26.08.20 – EEG-Umlage
Textilindustrie fordert Entlastung
NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart fordert die Abschaffung der EEG-Umlage in ihrer jetzigen Form.
Teile der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie befinden sich in der Krise. Die Branche leidet unter den seit Jahren steigenden Energiekosten und der weltweiten Billigkonkurrenz. Die Corona-Pandemie hat die Situation nochmals verschärft. Die Sorgenfalten bei den Verantwortlichen wachsen – auch vor dem Hintergrund drohender finanzieller Mehrbelastungen durch die Energiewende.
Zahlreiche Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit
Bei einem Branchentreff mit NRW-Wirtschafts- und Energieminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart im münsterländischen Saerbeck forderten die Verantwortlichen Entlastungen unter anderem durch Anpassungen bei der EEG-Umlage und keine neue Zusatzbelastung durch eine CO2-Abgabe. Zugleich wurden Perspektiven für eine nachhaltige Zukunft des Textilstandorts Deutschland aufgezeigt. Pinkwart sicherte der Branche seine Unterstützung zu und forderte die Abschaffung der EEG-Umlage in ihrer jetzigen Form.
Saertex
Das Unternehmen Saertex, in dessen Räumlichkeiten die Vertreter der nordrhein-westfälischen Textilindustrie in der vergangenen Woche zusammengekommen waren, produziert technische Textilien, unter anderem ultraleichte Gelege aus Carbon, die in Windrädern oder Flugzeugen verbaut werden. Zahlreiche namhafte Kunden setzen auf Technologie aus dem Münsterland, sogar die Trägerrakete Ariane 6 flog mit Spezialgelegen von Saertex ins Weltall. Der geschäftsführende Gesellschafter Bruno Lammers rechnet in diesem Jahr erneut mit einem Umsatzwachstum in zweistelliger Millionenhöhe – trotz der Coronakrise, die laut Rolf A. Königs, Vorsitzender des Verbandes der Rheinischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V., bisher alles in den Schatten stelle.
Saertex ist damit ein Lichtblick und aktuell eine Ausnahme in der Branche.
Rolf A. Königs, Vorsitzender des Verbandes der Rheinischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V.:
„Wir brauchen mehr denn je die Innovationskraft unserer Branche.“
Bruno Lammers, geschäftsführende Gesellschafter Saertex:
„Wir produzieren in Saerbeck für den internationalen Markt und halten die Wertschöpfung am Standort Deutschland. Dabei profitieren wir vom technologischen Vorsprung unserer Produkte, wodurch wir uns am Markt behaupten können.“
Branche befürchtet Verlust von Arbeitsplätzen
So positiv blicken aktuell jedoch nicht alle Branchenvertreter in die Zukunft – vor allem die Bekleidungsindustrie und die Hersteller von Konsumgütern sind in Sorge. Die hohen Energiekosten – aktuell unter anderem durch die EEG-Umlage und künftig vor allem durch die steigende CO2-Bepreisung – sind eine enorme Belastung und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze, erklärte Jan-Frederic Bierbaum, Geschäftsführer der Bierbaum Unternehmensgruppe GmbH, dem nach eigenen Angaben größten deutschen Hersteller von Bettwäsche.
Jan-Frederic Bierbaum, Geschäftsführer der Bierbaum Unternehmensgruppe GmbH:
„Prozesse wie bleichen, färben, waschen und drucken werden dann deutlich teurer als in anderen Ländern, in denen es diese Steuer nicht gibt. Dort wird der Strom und auch die Wärme meistens jedoch noch mit Kohle erzeugt, sodass die Gesamtumweltbelastung im Vergleich mit der hiesigen Produktion deutlich höher ist.“
Man sei froh, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und die Landesregierung gerade auch mit Blick auf die Textilindustrie dafür gesorgt haben, dass das Thema Carbon Leakage in das Brennstoffemissionshandelsgesetz mit aufgenommen wurde. Der Bund kann nun auf dem Verordnungswege Maßnahmen ergreifen, die die Verlagerung von industriellen Produktionen aufgrund der CO2-Bepreisung ab dem nächsten Jahr verhindern sollen. „Carbon Leakage“ bezeichnet eine Situation, die eintreten kann, wenn Unternehmen aufgrund der mit Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen verlagern. Dies könnte zu einem Anstieg ihrer Gesamtemissionen führen. In bestimmten energieintensiven Branchen wie der Textilindustrie kann das Carbon-Leakage-Risiko höher sein.
