27.10.15 — read English version

Olympiade des Textilmaschinenbaus

Die ITMA 2015 findet in Kürze vom 12.-19. November in Mailand statt und wird bereits mit Spannung erwartet. Das Motto "Master the art of sustainable innovation" ist hochaktuell. textile network sprach mit Regina Brückner, VDMA-Vorsitzende des Fachverbands Textilmaschinen, über das Thema Nachhaltigkeit und die Erwartungen an die ITMA der ausstellenden VDMA-Mitglieder.

Mit Regina Brückner, Geschäftsführende Gesellschafterin der Brückner Trockentechnik, steht seit einem Jahr erstmals in der Verbandhistorie eine...

Mit Regina Brückner, Geschäftsführende Gesellschafterin der Brückner Trockentechnik, steht seit einem Jahr erstmals in der Verbandhistorie eine Frau an der Spitze des VDMA Fachverbands Textilmaschinen Photo: VDMA

 

Regina Brückner: Grundsätzlich gehen die VDMA-Mitglieder mit der Erwartung zur Leitmesse, die Kunden aus allen Teilen der Welt davon zu überzeugen, dass German Technology in der Textilproduktion substanzielle Einsparungen im Energie-, Wasser und Rohstoffverbrauch ermöglicht und dadurch einen echten Wettbewerbsvorteil bietet.

Regina Brückner: Die Energieeffizienz ist ein zentraler Aspekt von Nachhaltigkeit. Der VDMA und seine Mitgliedsfirmen haben bereits im Vorfeld von Mailand das ITMA-Motto mit Leben gefüllt und statt theoretischen Betrachtungen praktische Beispiele für nachhaltige Technologien veröffentlicht. Die Anstrengungen der deutschen Anbieter in Forschung und Entwicklung für mehr Energieeffizienz über den gesamten Produktionsprozess haben sich gelohnt: Deutsche Textilmaschinen von heute brauchen etwa zur Herstellung von T-Shirts oder textilen Werbebannern rund 30 Prozent weniger Energie als vor 10 Jahren. Das ist Nachhaltigkeit real und konkret.

Regina Brückner: Die internationale Stellung des deutschen Textilmaschinenbaus liegt in erster Linie in seiner Technologie- und Qualitäts-Führerschaft begründet. Anspruchsvolle Kunden erwarten höchste Produktqualität bei größter Produktivität. Unsere Unternehmen ergänzen die Effektivität ihrer Produkte zusätzlich mit hervorragenden Serviceleistungen. Ein extrem wichtiger Schlüssel hierzu sind die kontinuierlich hohen Anstrengungen in Forschung und Entwicklung. Voraussetzung für erstklassige Maschinen sind erstklassige Ingenieure, die die Fähigkeit haben, Forschungsergebnisse und Kundenbedürfnisse in markttaugliche Produkte weiter zu entwickeln. Von den mir aus meiner Tätigkeit vertrauten Bereichen würde ich Maschinen für Vliesstoffe und technische Textilien als herausragende Beispiele nennen.

Regina Brückner: An den Hochschulen konkurriert der Textilmaschinenbau mit einer ganzen Bandbreite anderer technischer Disziplinen. Hier schafft die Walter Reiners-Stiftung des VDMA Textilmaschinen Anreize, etwa in Form von Stipendien, bezuschussten Exkursionen zu Mitgliedsfirmen und zur ITMA und den jährlich ausgelobten Förder- und Kreativitätspreisen. Das Ziel ist Studierende für den Textilmaschinenbau zu begeistern. Eine weitere Herausforderung besteht darin, neue Märkte zu erschließen oder in lang verschlossenen Märkten wieder Flagge zu zeigen. Der VDMA ist hier aktiv, indem er für die Mitgliedsfirmen Markterkundungsreisen und Symposien organisiert. So z.B. im letzten Herbst eine Markterkundungsreise nach Äthiopien und im Frühjahr ein Symposium im Iran.

