28.01.15 — read English version

Pure Lebensfreude

Zur Saison Fruhjahr/Sommer 2015/2016 folgen die Designtrends dem modernen Konsumenten in seinen situativen Befindlichkeiten. Von extrem chic bis extrem natürlich, von überschwelliger Lebensfreude bis hin zur entrückten oder sportlichen Askese. Eine Wundertüte öffnet sich.

Kaffee im Knopf bei der Butonia-Kahage Group

Kaffee im Knopf bei der Butonia-Kahage Group

 
Die frische Seite der Natur liefert die Butonia-Kahage Group mit spritzigen, fruchtigen Farben

Die frische Seite der Natur liefert die Butonia-Kahage Group mit spritzigen, fruchtigen Farben

 
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Trotz guter Septemberzahlen gibt es zum Start in die Orderrunde Frühjahr/Sommer 2016 „kaum Anzeichen für eine konjunkturelle Wende zum Jahresende“, so der der deutsche Verband mode + textil in seinem Konjunkturbericht November 2014. Dessen ungeachtet blickt mancher Zutatenhersteller wie die deutsche Kahage GmbH, auf „ein sehr erfolgreiches Jahr“ zurück. Das gilt auch für die gesamte Butonia-Group, zu der Kahage gehört. Besonders in der zweiten Jahreshälfte konnte Geschäftsführer Christian Kurzrock eine sehr positive Geschäftsentwicklung verzeichnen, die an den Erfolg des Vorjahres anknüpft.

Dies begründet er mit dem guten Preis/Leistungsverhältnis aufgrund eines konsequenten Kostenmanagements, dem hohen Servicegrad und einer moderneren, hochwertigeren Kollektion, die auch Neukunden überzeugt. Ebenso verzeichnet die Madeira Garnfabrik (D) mit wenigen Ausnahmen für die Stick- und Effektgarne gleichbleibende bis leicht steigende Verkaufszahlen in seinen internationalen Märkten.

Modisch gesehen haben die internationalen Designer zur Saison Frühjahr/Sommer 2016 mit extrem weiten und langen Formen gelegentlich befremdlich jegliche Körperformen negiert (u.a. Kenzo). Für Jo Baumgartner, Trendexperte der deutschen Textilmesse Munich Fabric Start, ist nicht die Schönheit, sondern die Provokation die oberste Prämisse zur neuen Saison. Formen und Farben der 70er-, 80er- und 90er-Jahre werden gemixt. De vertraute Kombination von Eleganz und Sportlichkeit bleibt dennoch wichtig und auch Transparenz und Layering sind systemimmanent.

„Oscillating Identities“ lautet das Oberthema der Munich Fabric Start. Thematisiert wird das Pendeln des Menschen zwischen verschiedenen Identitäten, ohne sich zu verlieren. „Neo Modernisme“ titelt dagegen die italienische Textilmesse Milano Unica und gliedert in „Designed Simplicity“ und Artistic Boldness“. Schon auf der Denim by Première Vision in Barcelona wurde deutlich, dass Weiß und Ecru extrem wichtig werden. Daneben versprechen „Plastikfarben“ wie Royalblau oder Pink und vitale Grün- und Orangetöne, die dann von Schwarz und Weiß „gebändigt“ werden, viel Lebensfreude, während sich die Avantgarde in düstere Winterfarben zurückzieht. Helle Metallakzente in modernen Gold-, Kupfer- oder Bronzetönen bleiben wichtig und gehen mit weißen Verschlüsse (Stenger by Bodo Jagdberg (D)) einher.

Viele Stoff- und Zutatenthemen strahlen Kontemplation und Einfachheit aus („Self Essence“, Munich Fabric Start). Es ist ein minimalistischer, unilastiger Chic, mal sportiv, mal natürlich, und nicht selten verschmelzen Zutaten und Stoffe in ruhigen Ton-in-Ton-Harmonien. Porzellanartige, kalkige oder transparent lackierte Oberflächen aktualisieren Stoffe ebenso wie Bänder und Etiketten. Organdy, feine Fil Coupés, Canvas mit transparentem PVC-Coating und weiße oder extrem gebleachte Denims treffen auf grafische Positiv-negativ-Jacquards und Druckdessins.

Filigrane Federzeichnungen, gekreuzte Linien, gelaserte Löcher oder grafisch angeordnete Metallapplikationen, die wie „Nadelköpfe“ wirken, sowie geschichtete Transparenz liefern den Etiketten ebenso wie Bändern und Knöpfen eine Steilvorlage. Farbige Transparentbeschichtung faszinieren auf metallischen Zutaten neue Optiken, während chromatische und helle pastellig-ombrierende Drucke und Beschichtungen selbst transparenten Stoffen optische Reize verleihen. Elegante Knöpfe aus Echthorn, Steinnuss und Perlmutt fügen sich harmonisch oder sanft kontrastierend ein. Cleane Patentknöpfe mit passenden Nieten in Nickel, Eisgold und Kupfer (Bodo Jagdberg (D) „Tech Nouveau“) liefern modisch-aktuelle Glanzpunkte. Matt lackierte Druckknöpfe, Karabinerhaken und Reißverschlussanhänger mit Farbverlauf bedienen die Sport-Couture.

