04.05.21 – Serie: Technische Textilien realitätsnah simulieren – Teil 3 — read English version

Fraunhofer ITWM: FIFST für komplexe Belastungsszenarien

Simulationsmethoden zur effizienten Vorhersage des textilen Verhaltens bei Streckung, Schub, Biegung, Torsion oder Kompression. von Annika Dreßler

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Eine Simulation von Stricken und des Anziehens einer Maske. Die Farben geben Aufschluss über die Spannung. Der Einfluss der Gesichtsform und der Strickspannung auf das Anliegen wird demonstriert. © Fraunhofer ITWM

 

Dank dem Softwareprogramm „TexMath“ können mechanische Materialeigenschaften simuliert und textile Produkte optimiert werden. Besonders in der Sport-, Medizin- und Bekleidungsindustrie sind Techniken wie diese gefragt. Die vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM entwickelte Software TexMath besteht aus drei Komponenten (Link zu Teil 1, Link zu Teil 2). Nun stellen wir das Tool „FIFST“ vor.

Das Team „Technische Textilien“ der Abteilung „Strömungs- und Materialsimulation“ des Fraunhofer ITWM hat sich mit TexMath der Herausforderung angenommen, Simulationsmethoden zu entwickeln, welche eine effiziente Vorhersage des textilen Verhaltens bei Streckung, Schub, Biegung, Torsion oder Kompression ermöglichen. Die Software gestattet zusätzlich auch die Simulation der Faltenbildung unter Ausdehnung, der Schrumpfung von Garnen oder kritischer Scherwinkel während des gesamten Herstellungsprozess.

Deformation und Belastung

Für komplexe Belastungsszenarien wird die Komponente FIFST genutzt. „Das Tool kann Dehnungen und Drapierungen sowie auch den textilen Produktionsprozess simulieren“, sagt Projektmitarbeiter Dr. David Neusius. Dies umfasst beispielsweise den Prozess des Strickens, das Abziehen des Textils von der Strickmaschine sowie die Belastung des Textils beim Anziehen. Dank der Simulation kann das Design des Gestricks an vorgegebene Anforderungsprofile angepasst werden. Zudem macht FIFST die individualisierte Maschinensteuerung möglich, wodurch personalisierte Textilien oder produktspezifische Designs umgesetzt werden können.

Das Tool ermöglicht so die Simulation der Bewegung und Wechselwirkung vieler Fäden über Millionen von Knotenpunkte, was ein Alleinstellungsmerkmal von FIFST darstellt. Zudem können virtuell Textilien über eine STL-Format gegebene Oberflächentriangulierung gezogen werden. Somit kann die Faltenbildung untersucht und die Porengröße der angezogenen Textilien minimiert werden.

Nützliche Verbindungen

Doch das ist noch nicht alles. Sämtliche der genannten Tools weisen sowohl untereinander Schnittstellen als auch Verbindung zu der Software „GeoDict“ der Fraunhofer-Ausgründung Math2Market auf, womit beispielsweise strömungsmechanische Simulationen an den Textilien durchgeführt werden können.

So lassen sich gezielt atmungsaktive oder wind-/virus-dichte Textilien in einem iterativen Verfahren auslegen. Die virtuelle Anprobe von Textilien ist möglich – wenn an bestimmten Stellen zu große oder zu kleine Poren vorliegen oder die effektive Luft- beziehungsweise Flüssigkeitsdurchlässigkeit nicht den Anforderungen entsprechen, werden die Strickmaschinenparameter angepasst oder Garne ausgetauscht, sodass die strömungsmechanischen Anforderungen im Textilprodukt erfüllt werden. Auf diese Weise kann man viele textile Produkte virtuell im Computer entwerfen, optimieren und erst danach stricken und weben.