28.05.21 – Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Textil vernetzt am Standort Aachen — read English version

ITA: Ausbau der digitalen Fitness in Betrieben

Erfolgreiche Projekte und neue Angebote nach drei erfolgreichen Jahren am Standort Aachen. Ein Überblick von Frederik Cloppenburg und Thomas Gries, ITA.

ITA.jpeg

Industriedialoge und Workshops werden kundenindividuell angeboten und durchgeführt. Seit Beginn der Corona-Pandemie allerdings vornehmlich in Online-Formaten. © ITA/RWTH

 
ITA.jpeg

Augmented Reality basiertes Assistenzsystem zur Wartung und Instandhaltung von Textilmaschinen im Schaufenster Aachen. © ITA/RWTH

 

Das Schaufenster in Aachen befindet sich am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University. Mit dem Schwerpunkt „Arbeit 4.0“ kann der Standort Aachen an einer vollvernetzen Prozesskette den textilen Herstellungsprozess abbilden. An dieser vollstufigen Produktionsline kann der wirtschaftliche Nutzen einer digitalisierten Herstellung erlebt und erfahren werden, und das vom Garn bis zum fertigen, digitalen Endprodukt. Durch diese Kompetenz konnten auch schon mehrere Projekte mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung erfolgreich umgesetzt werden.

  • Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzetrum Textil vernetzt wurde gegründet, um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus dem Bereich der Textilindustrie und des Textilmaschinenbaus, sowie angrenzender Bereiche auf dem Feld der Digitalisierung zu unterstützen. Das erklärte Ziel: Ausbau der „Digitalen Fitness“ (BMWi, 2021) der Betriebe. Da gerade KMUs in dieser Branche mit „kleinen Losgrößen und einem ständig variierenden Fertigungscharakter“ (BMWi, 2021) herausgefordert werden, gibt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzetrum Textil vernetzt Hilfestellung bei der Integration digitaler Prozesse in den betrieblichen Alltag. Dies wird durch verschiedene Aspekte der digitalisierten Produktion erreicht, wie mit der Implementierung von Assistenzsystemen oder smarter Sensortechnik in die Produktionslinie. Doch auch die Schulung und Qualifizierung der Mitarbeitenden ist ein wichtiger Baustein, um langfristig eine individuelle und vernetzte Produktion zu erreichen.

Textil vernetzt ist an mehreren Standorten in Deutschland präsent, um möglichst ortsnah als kompetenter Ansprechpartner für Unternehmen zur Verfügung zu stehen. So auch am Standort in Aachen.

Einige Projektbeispiele:

  • Textilunternehmen Dibella

Beim Textilunternehmen Dibella wurde die Lagerlogistik optimiert. Das Problem bestand im großen Zeitverlust beim Auslesen von Artikeletiketten. Durch das Stapeln von Rollen, die für die Konfektionierung bestimmt waren, wurden die Etiketten verdeckt und somit das Auslesen erheblich erschwert. Um den Mitarbeitern die benötigten Informationen besser verfügbar zu machen, schlug das ITA eine Lösung mit RFID-Chips vor. Diese werden an der Kopfseite der Rollen angebracht und beinhalten wichtige Informationen über den Artikel. Nach einigen Unternehmensbesuchen und Workshops wurde das Kompetenzzentrum Digital in NRW als Unterstützung für Logistikfragen gewonnen. Gemeinsam wurde das Projekt erfolgreich umgesetzt.

  • Textilunternehmen Güth & Wolf

Um die Möglichkeiten der IT-Lösungen beim Textilunternehmen Güth & Wolf GmbH besser nutzen zu können, wurde das Aachener Kompetenzzentrum zu Rate gezogen. Die Daten der IT stehen zwar zur Verfügung, jedoch gibt es keine Strategien, um die Informationen in einer digitalen Herstellung nutzbar zu machen. Um die Arbeitsabläufe verbessern zu können, führte das ITA eine Unternehmensanalyse durch, um die verschiedenen Bereiche des Unternehmens zu überprüfen. So wird im Verlauf der Maßnahme eine Auswirkungsanalyse für die Kosten-/Nutzenbilanz für digitale Investitionen erstellt werden. Um die Vorteile einer digitalisierten Produktion sichtbar zu machen, wurde Güth & Wolf durch die hauseigene, digitale Fertigung geführt. Nach einigen Workshops konnte das ITA dem Betrieb eine sinnvolle strukturelle Lösung für die Digitalisierung der Produktionsprozesse anbieten.

