04.08.17 – Mehr als nur ein Trend? — read English version
Fashion Week Berlin und Nachhaltigkeit
Ein Rundgang über die Berliner Fashion Week im Juli 2017 mit Fokus auf Nachhaltigkeit – insbesondere auf der Ethical Fashion und dem Green Showroom.
Schließlich widmet sich das Messe-Duo Ethical Fashion und Green Showroom explizit dem Thema Eco-Fashion und hat in der neuen Location, dem renommierten Funkhaus Berlin, einen idealen Rahmen gefunden. Die Aussteller präsentierten sich noch moderner als zuvor, nachhaltige Mode wird „normaler“ und etabliert sich sehr gut neben den konventionellen Marken.
Highlight Web Fashion Academy
Eines der Highlights auf dieser Veranstaltung war der Stand der Web Fashion Academy in Kooperation mit dem „Venette Waste“ Projekt aus Italien und der Vortrag der Gründerin Rossana Diana, die durch ihre langjähre Arbeit für Vivienne Westwood bekannt geworden ist. Es hat durchaus Signalwirkung, dass nun auch in Italien, einem der berühmtesten Modeländer der Welt, nachhaltiges Handeln einen höheren Stellenwert erhält. Der Fokus hier bleibt allerdings auf dem Design und dem Stil, denn das eine darf das andere nicht ausschliessen. Selbst Vittorio Giomo, auch er Italiener und ein wahres Urgestein der Design-, Farb- und Trendszene, tritt heute als nicht mehr als Designer oder Berater auf, sondern als „sustainable thinker“ und zeigte so Präsenz auf beiden Messen.
Ein Blick auf die Premium
Die Premium am Gleisdreieck, neben der Panorama einer der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte der Berliner Messen, gilt als Stimmungsbarometer der Branche und die meisten der Aussteller zeigten sich recht zufrieden mit dem Messeverlauf. Mit unter den Ausstellern das Düsseldorfer Label Wunderwerk, seit 2012 auf dem Markt mit nachhaltiger und fairer Mode. Warum auf der Premium? Im Gespräch mit textile network erklärt Firmengründer Heiko Wunder dazu:
„Die aktuelle Premium war für uns wie immer sehr erfolgreich und wurde perfekt abgerundet durch die Modenschau auf der Ethcial Fashion, bei der wir als Special Guest eingeladen waren und durch unser Get-Together-Event in einem unserer Berliner Stores. Generell ist die Premium für uns die richtige Messe, da hier sämtliche Einkäufer und Entscheidungsträger des Marktes sind und wir auch Kunden erreichen, die nicht unbedingt nach einer nachhaltigen Kollektion suchen, sondern die sich von unserer Mode, der Qualität und dem besonderen Preis-Leistungsverhältnis begeistern lassen. Viele sind dann positiv überrascht, wenn sie erfahren, dass wir durchweg nachhaltig auf bestmöglichem Niveau in Europa produzieren lassen.
Spannende Seek Show
Die Seek Show, die zusammen mit der Bright in der Arena an der Spree stattfindet, präsentiert neben etablierten Marken auch interessante neuere Labels. besonders spannend sind die Geschichten dahinter zu entdecken. Wie etwa Monkee Genes, die plakativ den Slogan „no blood no sweat no tears no slave labour no child labour“ auf T-Shirts drucken. Das Label aus England produziert eine coole und moderne, aber ethisch vertretbare Denim-Kollektion, hat aber auch eine eigene Charity Vereinigung gegründet, die u.a. eine Children’s Foundation in Bangladesh unterstützt und der jungen Klientel die Augen über „fast fashion“ öffnen möchte.
Außergewöhnliche Stickmotive
Die Stickmotive des Pariser Labels Bricktownworld spielen mit Motiven der 80er und 90er Jahre, die aber verpixelt und dadurch leicht verfremdet gestickt zu einer neuen Optik führen. Das Design und der Look sind ausschlaggebend, erst im Nebensatz erzählt der Gründer und Designer Samuel David Benainou, dass die Teile ausschliesslich aus organic cotton hergestellt werden. Die Motive werden erst nach der Bestellung auf Kundenwunsch in Paris eingestickt. Überproduktion und letztendlich Müll werden so vermieden. Prädikat: Nachahmenswert!
Kings of Indigo, gegründet 2012 in Amsterdam von einem echten Denim-Experten, verkauft inzwischen in über 12 Ländern Denim-Styles aus nachhaltiger Produktion. Man verwendet recycelte Materialien oder organic cotton und Hanf, unterstützt die Fair Wear Foundation, legt die Namen der Stoffhersteller und Produzenten (fast alle in Europa) offen und legt Wert auf hochwertigste Verarbeitung, so dass die Teile viele Jahre lang getragen werden können.
Die Selvedge Run für Denim und Leder
Die Selvedge Run ist eine weitere Fachmesse, fokussiert auf Firmen, die Wert auf Langlebigkeit, traditionelle Fertigungstechniken und das Handwerk legen. Gezeigt werden hauptsächlich Denim und Leder, darüber hinaus aber auch Produkte aus anderen Lifestyle Bereichen, die im Gegensatz zu den Trends der Wegwerfgesellschaft stehen. Die Firma Sports d’Epoque aus Frankreich etwa erweckt historische Sporttricots, z.B. aus dem Radsport oder Rugby, wieder zum Leben. Die Produktion der Teile, die mit vielen liebevoll gestalteten Details ausgestattet sind, findet ausschliesslich in Portugal und Frankreich statt.
Die Firma Indigo People, die sowohl einen Stand auf der Selvedge Run, als auch auf der Ethical Fashion Show hatten, steht für traditionelle Techniken aus Asien, handwerkliches Geschick, was von Generation zu Generation weitergegeben wird und den Einsatz echten Indigos, vereint mit authentischem, zeitlosem Denim Design. Die Käufer sind sowohl die Liebhaber traditioneller Färbe- und Textiltechniken und nachhaltiger Projekte genauso wie Freunde echter Denim-Raritäten.
Und warum Berlin?
Hierzu die Macher des Münchner Labels „Phil & Lui“ gegenüber textile network: „Wir haben letztes Jahr auf der Premium ausgestellt und sehr davon profitiert, um Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Das Besondere an Phil & Lui ist, bio und fair mit Design und Style zu verbinden und dabei ein möglichst rundes Paket aus Qualität, geschmeidiger Haptik, Farben und Waschungen und einer Story dahinter abzugeben.“
Fazit
Der Ausflug über die Berliner Messen hat gezeigt, dass nachhaltiges Handeln und Produzieren wirklich „angekommen“ ist und Marken, Hersteller und Endverbraucher gleichermaßen erreicht. Das „Öko-Image“ wird ersetzt durch einen natürlichen und selbstverständlichen Umgang mit Ressourcen, Arbeitskräften, Produktionsbedingungen. Produktionsmengen und Produktionsländer werden hinterfragt, wenn nötig Alternativen gesucht. Die Branche hat verstanden, es geht um die Zukunft - nicht nur dieser Branche.
Ein Beitrag von Reiner Knochel für textile network