20.07.20 – UL Prüf- und Zertifizierungsunternehmen — read English version
Fünf Schritte zum Detox: Chemikalienmanagement für eine nachhaltigere Textilindustrie
Innovative Wege aus der Verwendung und Freisetzung gefährlicher chemischer Substanzen bei der Herstellung von Textilien und Schuhen.
Das Bewusstsein für Umweltbelange, Gesundheit, Sicherheit und Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten nimmt stetig zu. In diesem Zuge fordern immer mehr Organisationen und Verbraucher Transparenz und zusätzliche Informationen darüber, wo und wie Produkte hergestellt werden und welche Inhaltsstoffe sie enthalten. Doch die Lieferketten der Textil-, Schuh- und Lederindustrie werden durch die kontinuierlich wachsende Auswahl an Rohstoffen, Waren und Zulieferern ständig komplexer. Dadurch wird es immer komplizierter, die tatsächlichen Umweltauswirkungen, die Waren während der Wertschöpfung ansammeln, im Blick zu behalten.
Die Verwendung und Freisetzung gefährlicher chemischer Substanzen bei der Herstellung von Textilien und Schuhen kann Wasserstraßen, Pflanzen und Tiere sowie Menschen schädigen. „Entgiftet unsere Kleidung“ forderte deshalb Greenpeace in ihrer Detox-Kampagne. Die Antwort der Industrie ist das Zero Discharge of Hazardous Chemicals (ZDHC)-Programm. Es ist so erfolgreich und wirksam, dass Greenpeace nun ankündigte, die Kampagne zurückzufahren.
Der ZDHC-Plan: Ein umfassender Ansatz für Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette
Das ZDHC-Programm bietet Unternehmen Richtlinien und Unterstützung bei der Umsetzung eines nachhaltigen Chemikalienmanagements. Es konzentriert sich auf die Begrenzung und Substitution bestimmter Substanzen im Produktionsprozess durch die Überprüfung der Abwasserqualität. Die Manufacturing Restricted Substance List (MRSL) des ZDHC dient dazu, Chemikalien zu identifizieren, die aufgrund ihrer Schädlichkeit vermieden werden sollten. Gleichzeitig werden Handlungsempfehlungen für die Substitution durch umweltfreundlichere Alternativen angeboten. Nicht nur die einzelnen Produkte und Rohstoffe müssen dabei bedacht werden. Es ist die gesamte Lieferkette, die hierbei unter den Prüfstand gerät.
In fünf Schritten zum Detox
Das ambitionierte Ziel steht fest: Die Modeindustrie soll innerhalb nur einer Generation deutlich entgiftet werden. Doch wie gewinnen Manager überhaupt eine umfassende Übersicht über die in der Fabrik verwendeten Chemikalien? Es gibt einige grundlegende Empfehlungen, die Unternehmen aus der Textil- und Lederindustrie umsetzen können, um die Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu verbessern:
Schritt 1: Richtig informieren und planen
Zunächst müssen Ziele klar definiert werden. Nur so lässt sich eine genaue Liste derjenigen Chemikalien erstellen, die dann nach und nach zu klar definierten Fristen aus dem Produktionsprozess beseitigt werden sollen. Gesetze und Regulierungen passen sich laufend neuen Gegebenheiten an. Aus diesem Grund tun Unternehmen gut daran, einen Aktionsplan zu entwickeln, der es ihnen flexibel ermöglicht, sich ändernde Anforderungen einzuhalten. Fabrikmanager sollten stets gut über diese Pläne informiert sein. Doch auch über die Lieferkette hinweg sollten die beteiligten Unternehmen frühzeitig über die konkret veränderten Ansprüche in Kenntnis gesetzt sein.
Schritt 2: Transparenz innerhalb der Lieferketten schaffen
Um den ZDHC-Plan erfüllen zu können, muss das Unternehmen verstehen, wie weit es von der Umsetzung entfernt ist. Hierfür muss man sich die Lieferkette genauer ansehen. Nur so können Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert, Unternehmensrichtlinien entwickelt und alternative Lösungen verarbeitet werden.
Sogenannte Werkaudits, also eine Firmen-Untersuchung, ob Prozesse, Anforderungen und Richtlinien die geforderten Standards erfüllen, sind für eine umfangreiche Bewertung der Lieferkette anzuraten. Umweltaudits befassen sich zudem mit dem Management von Luft, Wasser, Energie, Entsorgung von Industrie- und gefährlichen Abfällen, kontaminiertem Boden und der Grundwasserverschmutzung.
Schritt 3: Das adäquate Chemikalienmanagement
Ein Chemikalienmanagementsystem ist ein systematischer Ansatz für die Beschaffung, Lagerung, Verwendung und das Recycling von Chemikalien innerhalb eines Systems oder einer Anlage. Es reicht von der Erstellung einer Liste herstellungsbeschränkter Substanzen über das Chemikalieninventar bis hin zur Implementierung eines geeigneten Testprogramms, das die gesamte Lieferkette berücksichtigt.
Wichtig ist außerdem, dass sowohl der Zulassungsprozess für Rohstoffe und Chemikalien als auch die Erstellung von Lieferantenauswahlkriterien standardisiert sind. Zuletzt gehört zu einem gründlichen Chemikalienmanagement auch die chemische Prüfung aller in der Lieferkette beteiligten Produktionsstätten.
Schritt 4: Durch Tests die richtigen Maßnahmen einleiten
Die ordnungsgemäße Probenahme des Abwassers ist wichtig, um die Abwasserqualität gemäß spezifischer technischer Standards der ZDHC-Abwasservorschriften zu bewerten. Anhand der Abwassertests lässt sich beispielsweise bestimmen, ob in der Produktionsstätte risikoreiche oder gar verbotene Substanzen benutzt werden. Daraus können wiederum Sicherheitsmaßnahmen und Strategien zur Beseitigung abgeleitet werden. Neben dem Abwasser sollten Unternehmen außerdem verwendete Rohstoffe auf Chemikalien testen.
Schritt 5: Geeignete Korrektur- und Präventionsmaßnahmen bestimmen
Auch nach guter Planung, Analyse und initialen Tests kommen noch einige Herausforderungen auf Chemikalienmanager zu. Denn nun gilt es, gefährliche Chemikalien durch nachhaltigere Alternativen zu ersetzen. Für die Chemikalien, die auf der Restricted Substances List (RSL) stehen, sollte als Präventionsmaßnahme ein Implementierungsplan für die gesamte Lieferkette erstellt werden.
Elisa Gavazza, Global Lead for Chemical Management beim Prüf- und Zertifizierungsunternehmen UL
Unsere Autorin Elisa Gavazza verfügt über 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Regulierung und Qualitätssicherung. Sie leitet ein europäisches Team, das für die Verfahren und Testprotokolle mit Sicherheitsanforderungen im Bereich Konsumgüter verantwortlich ist. Sie führt auch technische Seminare durch, um Herstellern zu helfen, internationale Vorschriften und Normen zu verstehen und nimmt als technische Expertin an europäischen Gesetzgebungsaktivitäten teil.
Über UL
UL bietet Herstellern und dem Einzelhandel flexible Lösungen, um sichere und hochwertige Produkte schnell auf den globalen Märkten einzuführen und die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. UL ist offizieller Mitwirkender am ZDHC-Programm, eine von der ZDHC MRSL Conformance anerkannte Zertifizierungsstelle und akkreditierter Schulungsanbieter.