  • Delta T Hitzeschutz und Isolation

Bei vielen Unternehmen steht die Qualitätssicherung der eigenen Produkte im Fokus. So auch bei Delta T Hitzeschutz und Isolation GmbH. Als problematisch erwiesen sich Druckknöpfe, die in das Material eingearbeitet wurden. Da sich diese manchmal als mangelhaft erwiesen, mussten die Knöpfe manuell überprüft und nachgebessert werden. Da dieser Arbeitsschritt viel Aufwand erfordert, suchte Delta T nach einer Lösung. Das ITA erarbeitet daraufhin Methoden, um mit Hilfe verschiedener Sensortechnik die Ausschussware möglichst schnell zu erkennen. Diese kann im Nachgang dann intern ausgebessert werden. Mit Mikrosensorik können die im Betrieb vorhandenen Maschinen nachgerüstet werden. So kann mit relativ geringem Aufwand die Qualität der Produkte verbessert, aber auch die Produktivität gesteigert werden.

  • Gruschwitz Textilwerke

Zusammen mit allen vier Partnern des Kompetenzzentrums Textil vernetzt, erstellte das ITA eine digitale Roadmap für die Gruschwitz Textilwerke AG, die technische Zwirne im Allgäu herstellt. Nachdem das Unternehmen in der Vergangenheit schon in die Modernisierung der Produktion und unter anderem in ein Lean-Management-System investiert hat, steht nun die Digitalisierung der Produktion auf dem Plan. Die Roadmap deckt ein breites Spektrum an digitalen Lösungen ab und reicht über Themen von digitalem Engineering und smarter Sensortechnik, über Weiterbildung und Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zu einer vernetzten Produktion. Die Roadmap soll als Fahrplan für die nächsten Schritte zur Einführung digitaler Lösungen in Firma fungieren und wurde in Workshops und Gesprächen mit Mitarbeitern und dem Kompetenzzentrum erarbeitet.

Auch abseits der größeren Projekte war das Kompetenzzentrum in Aachen engagiert. Insgesamt konnte das Kompetenzzentrum in Aachen bis 2021 bei über 70 Führungen durch die eigene digitalisierte Produktion über 90 KMU mit rund 120 Teilnehmern über die Vorteile einer intelligenten Prozesskette informieren und somit über deren Vorteile aufklären. Insgesamt wurden dabei über 350 Personen durch die Führungen erreicht.

  • Damit auch in Zukunft Betriebe die Möglichkeit haben, sich an einen kompetenten Partner in Sachen Digitalisierung in der Textilbranche zu wenden, wird das Kompetenzzentrumsprojekt fortgeführt und erweitert. Zum einen wird das Projekt um weitere zwei Jahre verlängert und kann somit nachhaltiger für die Firmen als Ansprechpartner dienen. Zum anderen wird das Aachener Schaufenster um den Hauptstandort des ITA erweitert. Das dort ansässige Technikum bietet eine noch größere Sammlung an Produktionsmaschinen und wird im Zuge der Verlängerung umfassend digital umgerüstet werden. Zusätzlich wird das Kompetenzzentrum Aachen Betriebe in Zukunft auch bei der Implementierung von angewandter künstlicher Intelligenz in den Arbeitsalltag unterstützen können, da der Standtort in die Maßnahme KI-Trainer aufgenommen wurde. Die ersten Umsetzungsprojekte in diesem neuen Themenfeld sind bereits in der Planung.

Um für die Unternehmen die Einstiegshürde so niedrig wie möglich zu halten, hat das Kompetenzzentrum eine Fünf-Schritte-Strategie zur Digitalisierung des Betriebs entwickelt. Dies Strategie besteht aus Informieren, Demonstrieren Qualifizieren und Konzipieren und Umsetzen. Um die einzelnen Unternehmen bestmöglich in diese Strategie einzubinden, hat das Kompetenzzentrum in Aachen acht Starterformate entwickelt, um die Bedürfnisse jedes Betriebs optimal abzudecken.

Format 4.0 Reifegrad

Das Format „4.0 Reifegrad“ ist darauf ausgelegt den Status-quo, den Industrie 4.0 Reifegrad, des entsprechenden Unternehmens bestimmen zu können. Dabei nehmen die Digitalisierungsexperten sowohl die Datenerfassung als auch die Nutzung der Daten unter die Lupe.

Durch die Betrachtung der Unternehmensstruktur, -prozesse und -entwicklung können die verschiedenen Bereiche des Unternehmens in Bezug auf den Reifegrad zu Industrie 4.0 eingeordnet werden. Auf dieser Basis können dann die wichtigsten Handlungsfelder für die Organisation abgeleitet werden.

Readiness Assessment

Um die Modellierungsfähigkeit und damit die monetäre Nutzbarkeit der Daten eines Unternehmens bestimmen zu können, hat der Aachener Standort das Starterformat „Readiness Assessment“ entwickelt. Im Zuge des Formats wird die Datenerfassung und -nutzung entlang des kompletten Wertschöpfungsprozesses bewertet. Vom Rohstofflieferant bis zum Kundenfeedback. Bei Abschluss des Assessments erhält der Betrieb eine Einordnung zur Modellierungsfähigkeit und eine Übersicht über die wichtigsten Handlungsfelder zur Erhöhung der Datenqualität.