„Um die Arbeitsplätze hier in Deutschland zu erhalten und sogar auszubauen, darf es keine neuen Belastungen geben, die der Wettbewerb in anderen Ländern nicht hat“, sagt Bierbaum.
Laut Königs möchte auch die Textilbranche einen angemessenen Beitrag zur Energiewende leisten, fordert jedoch Augenmaß seitens der Bundesregierung und ein besseres Energiemanagement. Die CO2-Steuer sei „ein Skandal“. Für Bierbaum beispielsweise würde die CO2-Bepreisung eine spürbare Preiserhöhung nötig machen: „Das bedeutet, dass Großkunden die kompletten Aufträge nicht mehr in Deutschland platzieren, sondern anderswo, wo die Umwelt durch die Produktion deutlich mehr belastet wird. Hier gehen dagegen die Arbeitsplätze verloren.“
Kritik an der EEG-Umlage
Auch die zu hohen Belastungen durch die EEG-Umlage kritisieren die Branchenvertreter. Kritik, die NRW-Wirtschafts- und Energieminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart nachvollziehen kann: „Das derzeitige EEG bietet Fehlanreize, die die Politik in einem sehr komplexen Regelwerk versucht, durch immer neue Ausnahmen auszugleichen. Das belastet vor allem den Mittelstand und behindert den Ausbau der Erneuerbaren Energien.“
Textilfabrik 7.0 (T7)
Für Hans-Uwe Gansfort, Prokurist der Canda International GmbH & Co. KG, stehen Teile der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie an einem Scheideweg: „Wir sind in der Produktion einmal rund um den Globus gezogen in einem harten globalen Wettbewerb. Aber was passiert nach Bangladesch?“ Eine Antwort soll nach Vorstellungen der Branche die Textilfabrik 7.0 (T7) sein, an deren Entwicklung die Hochschule Niederrhein, das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, die Textilakademie NRW sowie diverse Unternehmen – unter anderem Canda – und Wirtschaftsverbände beteiligt sind.
Dr. Wilfried Holtgrave, Präsident des Verbandes der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V.:
„Anhand des anwendungsorientierten Modellprojekts skizzieren wir eine Industrieproduktion im Jahr 2035. Wir modulieren einen Produktionsstandort, der im Rheinischen Revier Arbeitsplätze erhält und sogar neue und zukunftsfähige schafft und ebenso im globalen Kontext wettbewerbsfähig ist.“
Das Leitbild umfasst unter anderem das Ziel einer emissionsfreien Produktion sowie den Einsatz von Biotechnologien und Künstlicher Intelligenz.
Die Zukunft heißt also nicht mehr ausschließlich Asien, sondern auch Deutschland, so die Meinung der Branchenvertreter.
„Wir verstehen uns als Modellprojekt für das gesamte verarbeitende Gewerbe“, sagt Holtgrave. „Deutschland ist nach wie vor ein wichtiges Land für Textil und Bekleidung“, sagt Königs.
Restriktionsverfahren fortgesetzt trotz Corona
Auch die restriktive EU-Chemikaliengesetzgebung beobachtet die Branche mit Sorge. Die Verwendung von wichtigen Chemikalien werde immer mehr eingeschränkt und Übergangsfristen verkürzt. Betroffen wären zum Beispiel Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstungen. „Die Coronakrise hat uns gezeigt, dass wir unabhängiger von Importen werden und die heimischen Produktionskapazitäten stärken müssen. In der Form ist das durch die viel zu strengen EU-Vorgaben aber nicht möglich, so lange es keine Ersatzstoffe gibt“, sagte Dr. Markus Strauß, Leiter der Umweltabteilung des Verbands der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V.