13.03.15 – Milano Unica — read English version
Aufbruchsstimmung
Die 20. Milano Unica feierte Geburtstag und stellte die Weichen für die Zukunft. Das Wetter eher trüb, die Stimmung auf der Messe Anfang Februar ganz das Gegenteil. Schon bei der Eröffnung und anschließend auch an den drei Messetagen war allenthalben Aufbruchsstimmung zu spüren.
„Nach sieben schweren Jahren geht es wieder aufwärts“, freut sich Silvio Albini, Präsident von Milano Unica. Auch in der Krise sei die italienische Wollindustrie weltweit die Nummer eins gewesen und habe diesen Platz verteidigt. Beim Export in der gesamten Textil- und Bekleidungsindustrie müsse sich Italien mittlerweile allerdings mit dem zweiten Platz begnügen. China sei hier an der Spitze – und bleibe es wohl auch.
Dennoch, Italiens Textilindustrie konnte 2014 ihren Umsatz um mehr als 3 Prozent auf über acht Milliarden Euro steigern, auch deshalb, weil im Land selbst die Nachfrage um 4,4 Prozent gestiegen ist. Der größte Anteil des Umsatzes entfällt auf die Wollindustrie mit rund 40 Prozent. Wachstum habe es jedoch in allen Sparten gegeben, mit Ausnahme der „schon seit längerem kränkelnden Baumwolle“, sagte Albini bei der Eröffnung. Zur „Jubiläums“-Messe Milano Unica machte die „Crème della Crème“ der italienischen Textil-Industrie, und nicht nur die, ihre Aufwartung.
Unter anderem trat der eher publikumsscheue Antoine Arnault (LVMH), seit 2013 Chairman von Loro Piana, ans Rednerpult im großen Saal der FieraMilanoCity: „Die besten Handwerker gibt es in Italien“, so Antoine Arnault. Zu den Zuhörern gehörten unter anderem neben Vertretern der Politik auch Pier Luigi Loro Piana, Paola Zegna und Franca Sozzani, Chefredakteurin von Vogue Italia. Mit Qualität, ihrer sprichwörtlichen Phantasie und ihrem Gespür für Design will die italienische Textilindustrie auch künftig punkten. „Wir Italiener sollten den anderen bei der Produktion immer um einen Schritt voraus sein“, gab Albini denn auch als Zielsetzung aus.
Als man sich vor zehn Jahren entschieden habe, fünf Stoffmessen mit einer intensiven und interessanten Tradition, wie Idea Biella und Shirt Avenue, unter dem Dach von Milano Unica zu bündeln, habe man gewusst, etwas Richtiges getan zu haben, so Albini bei seinem Jubiläumsrückblick. Dass dieses Modell ankomme, bestätige sich auch darin, dass Milano Unica mittlerweile mit seiner Ausgabe in Shanghai ebenfalls sehr gut unterwegs und in diesem Herbst erstmals auch Filo dort dabei sei. Außerdem wolle man künftig ein noch stärkeres Team bilden, unter anderem mit den Bereichen Bekleidung und Schuhe. Und bald gibt es wohl eine dritte Location für Milano Unica:
„Wahrscheinlich schon im Juli werden wir unsere Stoff-Kollektionen unter dem Dach der Milano Unica in New York präsentieren“, so der Präsident der Messe nicht ohne Stolz. Beflügelt fühlt sich die italienische Textilindustrie in diesen neuen Herausforderungen durch die Unterstützung – finanzieller und ideologischer Art – durch die Regierung Renzi.
Wichtig sei es, „Made in Italy“ mehr denn je in die Welt hinauszutragen und auf seine Einzigartigkeit hinzuweisen, betonte bei der Eröffnung von Milano Unica Carlo Calenda, Vizeminister für wirtschaftliche Entwicklung in Italien. Dafür gebe Rom in diesem Jahr viel Geld aus, unter anderem erhalte Milano Unica vom Staat mehrere Millionen Euro. An diese Zahlung sind allerdings ganz konkrete Forderungen geknüpft. Milano Unica, so der Vize-Minister, solle zur internationalen Leitmesse in ihrem Sektor werden. Ziel sei es, „die französische Konkurrenz Première Vision zu schlagen“. Dazu müsse man auf eine Zahl von 1.000 Ausstellern kommen, 20 Prozent der Besucher aus dem Ausland anziehen und Synergien schaffen, auch unter den einzelnen Messe-Standorten Mailand, Rom und Florenz. Filo müsse die wichtigste Garn-Messe auf internationaler Ebene werden, dazu diene auch die Präsenz in Shanghai. Insgesamt stellt die Regierung in Rom rund 40 Mio. Euro für den Fashion-Sektor bereit.
Von diesen hehren Zielen war die 20. Milano Unica freilich noch weit entfernt. (Nur) 353 Firmen zeigten während den drei Messetagen ihre Stoff-Kollektionen für Frühjahr/Sommer 2016, wobei 64 Aussteller aus anderen europäischen Ländern, wie auch aus Deutschland und der Schweiz, und 34 aus Japan kamen. Auch die Besucherzahlen waren kaum rekordverdächtig. Aus Italien selbst kamen 9 Prozent weniger Besucher, aus Russland minus 29 Prozent, aus Spanien 6 Prozent weniger und die Zahl der Besucher aus Deutschland ging um 12 Prozent zurück. Dem gegenüber stehen steigende Besucherzahlen aus Japan (+29%), China (+13%), den USA (+10%), Frankreich (+12%) und Großbritannien (+9%).
Die Zahlen des vergangenen Jahres machen der italienischen Textilindustrie jedoch Hoffnung. Zum ersten Mal seit 2009, dem „schlimmsten Krisenjahr“, wie Albini sagte, ist der Export 2014 um 3,3 Prozent gewachsen und hat 4,4 Mrd. Euro betragen. An erster Stelle beim Export stehen Strickstoffe gefolgt von Wolle, vor allem in gekämmter Ausführung. In die USA konnte im letzten Jahr 10 Prozent mehr exportiert werden. Deutschland bleibt trotz sinkender Zahlen (-3,4%) weiterhin der wichtigste europäische Exportmarkt für Italien, das in Frankreich mit 1,9 Prozent nur einen leichten Rückgang hinnehmen, aber in Hongkong (-11,9%) und China (-9.6%) heftige Einbußen einstecken musste. Bei den importierten Stoffen gehen nahezu 50 Prozent auf das Konto von China und der Türkei.
In Italien selbst ist die Industrieproduktion um 2,9 Prozent angewachsen, was sich auch positiv auf die Zahl der Beschäftigung auswirkte, die nur noch einen leichten Rückgang von einem Prozent aufweist. „Wir haben uns daran gewöhnt, in schwierigen Gewässern unterwegs zu sein“, kommentierte Albini das letzte Jahr. „Wir leben in einer Welt, die sich ständig verändert, teilweise turbulent. Und der Verbraucher ist immer selbstbewusster und besser informiert.“
Die nächste Milano Unica in Mailand für Herbst/Winter 2016/2017 findet vom 8. bis 10. September 2015 in den Hallen von FieroMilanoCity statt.
[Ingrid Sachsenmaier]