03.03.20 – Wo Bänderrisse zum Fremdwort werden — read English version

Startup Betterguards: Patentierte Gelenkbandagen

„Mit patentierten Gelenkbandagen langfristig schmerzhafte Überdehnungen und Bänderrisse abschaffen helfen.“ Betterguards-Gründer Vinzenz Bichler

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Betterguards hat ein mit 15 Patenten abgesichertes Anti-Umknick-System entwickelt, das hilft, schmerzhafte Bänderverletzungen z. B. am Knöchel zu vermeiden. © Betterguards

 
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Betterguards-CEO Vinzenz Bichler (37): „Obwohl vieles länger dauert als wir es seinerzeit geplant hatten, bin ich dankbar für die Möglichkeit, mit einer tollen und hochmotivierten Mannschaft neue Ideen umsetzen zu dürfen.“ © Betterguards

 
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Man kennt das von berühmten Ärzten, Wissenschaftlern oder Konstrukteuren: Sind sie von ihrer Sache hundertprozentig überzeugt, dann folgen wie beim Mediziner Werner Forßmann (erkundet mit einem Katheder sein eigenes Herz), beim Physiker Johann Wilhelm Ritter (Galvanik-Experimente am eigenen Körper) oder dem Luftfahrtpionier Otto Lilienthal (erster Menschenflug) Selbstversuche zur Bestätigung der jeweiligen Entdeckung. Die 22 Mitarbeiter von Betterguards setzen als Tester ihrer eigenen Produkte diesen Trend fort. Das Team spielt mit seinem neuartigen Sprunggelenkschutz regelmäßig Fußball, Tennis und Basketball und konnte sich mehrfach am eigenen Leib von der Schutzwirkung überzeugen.

Firmengründer Vinzenz Bichler:

„Ohne diese Technologie hätte es dabei bisher 22 zum Teil sehr schmerzhafte Verletzungen gegeben. Zahlreiche Verletzungen als Freizeitfußballer haben mich bewogen, dagegen etwas Intelligentes zu entwickeln. Deswegen habe ich auch u. a. Medizintechnik studiert, um so auch die Biomechanik zu verstehen.“

Adaptor blockiert in Millisekunden

Auf der Umknickplattform im Biomechanik- & Forschungslabor des Unternehmens können sich Kunden davon überzeugen, wie die Sicherheitsgurte für das Sprung-, Knie- und später auch für Schulter-, Hand- und Nackengelenk funktionieren. In Kombination von traditionellen textilen Bandagen und einem noch 9 mm (demnächst nur noch 6 mm) breiten und etwa fingerlangen Zylinder, der wie ein Stoßdämpfer arbeitet und ein intelligentes Fluidsystem zur Stützung des jeweiligen Gelenks enthält.

Beispielsweise im Schuh oder in der Bandage in Knöchelnähe platziert, sorgt die Betterguards-Technologie mit gallert- bzw. ölartigen Materialien dafür, dass natürliche Bewegungsabläufe mit ungefährlicher Muskeldehnung zugelassen werden; kritische Überdehnungen durch Umknicken des Fußes jedoch nicht. In diesem Fall blockiert die röhrenförmige Muskelstütze (Adaptor genannt), deren Toleranzen einstellbar sind, blitzartig und in nur wenigen Millisekunden.

„Das System reagiert im Gefahrenfall drei- bis vier Mal schneller als der Mensch es könnte“, weiß der studierte Kunststoff- und Medizintechniker Bichler aus jahrelangen Versuchen. Schon während der Masterarbeit an der TU Berlin war er fasziniert von den potenziellen Möglichkeiten von dilatanten, scherverdickenden Flüssigkeiten, die sich unter Beanspruchung schlagartig versteifen. Dieses spannende, geschwindigkeitsabhängige Verhalten haben er und die beiden anderen Unternehmensgründer Max Müseler und Timo Stumper seit 2014 weitergedacht und schließlich in das intelligente Betterguards-System überführt. Ihr Startup, das bis heute in Kudammnähe im CHIC (Charlottenburger Innovations-Centrum) seinen Firmen- und Forschungssitz und in Hennigsdorf seine Produktionsstätte hat, ist inzwischen B2B-Partner beispielsweise für Produzenten aus den Bereichen MedTech, Sport & Freizeit, Orthopädie sowie Arbeitsschutz.

15 Patente auf Anti-Umknick-System

Aktuell nimmt Betterguards mit Kapital von drei Investoren Kurs auf vollautomatisierte Herstellungsprozesse. Große Marken sind mit Blick auf Arbeitsschutz-, Trecking- und Sportschuhe (hier für Fußball, Basketball, Handball und Tennis) auf das mit 15 Patenten abgesicherte Anti-Umknick-System der Berliner aufmerksam geworden. Auch die Deutsche Bahn zeigt sich interessiert. Dass die neue Plattformtechnologie auch jenseits menschlicher Gelenke zum Einsatz kommen kann – und sich damit womöglich neue Bedarfssituationen rund um das adaptive Stoppen von Rädern auftun –, sei der Vollständigkeit halber nur erwähnt.

Auf diese Weise ließe sich auch das Wegrollen von Kinder- und Einkaufswagen bzw. von Rollstühlen, Trolleys oder Rollatoren auf leicht abschüssigem Gelände verhindern. Erste Tests sollen vielversprechende Ergebnisse geliefert haben. Laut Vinzenz Bichler liegt der Aktivitätsfokus aber erstmal darauf, den Menschen den Spaß an der Bewegung ohne Angst vor Verletzungen zurückzugeben. Das ganze Potential der Plattformtechnologie soll in den nächsten Jahren erschlossen werden.

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