Regina Brückner: 2014 belief sich die deutsche Produktion von Textilmaschinen auf 3,6 Mrd. Euro davon wurden 3 Mrd. exportiert. Die größten Märkte waren China, die Türkei, Indien und die USA. Der Auftragseingang im 1. Halbjahr 2015 wird mehrheitlich positiv bewertet. Die Investitionslaune bei technischen Textilien steigt wieder und Deutschland sowie europäische Märkte für Funktionstextilien entwickeln sich gut. In den USA gibt es neue Projekte, Indien läuft schon im zweiten Jahr in Folge gut und weiter stabil, die Bestellungen aus Pakistan sind ordentlich und Indonesien ist im Aufwind. In Bangladesch ist die Auftragslage recht ordentlich, das Geschäft in Nordafrika nimmt zu. Das Geschäft in der Türkei kühlt sich etwas ab und Südamerika fragt nur auf niedrigem Niveau nach. In China leiden viele Textilbetriebe unter einer schlechten Auslastung. Marktteilnehmer beobachten eine drastische Reduzierung neuer Projekte, viele chinesische Kunden investieren eher im Ausland, z.B. in Usbekistan.

Regina Brückner: Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt darauf, die Technologie- und Qualitätsführerschaft auf der ITMA in Mailand erneut unter Beweis zu stellen, darauf konzentrieren wir uns auch im Vorstand des Fachverbands Textilmaschinen. Ein Fokus liegt zudem darauf, die Stellung der ITMA als Leitmesse der Branche zu stärken. Hier sehen wir als Verband aber auch als Mitglied des Cematex eine wichtige Aufgabe. Ein weiteres Aktionsfeld sind die europäischen und internationalen Beziehungen. Vor wenigen Monaten war beispielsweise der usbekische Textilminister Khaydarov unser Gast beim VDMA, mit dem wir eine Vereinbarung über eine engere Zusammenarbeit geschlossen haben, und z.B. Aktivitäten im Bereich der Weiterbildung planen.

Regina Brückner: Ein bewegender Moment war sicher die Eröffnung der VDMA-Konferenz in Teheran im April und der außerordentlich hohe Zuspruch von 1.100 iranischen Besuchern. Der Zeitpunkt war optimal, denn wenige Wochen später konnte in Wien der Kompromiss bei den Atomgesprächen erzielt und damit der Weg für den Abbau der Sanktionen und die Wiederbelebung des Handels gelegt werden.

Ich versuche mich nicht zu ärgern, aber neue Auflagen aus Berlin wie z.B. die Neuregelung der Zeitarbeit und Werkverträge, die Rente mit 63 und bürokratische Auflagen für die Firmen sind nicht immer erfreulich. Die Politik sollte den Unternehmen Freiräume lassen und stattdessen mehr tun für eine einheitliche und gute Ausbildung. Ständige Veränderungen am Schulsystem, dies auch noch in jedem Bundesland anders, sind nicht immer gut.

Aber wir Maschinenbauer sind pragmatische Menschen, die i.d.R. nicht jammern sondern sich auf das Machbare konzentrieren und vieles selbst gestalten – wo möglich.

Regina Brückner: Ich wünsche mir, dass das Prinzip des Freihandels in der Welt weiterhin Vorfahrt genießt. In letzter Zeit sind Tendenzen feststellbar, dass Länder ihren heimischen Industrien Wettbewerbsvorteile durch Maßnahmen zur Marktabschottung verschaffen wollen. Einen weltweiten Wettlauf um die Beschneidung des Handels darf es nicht geben. Freier Handel fördert die internationale Arbeitsteilung, von der alle Beteiligten profitieren. Wir leben hier in Deutschland nicht auf einer Insel sondern sind Teil einer globalen Welt - mit manchen Schattenseiten, aber auch viel Licht. Eine ehrliche Diskussion darüber in Politik, Medien und Gesellschaft wäre für alle wichtig.

Was wir uns für unsere Verbandsmitglieder und unsere Kunden wünschen und woran wir alle Arbeiten sind neue Anwendungsgebiete für Textilien. Textil ersetzt viele Materialien im Automobil, in der Luftfahrt und anderen Industrien – das bietet viele Chancen und gibt Textil ein neues, innovatives Image.

Frau Brückner, vielen herzlichen Dank für das Interview.

Die Fragen für textile network stellte Iris Schlomski.