20.04.23 – Special „Chancen und Risiken der Demografie“

Textil hat Zukunft, mehr denn je!

Der Fachkräftemangel macht auch vor der Textil- und Modeindustrie nicht Halt. Der Gesamtverband textil+mode unterstützt deshalb ganz praktisch, wenn es um die Attraktivität und die Ausbildung in der Branche geht. 2.000 junge Menschen bilden Textil-Unternehmen jedes Jahr aus und auch an den Hochschulen gibt es spannende Studiengänge, die manchmal direkt in das Verbandsleben führen.

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Azubi Christian Denner mit Mareike Zellhuber, Ausbilderin beim Textilhersteller Topp Textil: Eine gute Ausbildung ist die Basis für den Start in den Beruf. © Photothek

 
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Anna Guse (erste von links) mit Studierenden der Hochschule Niederrhein in einer Textilproduktion in Bangladesch. © Anna Guse

 

Als Anna Guse 2019 im Rahmen ihres Studiums an der Fachhochschule Niederrhein zum Praktikum nach Bangladesch reist, hat sie ihren Wunsch im Gepäck, als Textil- und Bekleidungstechnikerin einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Textilindustrie zu leisten. Entstanden ist der Berufswunsch während ihres Freiwilligen Ökologischen Jahres, in dem sich Anna auch mit fair hergestellter Bekleidung beschäftigt hat. Seitdem erklärt sie Freunden und Bekannten immer wieder, wie spannend es ist, sich mit der komplexen Herstellung und Verarbeitung von Textilien zu beschäftigten. Nur wer weiß, wie Textilien produziert werden, kann auch daran mitarbeiten, dass sie nachhaltig sind. Das macht für sie den Reiz ihrer textilen Ausbildung aus.

 Anna Guse: „Wenn ich über meinen Studienschwerpunkt Textile Technologien erzählt habe, kam des Öfteren die Frage, warum ich Modedesignerin werden will. Das zeigt mir, dass fast keiner auf dem Schirm hat, was es tatsächlich heißt, Textilien herzustellen. Die meisten sind von der Komplexität der Herstellung einer Jeans überrascht. Sie gehen in den Laden oder ins Internet, kaufen sich ein neues Hemd oder eine neue Jeans. Da ist es kaum von Interesse, was alles hinter der Produktion eines Textils für die Bekleidung oder die zahlreichen anderen Anwendungen vom Teppich über Airbags für Autos oder Anzüge für die Feuerwehr bis hin zu medizinischen Hightech-Textilien steckt.“

 

Die Textil- und Modeindustrie braucht Nachwuchs

Jetzt hat Anna Guse in ihrem ersten Job nach dem Studium all diese komplexen Herstellungsketten auf dem Schreibtisch. Sie arbeitet sich als Referentin beim Gesamtverband textil+mode in den Bereich Kreislaufwirtschaft ein und ist überrascht, wie viele Fäden beim Verband fachlich zusammenlaufen. In der Tat ist Kreislaufwirtschaft gerade ein Top-Thema der Branche; ein Feld, auf dem sich der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie bereits in den vergangenen Jahren ein breites Netzwerk und viel Expertise aufgebaut hat.

 Für Anna Guse waren die ersten vier Wochen mit vielen Besprechungen auch mit Kollegen in der EU ein aufregender Start in ein Themenfeld, das sie vor allem fachlich beackern will. Denn, da ist sich die Master-Absolventin der Fachhochschule Niederrhein ganz sicher: Als Berufseinsteigerin ist es ein Vorteil, auch in der politischen Arbeit, etwas von der Herstellung von Textilien zu verstehen, auch und gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

 In ihrer Ausbildungskampagne Go Textile! wirbt die Branche um junge Frauen und Männer wie Anna, die sich entweder für ein Studium oder für eine der zahlreichen gewerblich-technischen Ausbildungsberufe interessieren.