Außerdem Latex, Folien und Netzoptiken, matte Transparenzen und gummierte Effekte. Knopf und Knopf international veredelt natürliche Holzknöpfe mit glänzenden Metalldetails, setzt Holzelemente aber auch bei Reißverschlussanhängern, Kugelknöpfen oder für Bänderabschlüsse ein. „Respectus“ nennt Bornemann Etiketten (D) sein sachliches, nachhaltiges Thema, das mit erdigen Farben mit natürlichen Materialien und Formen sowie geometrischen Mustern spielt. Bei Kahage-Butonia gipfelt das Naturthema in Knöpfen aus gemahlenem und recyceltem Kaffee, die sich auch kundenspezifisch lasern lassen.

Materialkontraste wie die Kombinationen aus Kordel und futuristischem Design bei Knopf und Knopf International sorgen für Spannung. Grob texturierte Etiketten aus Ramie oder Leinen folgen dem italienischen „Al Naturale“ (Milano Unica). Dazu passen Sommerbouclés und Chinés aus Seide und Leinen. Lässig und doch edel wirken die vielen Used-Effekte, von verwaschen Stoffen und Etiketten bis hin zu getrommelten Metallknöpfen.

Daneben vereinigen sich unterschiedlichste Kulturen in einem lebensbejahenden Muster- und Materialmix, begleitet von Dschungel- und Kunstkapriolen. Energetische Farben verbinden sich mit folkloristischen Frucht- und Dschungeltönen sowie naiven Drucken – immer mit einem Schuss Ironie. Und so träumt sich die Mode durch Zeiten und Welten. „Dream Patching“ nennt dies bezeichnenderweise die Munich Fabric Start. In diesem Thema tauchen auch Retroklassiker wie ausgefärbtes Blau, ein Retrogrün, sportives violett-stichiges Rot und Sand wieder auf. Einmal mehr weht ein Hauch von mediterranem Sommer durch die Mode, wenn auch „technisch“ aufgepeppt.

Dazu gehören viele Streifen und nautische Motive. Frech-fröhlich propagieren dagegen abstrahierte Comic-Motive auf Reißverschlussanhängern und anderen Zutaten ein unbekümmertes Lebensgefühl. Knopf und Knopf International („Pop you up!“) zeigt dazu verschiedenste Kunststoffe, gummierte Knöpfe in Perlmutt-Farben, übergroße Accessoires wie Riesenschließen, -knöpfe, –schleifen und Kunststoffketten als Verschlusslösung. Macro-Letter überziehen die Etiketten. Postkarten-Prints rücken bekannte Plätze oder Monumenten ins Blickfeld. Wie entfesselt wirken „chaotisch“ angeordnete knallfarbige Plastiksteine für Schmuckstücke, Broschen und Bänder. Nieten in Kussmund-, Kirsch- und Bananenform, knallige, irisierende Kugelnieten und Knöpfe mit Glitter-Effekt zaubern bei Bodo Jagdberg („Make a Smile“) ein Lächeln ins Gesicht.

Nicht zuletzt konstruktivistische Dessins und intensive Farben halten Jacquards und Drucke im Spiel. Der Anbieter für Spezialbänder Topp Textil (D) rückt zur nächsten Saison Jacquardbänder mit ungewöhnlichen Mustern in den Vordergrund. Intensive Farben treffen auf Weiß, Schwarz und Grau. Auch verschiedene Oberflächenstrukturen werden gemixt, und „Löcher“ sowie „Cut-outs“ bleiben ein Riesenthema.

Die Exotik lässt die Mode ebenfalls nicht los! Dschungelmotive sind psychedelisch verfremdet, verwischt oder verdreht. Riesige Blütenmotive sind mit anderen Motiven gepatcht. Gaze dürfen Used-Effekte zeigen, Inkrustationen künden von Handwerk und Reichtum. Die Nachfrage nach Stickereien zieht passend dazu an, insbesondere in Tufting-Technik wie Madeira und die deutsche Stickerei Müller feststellen. Gelaserte Palmen- und Hawaii-Dessins zeigen sich auf Schlaufen-Etiketten (Stenger by Bodo Jagdberg). Hibiskus-Blüten zieren Druckknöpfe, Pins und Bügelmotive (Bodo Jagdberg). Massaiperlen, Knochen, Steinnuss, Holz und Kokos bestücken den üppigen Materialpool (Knopf und Knopf International). Messing und Bronze mit Used-Effekt und ausgefeilte Strukturen verleihen dem Thema seine Edel-Note.

[Regine Hövelmann]