Leitfaden zur Implementierung von Smart Factory-Konzepten

Das ITA hat bereits in abgeschlossenen Projekten den „Leitfaden zur Implementierung von Smart Factory-Konzepten“ entwickelt. Das Ziel des Leitfadens ist es die Effektivität und Effizienz zu steigern, durch die Vermeidung qualitätsrelevanter Fehler. Angesetzt wird dabei beim analytischen Komplexitätsmanagement eines Betriebs, um Ursachen und Wirkung der Fehler bestimmen zu können. Der Leitfaden soll Unternehmen dabei unterstützen, die Anforderungen an digitale Lösungsansätze bestimmen zu können. Im entsprechenden Starterformat wird der Leitfaden im Unternehmen angewendet und so werden digitale Lösungen zur Steigerung der Qualitätsrate identifiziert.

Messtechnik Workshop

Um Unternehmen ein Verständnis für elektrische Messketten und deren Signalverarbeitung zu geben, bietet das Kompetenzzentrum in Aachen den „Messtechnik Workshop“ an. In diesem interaktiven Workshop können sich Betriebe das richtige Know-how aneignen, wie Sensorik gewinnbringend eingesetzt werden kann, aber auch, wie die richtige Sensorik für die entsprechende Messaufgabe ausgewählt wird. Außerdem vermitteln die Experten des ITA, wie der Betrieb von einer physikalischen Beobachtung zu einem verwertbaren Messwert gelangen kann.

Potenzialcheck Messtechnik

Mit dem Format „Potenzialcheck Messtechnik“ bietet das Kompetenzzentrum ein Tool an, mit dem die Messideen eines Unternehmens im Produktionsumfeld validiert werden können. Die Mess- und Digitalisierungstechniker des ITA überprüfen dabei, ob mit einer Messwerterfassung die gesuchten Effekte erfasst werden können. Dafür installieren die Techniker einen autarken Messkoffer in der Produktion des Betriebs, um Messwerte aus den Sensoren und Schnittstellen unabhängig von der hauseigenen Steuerung aufzuzeichnen. Das Unternehmen erhält im Anschluss der Messung die aufgezeichneten Daten. Somit kann in Zusammenarbeit mit den Experten aus Aachen analysiert werden, ob das angepeilte Messkonzept funktioniert.

Digital Waste Walk

Für die Identifikation gewinnbringender Digitalisierungsansätze können sich Unternehmen dem „Digital Waste Walk“ unterziehen. Dieses Format des ITA besteht aus einem Einführungsworkshop, in dem die individuellen Wertschöpfungstreiber der Produktion ermittelt werden. Im Nachgang untersuchen Experten für Digitalisierung die Produktion des Betriebs einen Tag lang in Präsenz. Dabei werden Digitalisierungsmöglichkeiten gesucht, die die Wertschöpfung des Unternehmens steigern. Im Anschluss erhalten die Betriebe eine Auflistung der sinnvollen Digitalisierungstechnologien, die kurz-, mittel- und langfristig realisierbar sind.

Arbeit 4.0 Workshop

Um einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten der Arbeit 4.0 Technologien zu bekommen, können Unternehmen am „Arbeit 4.0 Workshop“ des ITA teilnehmen. Ziel dieses Formats ist es, das Potenzial der Anwendung von digitalen Assistenzsystemen in der Produktion zu entdecken. Nach dem die Betriebe über die aktuelle Situation des Arbeitsmarktes im textilen Bereich erhalten haben, folgt eine Einführung zu den digitalen Assistenzsystemen. Dabei werden den Unternehmen die unterschiedlichen Stufen der Assistenzfunktionen aufgezeigt, um letztendlich einen Ansatz zur methodischen Entwicklung und Einführung solcher Systeme vorstellen zu können.

KI-Trainer

Das Thema Künstliche Intelligenz wird immer wichtiger für das produzierende Textilgewerbe. Um die Betriebe optimal auf diese Aufgabe vorzubereiten, wurde das ITA in die Maßnahme „KI-Trainer“ aufgenommen und hat im Zuge dessen das Format „KI-Starter“ entwickelt. Damit die Unternehmen ihre Datenschätze gewinnbringend einsetzen können, unterstützt der Aachener Standort die Betriebe dabei. Bedarfsorientiert wird bestimmt, welche technischen oder nicht-technischen Anforderungen KI-gestützte Systeme haben, um optimal in der Produktion eingesetzt werden zu können. Dazu unterstützt das ITA die Unternehmen bei der Analyse, Konzeption und Implementierung von passenden Methoden.

Interessierte Unternehmen können sich weitere Informationen auf der Website des Mittelstandskompetenzzentrum Textil vernetzt holen.

Das ITA dankt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für die Förderung des Projektes „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum – Textil vernetzt“ im Rahmen der Initiative „Mittestand digital“.