29.01.18 – Domotex 2018 in Hannover

Boden - Ausdruck der Persönlichkeit

„Unique Youniverse“ inspirierte als Leitthema zum aktuellen Trend der Individualisierung bei den „Framing Trends“ der Domotex 2018.

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Mustergültiger Auftritt: Von Mosaike bis selbstgestaltete Muster - dank modernsten Technologien lassen sich fantasievolle Intarsien-Arbeiten für Design- und Teppichböden kreieren © Objectflor

 
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Architektin Jutta Werner zeigte unter ihrem Label Nomad handgewebte Teppiche mit Garnen aus Bonbonpapier © Ivo von Renner

 
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Auch bei den Herstellern von Designbelägen, Laminat, Parkett, Teppichböden und handgefertigten Teppichen ist die Indivisualisierung derzeit das Top-Thema angesagt. Die Sonderfläche „Framing Trends“, auf der Künstler, Architekten sowie Hersteller den Trend „Individualisierung“ auf höchst eigene Weise interpretierten, setzte dazu ganz besondere Akzente. Im Bereich „Art & Interaction“ beleuchtete Michael Acapulco mit dem Blick durchs Fenster auf unsere Erdkugel das Spannungsfeld aus individueller und objektiver Realität. Jette Hampe nähte auseinandergeschnittene Portraits auf einen „Fliegenden Teppich“ und wollte damit anregen, sich als Individuum zwischen „Geschichte, Lebensbedingungen und Natur“ zu positionieren.

Einzigartigkeit und personalisierte Produkte

Im Bereich der „Flooring Spaces“ veranschaulichten Konstantin Landuris und Classen, was herauskommt, wenn sich Kreative mit Herstellern zusammentun: ein nach Landuris‘ Design digitalbedruckter Designboden in Marmoroptik, eingebettet in einer Installation, die sich dem Wohnen in der Zukunft widmete. Bei den „NuThinkers“ fielen vor allem die Innenarchitektur-Studierenden der FH Mainz auf, die mit „Individual Motion Space“ eine Virtual Reality-Anwendung erarbeitet hatten, mit der man im virtuellen Raum Objekte bis hin zu ganzen Räumen individuell gestalten kann. Das Ergebnis war ebenfalls vor Ort zu sehen: eine raumhohe Box in polygonalem Design.

Fotorealistische Print-Unikate

Auch die Hersteller auf der diesjährigen Domotex hatten einiges und vor allem sehr viel Unterschiedliches zum Leitthema und Trend „Unique Youniverse“ zu bieten. Insbesondere neue Möglichkeiten der Digitaldruck-Technologie veranlasste Anbieter wie Amorim, Beaulieu International Group oder Classen dazu, täuschend echte Fotomotive auf Designboden und Laminat zu bannen. Ob Sand auf dem Boden im Bad, das Riesenaquarium im Kinderzimmer oder auch mal ein Wandmotiv voller Geldstücke – schier unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich nun Privatkunden als auch Einrichtern und Architekten. Und das in besonders großen Formaten bis zu vier Meter Breite (Rollenware) und kleinen Losgrößen. Etwa für Boutique-Hotels, so heißt es bei Beaulieu International Group, seien diese individuellen großformatigen Prints spannend und gefragt.

 Die zunehmende Digitalisierung verändert aber nicht nur Produktions-, sondern auch Gestaltungs- und Vertriebsprozesse, wie sich dies auf der Domotex anhand von innovativen Virtual Reality-Anwendungen darstellte. So präsentierte Paulig eine neue Augmented Reality-App, mit der der Teppichhersteller Privat- als auch Objekt-Kunden in die Gestaltung mit einbinden will. Die App funktioniert so: Man nimmt ein Foto mit dem Smartphone oder Tablet auf und legt virtuell einen vorab individuell konfigurierten Teppich in das Raumbild. So sollte der Spagat zwischen Wunsch und Realität leichter gelingen.

Vom Boden auf die Wand

Im Zuge eines ganzheitlichen Gestaltungsansatzes, der in den vergangenen Saisons immer stärker Einzug in das Interior Design hält, haben sich einige Anbieter vom Boden auf die Wand gewagt. Ob bei Beaulieu International Group, Tisca aus der Schweiz oder Objectflor: Spezielle Systeme, Kleber und Grundierungen machen es nun möglich, Designbeläge und Teppichboden an die Wand zu bringen.

Ein Highlight dazu sah man bei Beaulieu International Group: Das berühmte Bild der pausierenden Handwerker auf einem Stahlträger hoch oben über New York hatte der belgische Hersteller auf einen Tuftingteppich lediglich durch die Verwendung von zwei unterschiedlichen Graunuancen übertragen. Solche Wandteppiche können „custom-made“ und in besonderes großem Format angefertigt werden und sind perfekt etwa für Foyers von Bürogebäuden oder Hotels. Unter dem gleichen Aspekt bietet Teppichspezialist Tisca aus der Schweiz Kunden an, Farbe, Material und Struktur eines Tufting- oder Rips-Teppichbodens nach persönlichen Präferenzen zu komponieren. So lassen sich unter anderem Reliefs und damit zum Beispiel Firmenlogos durch unterschiedlich hohe Schlingen gestalten.

