09.04.20 – Munich Fabric Start
Corona-Krise: Fragen an Sebastian Klinder
textile network wollte wissen, wie die Munich Fabric Start mit der globalen Corona-Krise umgeht. Unser Exklusiv-Interview mit Sebastian Klinder.
textile network: Herr Klinder, das Corona-Virus hat sich inzwischen auf die ganze Welt ausgebreitet – Textilmessen wurden/sind abgesagt. Wie geht die Munich Fabric Start mit der so noch nie dagewesenen Situation um? Was erwarten Sie für das 2. HJ 2020?
Sebastian Klinder: In der momentan schwierigen und unsicheren Phase sind die Gedanken und das Mitgefühl des gesamten Munich Fabric Start-Teams besonders bei den Menschen, die in Ländern ohne funktionierendes Gesundheitssystem leben oder gar evakuiert werden müssen. Gleichzeitig sind wir uns über die Auswirkungen auf die globale Textilindustrie bewusst und sehen die großen Herausforderungen, der sich unsere Industrie stellen muss.
Als Veranstalter von Messen unterbindet die aktuelle Situation auch das Herzstück unseres Tuns: das Zusammenführen und den Austausch der Branche. Dabei wissen wir um die große Bedeutung und Relevanz unserer Messe für Hersteller und Modeunternehmen. In dieser Situation erhält das nächstmögliche persönliche Zusammenkommen einen unglaublich hohen Stellenwert.
Wir möchten ein Zeichen setzen, indem wir der Branche gerade jetzt eine Perspektive bieten und schnellstmöglich wieder eine Plattform mit optimalen Bedingungen bereitstellen. Dazu sind wir flexibel in unserem Handeln und können auf Basis zukünftiger Entwicklungen agieren und reagieren. Derzeit organisieren wir die kommenden beiden Messen wie gewohnt weiter und arbeiten daran, die View Premium Selection Mitte Juli 2020 sowie die Munich Fabric Start Anfang September 2020 zu den geplanten Terminen stattfinden lassen zu können.
textile network: Die View Premium Selection findet also nach jetzigem Stand vom 14. bis 15. Juli 2020 statt?
Sebastian Klinder: Wir sind natürlich in ständigem Kontakt mit unseren Ausstellern und freuen uns sehr über deren Loyalität und Vertrauen in uns. Die Aussteller erkennen, dass wir sie als Partner der Textilbranche bestmöglich unterstützen wollen und schätzen unsere offene Kommunikation. Wir organisieren die kommende View Premium Selection Mitte Juli 2020 wie gewohnt weiter. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es allerdings noch zu früh, eine finale Aussage zur Durchführung der Messe zu treffen. Voraussichtlich können wir Ende April eine Entscheidung fällen, ob die Messe stattfinden wird. Wir sind dazu im engen Austausch mit anderen Messeveranstaltern und vertrauen auf die Erkenntnisse der Experten und politischen Entscheidungen, ohne eigene Interpretationen oder Stellungnahme zu den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen.
textile network: Die Munich Fabric Start im September wird sicher ebenfalls nicht von der Krise und deren Auswirkungen verschont bleiben?
Sebastian Klinder: Natürlich wissen wir nicht, wie die Situation in einigen Wochen aussehen wird, aber momentan arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Munich Fabric Start vom 01. bis 03. September 2020 stattfinden lassen zu können. Die aktuelle Zeit der Isolation und Entfernung betrifft alle Akteure der Branche – gerade deshalb wird der baldige Austausch auf der Messe als sehr wertvoll angesehen.
Partnerschaften und eine starke Community erhalten eine gänzlich neue Bedeutung. Dies bestätigt auch die gewohnt hohe Anzahl an Anmeldungen und positiven Resonanzen, die uns zum aktuellen Zeitpunkt erreichen. Die Bluezone ist im September 2020 bereits ausgebucht. Diese große Loyalität und das Vertrauen in uns wissen wir sehr zu schätzen. Bis zu dem Termin der Munich Fabric Start sind es noch mehrere Monate – wertvolle Zeit, die entscheidend sein kann. Für den Moment heißt es, die Entwicklungen in den nächsten Wochen abzuwarten und auf dieser Basis die nächsten Entscheidungen zu treffen.
Natürlich versuchen wir an dieser Stelle auch, uns in die jeweilige Lage der Aussteller und Besucher zu versetzen und nach Lösungen für alle Beteiligten zu suchen. Dazu prüfen wir momentan verschiedene Szenarien und Modelle, mit denen wir flexibel und lösungsorientiert auf möglicherweise angepasste Richtlinien der Regierung für Veranstaltungen reagieren können. Dabei geht es momentan eher darum, zu überlegen, wie wir mit Corona – anstatt nach Corona – eine Messe veranstalten können.
Für eventuelle Plan-B-Szenarien denken wir daher bereits über notwendige Modifikationen nach. Neben Hygienemaßnahmen können dies beispielsweise verbreiterte Gänge zwischen den Ständen für den notwendigen Abstand zueinander sein, ein möglicherweise regulierter Zutritt zu den Messehallen, die Verteilung des Besucher-Flows zur Vermeidung von Ansammlungen, Abstandsmarkierungen oder ein digitales Ticketing.
textile network: Ein Blick in die Zukunft: Wird diese Krise die Nachhaltigkeits-Community Ihrer Meinung nach eher beflügeln oder abschwächen?
Sebastian Klinder: Aus unserer Sicht ist Nachhaltigkeit in der Industrie bereits angekommen und als festes Zukunftsthema verankert. Das Bewusstsein ist auf allen Seiten da, Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstes Handeln lassen sich nicht mehr wegdenken. Die momentane Krise birgt auch die Chance, Prozesse und Produktionswege neu zu denken und aufzurollen. Beispielsweise rücken regionales Sourcing und eine „Glokalisierung“ mehr in den Vordergrund. Allerdings lässt sich momentan nicht absehen, inwieweit die wirtschaftlichen Folgen die weitere nachhaltige Entwicklung unterbrechen oder stimulieren wird.
Herr Klinder, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen für textile network stellte Iris Schlomski.