 Auch im vergangenen Jahr haben die Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie rund 1.500 junge Menschen in dualen Ausbildungsberufen ausgebildet. Mit Aktionen wie „Faden sucht Nadel“, einem Online-Speeddating, oder „Eine Region stellt sich vor“ unterstützte der Gesamtverband textil+mode die Ausbildungsaktivitäten in den Unternehmen seiner Mitgliedsverbände.

 textil+mode war außerdem auf Ausbildungssafari. Eine der Stationen war das Unternehmen Topp Textil GmbH in Durach bei Kempten, das weit über das Allgäu bekannt geworden ist, weil Gerhard Topp vor 70 Jahren das nahtlose Schrägband erfunden hat. Christian Denner erzählte textil+mode von seiner Ausbildung zum Produktionsmechaniker Textil bei Topp Textil. Für ihn ist besonders faszinierend, wie viel Textil-Hightech im Autobau verwendet wird.

 Bei der BWF Group in Offingen im Landkreis Günzburg werden textile Filtermedien, technische Nadelfilze und Wollfilze hergestellt. Das inhabergeführte Familienunternehmen produziert in fünfter Generation mit heute 1.800 Mitarbeitern und 16 Produktionsstandorten weltweit. Marie Schwarz ist ausgelernte Textillaborantin bei der BWF Group und schätzt vor allem die abwechslungsreichen Aufgaben, die von der Qualitätssicherung bis zu Forschung- und Entwicklungsaufgaben reichen.

Know-how für eine umfassende Kreislaufwirtschaft

 

Anja Merker, die beim Gesamtverband textil+mode den Bereich Bildung leitet, kennt viele Beispiele aus der Praxis, die eindrücklich zeigen, wie vielfältig die beruflichen Chancen nach einer Ausbildung oder einem Studium in der Textil- und Modeindustrie sind: „Gerade in einer Zeit, in der wir in Europa wieder unsere eigenen Lieferketten stärken wollen, ist das Wissen über die Herstellung von Textilien unverzichtbar. Wenn wir eine umfassende Kreislaufwirtschaft aufbauen wollen, brauchen wir das Know-how, wie wir Stoffe und Garne recyceln können und daraus neue Fäden spinnen. Auch im Einsatz neuartiger Materialien wie biobasierten Stoffen liegt eine große Zukunft, die gerade mit großem Elan erschlossen wird. Bei allem hilft die Digitalisierung, nachhaltige Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen.“ Anja Merker weiß aus ihrer Arbeit, wie die Digitalisierung von Prozessen in mittelständischen Textilunternehmen einen wahren Schub von neuen Ideen auslösen kann. Für junge Menschen ist das aus ihrer Sicht eine große Chance, es lohnt sich auf entsprechenden Ausbildungsplattformen umzusehen.

 So wie in Sachsen beim Berufspower TV der IHK Chemnitz. Hier laden kurze Trailer und Talks der wichtigsten Ausbildungsfirmen im Vogtland mit ihren Auszubildenden und Chefs dazu ein, sich mit verschiedensten Ausbildungsrichtungen, Berufen und Branchen zu beschäftigen. Auch die Eltern sind eingeladen, sich gemeinsam mit ihren Kindern über die verschiedenen Möglichkeiten, die das Vogtland bietet, zu informieren.

 Eine Folge von BerufspowerTV wurde bei dem traditionsreichen Familienunternehmen Vowalon Beschichtung GmbH in Treuen gedreht. Das mittelständische Unternehmen produziert an mehreren Standorten in Treuen technische Textilien für eine Vielzahl von Einsatzbereichen in der Industrie. „Wir gestalten Vielfalt“ gilt als Unternehmensslogan aber nicht nur für die Vielfalt an Produkten, sondern vor allem auch für die Ausbildung im Unternehmen. In sechs Ausbildungsberufen inklusive dualer Studienmöglichkeiten bildet das Unternehmen über viele Jahre bereits erfolgreich den eigenen Fach- und Führungskräftenachwuchs aus.

 Ob Berufs-TV in Chemnitz oder Praktikum in Dhaka – die textile Ausbildung in Deutschland geht viele Wege, um im Wettbewerb um junge Menschen auf dem Ausbildungsmarkt sichtbar und interessant zu sein. Für Anja Merker, die über die Fach- und Landesverbände immer wieder Alarmmeldungen über den Fachkräftemangel bekommt, ist Klagen keine Lösung. „Textil hat Zukunft – mehr denn je. Darauf machen wir mit all unseren Möglichkeiten aufmerksam“, so Merker, die sich darüber freut, dass Go Textile! in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Aufmerksamkeit gewonnen hat.