisationen und soll gewährleisten, dass die USA „führend im Bereich Faserwissenschaft” bleibt. Die Obama-Regierung selbst steuert 75 Mio. US-Dollar bei; darauf kommt ebenso eine weitere Investitionssumme von 75 Mio. US-Dollar seitens der Privatwirtschaft. Die Gesamtsumme wird für die Forschung, Prototypentwicklung sowie die Kommerzialisierung der Faser „mit aussergewöhnlicher Charakteristik” verwendet.

Zwischen 1997 und 2009 wurden rund 650 Textilfabriken in den USA stillgelegt. Eine Entwicklung, die tausende Arbeitsplätze kostete, wie die Dachorganisation National Council of Textile Organizations (NCTO) neulich mitteilte. „Nach einem Produktionsrückgang in den 2000er Jahren in den USA hat die amerikanische Textilindustrie nun zum ersten Mal in zwei Jahrzehnten neu Arbeitsplätze geschaffen. Die Industrie hat ihre Lieferungen um fast ein Fünftel seit der Rezession erhöht und globale Gewinne mit einem 45prozentigen Wachstum beim Export seit 2009 gemacht“, sagte das Weiße Haus. Die Geldzuteilung lege den Grundstein für die künftige Führungsrolle der Amerikaner bei der Produktion von hochentwickelten Fasern und Textiltechnologien.

Nach den vorliegenden Zahlen des amerikanischen Arbeitsministeriums stieg die Beschäftigung in den textilproduzierenden Werken des Landes auf 233.900 in Februar d.J. von 230.700 vor einem Jahr an. Nach NCTO-Angaben werden 65 Textilindustrieprojekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 1,39 Mrd. US-Dollar aufgebaut, darunter 32 Projekte mit einem Gesamtwert von 999 Mio. US-Dollar allein in den Bundesstaaten Georgia und North Carolina.

Die erste Reaktion der amerikanischen Politiker war durchaus positiv. Für den Abgeordneten David Price aus Chapel Hill erlebt die amerikanische Textilindustrie ein “kleines Comeback” seit zwei Jahrzehnten und schaffe Arbeitsplätze im Textilbereich. Die allgemeine Stimmung in der Industrie ist durch Zuversicht gekennzeichnet. So will das in Charlotte, North Carolina, ansässige Unternehmen DAK Americas z.B. die jährliche Produktionskapazität um 55 Mio. Pfund (ca. 25 Mio. kg) für Polyesterspinnfaser (PSF) im Cooper River Standort nah Charleston, South Carolina erhöhen. Mit der Vollendung der Expansion wird DAK über eine Gesamtkapazität von 500 Mio. Pfund (ca. 227 Mio. kg) im Jahr für die PSF in der NAFTA (North American Free Trade Agreement)-Region verfügen. Andere Unternehmen wie Pharr Yarns LLC von McAdenville, North Carolina oder die Polyesterfaser Firma PolyTech Fibers LLC in Georgia wollen in die Modernisierung bzw. den Ausbau der Produktion investieren.

Das gilt auch für Bekleidungsfirmen wie z.B. Vapor Apparel in South Carolina, die ein neues Werk in Union, South Carolina errichten wird und dazu 1,3 Mio. US-Dollar investiert. Das neue Werk soll das bestehende Produktionswerk in North Charleston ergänzen. Jackson Burnette, Präsident von Vapor Apparel, sieht eine “große Ehre” darin, Arbeitsplätze im Textilproduktionsbereich nach South Carolina zurückzubringen. Das französische Unternehmen Chomarat hat neulich die Eröffnung einer neuen Fabrik zur Herstellung technischer Textilien bzw. Verbundtextilien mit der Verwendung von Maschinen des Typs Liba Max5100 angekündigt. Das Werk, so Chomarat-Vertreter, ziele auf die Förderung von neuesten Innovationen und die Entwicklung neuer Partnerschaften im nordamerikanischen Markt ab.

Um Investitionen im Textilbereich anzulocken, bieten die Bundesstaaten im Süden Steuervergünstigungen, moderne Transportwege sowie gut ausgebildete Arbeiter. Brasilien, Kanada, China, VAE, Großbritannien, Indien, Israel, Japan, Südkorea, Mexiko und die Schweiz haben bereits Pläne zum Neubau oder Ausbau existierenden Textilfabriken in Bundesstaaten Georgia, Louisiana, North Carolina, South Carolina, Tennessee und Virginia angekündigt. Vor diesem Hintergrund ist die Stimmung in der US-Textilindustrie heute viel besser als noch vor 20 Jahren, als die Textilproduktion drastisch zurückging, da die Arbeitskosten im Ausland viel günstiger als in den USA waren.