Softe Pastellwelten mit Handmade-Charakter

Die Sehnsucht in den Wohnzimmern nach skandinavischem „Hygge“ – auf Dänisch Gemütlichkeit – bricht auch in 2018 nicht ab: Besonders deutlich konnte man dies am Stand von Tisca aus Österreich nachvollziehen. Dort hatte die schwedische Star-Stylistin Lotta Agaton ein ganzes Raumszenario in Wollweiß geschaffen: mit Möbeln aus hellem Holz, soften Polsterungen und den GOTS-zertifizierten Handwebteppichen der Linie „Olbia“ von Tisca.

Dass Pastellwelten auch weiterhin das Interior Design beflügeln, war bei vielen Herstellern der DOMOTEX nicht zu übersehen. Es gibt einen guten Grund: Pastellfarben verleihen immer kleiner werdenden Wohnungen Leichtigkeit. Architektin Jutta Werner, die für Dedon, Vorwerk und Rolf Benz arbeitet, setzt diesen Trend für ihr eigenes Label Nomad in handgewebte Teppiche um, indem sie dem pastellfarbenen Garn noch ein recyceltes aus silbernem Bonbonpapier hinzugibt.

Modularität für flexible Interiors

Durch die gesteigerte Nachfrage nach Textilien im Raum kommt der Teppichboden vor allem über modulare Systeme wie Fliesen und Planken wieder in die Räume zurück – insbesondere zur Anwendung in öffentlichen Räumen wie Büros. Dort wirkt er nicht nur schallabsorbierend, sondern lässt sich dank Modularität exakt passend verlegen und obendrein noch individuell und kreativ gestalten. Geometrische Muster in abgestimmter Farbgebung zum Interior bieten Abwechslung im tristen Büroalltag. Dabei liegen Haptik, Struktur und Tiefe im Trend. So zeigt Designer Sebastian Wrong mit seiner neuesten Teppichfliesen-Kollektion „Layers“ für Fletco spannende und griffige Strukturen sowie einen „Faux Uni“ – also einen unifarbenen Gesamteindruck, bei näherem Hinsehen allerdings eine reiche Farbvielfalt.

Eine weitere Alternative zur Bahnenware sind abgepasste Tufting-Varianten: Fletco offeriert unter diesem Aspekt eine Linie, die nach Kundenwunsch in jeglicher Freiform zugeschnitten werden können. Möglich ist dies durch neue Lasercut-Maschinen, mit denen auch Tisca aus der Schweiz arbeitet – und die darauf individuell gestaltete Intarsien für Tuftingteppich-Bahnenware anfertigen können.

Unterschiedliche Rezepte für Nachhaltigkeit

Nachdem Teppich- und Designbodenhersteller die vergangenen Jahre alles getan haben, ihre Beläge frei von Bitumen beziehungsweise Phtalaten zu bekommen, forcieren einige Anbieter nachhaltige Materialien und Verfahren. „Wohngesundheit“ ist ein Schlagwort, das an vielen Ständen oft zitiert wurde. Die Rezepte dafür fallen allerdings sehr unterschiedlich aus: Windmöller ist mit seinem Produkt „Wineo Bioboden“ so erfolgreich, dass das Unternehmen dem Polyurethan, das aus nachhaltig erzeugtem Rizinius- und Rapsöl stammt, den Markennamen „Ecuran“ verliehen hat. Was Nachhaltigkeit und Natürlichkeit angeht, haben Parkett und Korkböden naturgemäß eine Vorreiterrolle. Amorim wurde nun für seine Korkbeläge unter dem Label Wicanders deshalb gleich mehrfach mit dem „Blauen Engel“ ausgezeichnet.

Tradition bei den handgefertigten Teppichen

Tendenzen wie Tradition, Nachhaltigkeit und Individualisierung spiegelten sich last but not least in den handgefertigten Teppichen wider. So wurde Lila Valadan für „Vague“, einen dunklen, schweren, aus Ziegenhaar gewebten Nomadenteppich, mit dem „Carpet Design Award“ ausgezeichnet, der „Transitional Design“ – also die Verschmelzung aus Tradition und modernem Design – auf höchst gelungene Art darstellt. Auch das ausgezeichnete Modell „Blue Star“ von Art Resources zahlt auf dieses Thema ein, in dem ein klassisches islamisches Polygonal-Design durch die Verwendung von nur zwei Farben in einem neuen Licht erscheint.

Upcycling und Nachhaltigkeit bei Teppichen

Die in Berlin ansässige niederländische Designerin Salem van der Swaagh verwendete Stoffreste für einen voluminösen, langflorigen Teppich und weist damit daraufhin, dass auch bei den hochwertigen handgeknüpften Teppichen Themen wie Upcycling und Nachhaltigkeit relevant sein können. Diesen Faden nimmt auch der indische Hersteller Obetee auf, indem er in seiner Kollektion „Biophilia“ Materialien wie Hanf, Jute, Brennessel oder Bio-Baumwolle verwendet. So viel Individualität, wie in einem handgeknüpften Teppich steckt, lässt sich kaum übertrumpfen. Ein gutes Beispiel dafür ist der speziell für ein Hotel angefertigte Wandteppich des sardischen Teppichlabels Mariantonia Urru, der die Architektur feinsinnig ergänzt – und dafür in der neuen Kategorie „Beste Rauminstallation“ einen der begehrten „Carpet Design Awards“ gewinnen konnte.