Steigende Lohnkosten in China und anderen Billiglohnländern sowie hohe Transportkosten und Tarife haben jedoch so manche Unternehmen dazu veranlasst, ihre Produktion wieder in die USA zu verlegen. Hinzu kommt das neue Bewusstsein der amerikanischen Verbraucher für die “Made-in-USA”-Marke, deren Nachfrage stark gestiegen ist. Das Unternehmen Wal-Mart hatte schon vor zwei Jahren angekündigt, in den nächsten zehn Jahren amerikanische Produkte im Wert von 50 Mrd. US-Dollar kaufen zu wollen. Wirtschaftserholung, Abbau der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigender Rentabilität der Unternehmen herrscht nun allgemeine Zuversicht bei den Textilherstellern.

Die Textilindustrie ist produktiver geworden (obwohl mit der Automatisierung und der erhöhten Produktivität über 200.000 Arbeitsplätze im vergangenen Jahrzehnt verlorengegangen sind) und will Handelsvorteile im Rahmen des zentralamerikanischen Freihandelsabkommens - Central American Free Trade Agreement (CAFTA) ausnutzen. Die exportorientierte Industrie entwickelt Strategien, um von den globalen Produktionsplattformen und neuen Technologien zu profitieren. “Der Export von Textilprodukten ist stark angewachsen, nachdem sich die Industrie auf die Produktivität konzentriert hat“, weiß John Harris, Analyst bei einer internationalen Bank in New York. Der Großteil der Textilien- und Bekleidungsexporte aus den USA geht in Länder der westlichen Hemisphäre - gemäß des NAFTA- und CAFTA-Freihandelsabkommens. Auch außerhalb der NAFTA- und CAFTA-Regionen hat die Industrie ihre Position durchsetzen können.

Die USA exportiert u.a. Garn, Stoffmaterialien, Bekleidung und konfektionierte Waren; Bekleidungsexporte haben aber mit Textilexporten nicht Schritt halten können. Garn aus den USA erfreut sich großer Nachfrage weltweit, auch außerhalb der westlichen Hemisphäre und Asien, vor allem China, ist zum wichtigen Käufer von amerikanischem Garn geworden. Viele Unternehmen sehen mit Enthusiasmus der Techtextil North America Messe entgegen, die gemeinsam mit der JEC Americas von 2. bis zum 4. Juni 2015 in Houston, Texas stattfindet.

“Houston ist ein idealer Standort für diese Veranstaltung, weil die Stadt ein dynamisches Geschäftsumfeld hat, vor allem in Bereichen wie Energie, Luftfahrt, Medizin und anderen wichtigen Verarbeitungsindustrien, die sehr wichtig für die technische Textilindustrie sind,” sagt Dennis Smith, Präsident der Messe Frankfurt USA. Der kombinierte Standort für Techtextil und JEC sei Teil einer Initiative, die darauf abzielt, Veranstaltungen zusammen zu organisieren, um den Teilnehmern große Synergien anbieten zu können.

Die Textilindustrie in Südamerika vor allem in Brasilien und Argentinien ist in einer “Take-Off”-Position, wie Rudolfo Martinez, ein Importeur in New York sagt. Martinez, der regelmäßig Lateinamerika besucht, von wo er Textilien und Bekleidung importiert, ist “begeistert” von der Veranstaltung Emitex, die mit den Simatex und Confemaq-Veranstaltungen von der Messe Frankfurt Argentina gekauft wurden. Mit den drei Messen wird einen Großteil der Textilien und Bekleidungsindustrien sowie Textilmaschinen abgedeckt. Die Emitex wird in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires vom 12. bis zum 14. Mai 2015 von der Mundo Textil Magazine und HS Eventos organisiert. Nach Angaben von Messe Frankfurt Argentina gehören Emitex, Simatex und Confemaq zu den großen internationalen Veranstaltungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie in Südamerika.

Lieferanten von modischen Textilien, Stoffmaterialien, Garnen und Zubehör aller Art wollen dort ihre Produkte zeigen. Nach Angaben des argentinischen Industrieministeriums bieten die Textil- und Bekleidungsindustrien in Zukunft “großes Wachstumspotential”. Bereits in den letzten zehn Jahren wuchsen die Industrien um 70 Prozent bzw. jährlich um ca. 5.5 Prozent. Ein Großteil der Textil- und Bekleidungsexporte ging nach Brasilien, Uruguay und Chile. Argentinien wiederum importierte Waren aus China und Brasilien. Nach Projektionen des Ministeriums soll die Textil- und Bekleidungsproduktion in Argentinien in diesem Jahr einen Produktionswert von 8 Mrd. US-Dollar erreichen. Die Textilproduktion gilt als wichtiger Wirtschaftsfaktor in Argentinien und hat zur Schaffung von 45.000 Arbeitsplätzen in dem letzten Jahrzehnt beigetragen.

[Manik Mehta]