06.12.19 – Gastbeitrag Stefan Rappenglück
Über das Black Friday-Phänomen!
Was als Familien-Einkaufstag nach Thanksgiving in den USA begann, ist inzwischen ein Massen-Preisgemetzel sowohl online als auch im Einzelhandel.
Black Friday Week – jetzt kaufen! Black Friday Deal! Smile Days!
Viel hat das nicht mehr mit Verkaufen zu tun. Hier geht es einzig und alleine darum das Schnäppchengefühl des Kunden zu aktivieren, auf dass er sich in einen irrationalen Kaufwahn stürzt. Einerseits ist es aus verkaufspsychologischer Sicht faszinierend, wie der Handel immer noch überzeugt davon ist, dass das Kaufverhalten des Konsumenten allein durch den Preis beeinflusst werden kann.
Nach Jahrzehnten von Preisschlachten à la „Geiz ist geil“ und dem Kampf, den wir hatten, da wieder halbwegs rauszukommen, drehen wir uns jetzt selbst eine Schlinge um den Hals, die langsam nicht mehr viel Luft zulässt für jeden Einzelnen, der sich mit seinem Shop versucht, gegen die Übermacht aus dem WWW über Wasser zu halten.
Die Margen gehen in den Keller – Hauptsache wir verkaufen!
Wir senken die Preise, bis der Kunde „nicht mehr anders kann“, als das Produkt nun endlich mitzunehmen. Und eigentlich wäre es betriebswirtschaftlich schon fast lukrativer, die Ware im Regal stehen zu lassen. Die wahren Gewinner stehen schon jetzt fest: Konzerne, wie Amazon, Zalando und die großen Online-Marktplätze.
Sie konnten sich vorab aufgrund der Absatzgröße die entsprechenden Einkaufspreise sichern und jetzt durch vereinzelte, manipulative Preisgestaltung in fleißiger Vorarbeit, das Schnäppchengefühl beim Endkunden richtig ankurbeln!
Bestes Beispiel Alibaba
Bestes Beispiel Alibaba, der chinesische Großhandelsriese, hat es ganz geschickt gemacht: Er hat gar nicht erst auf den Black Friday gewartet und am selbst erschaffenen „Singles’Day“ mal eben mit diesen Taktiken 30,8 Mrd. US-Dollar Umsatz gemacht.
Clever. Gut – da wären noch die immensen Retouren, die die Konzerne wahrscheinlich ordentlich was kosten werden. Nicht zu vergessen der Unterschied zwischen Brutto-Handelsumsatz zu den realen, tatsächlichen Umsätzen und Gewinnen, aber das ist ein anderes Thema.
Das weinende Auge dagegen macht sich jedoch ebenfalls bemerkbar. Es tut weh, mit anzusehen, wie hart mittelständische Unternehmen bei solchen Aktionen kämpfen müssen, um am Markt mithalten zu können. Irgendwann gibt es nur noch die ganz großen Handels-Häuser und Online-Plattformen, die sich solch enorme Rabatte letztendlich aufgrund höherer Frequenz und Stückzahl leisten können.
Shutdown und das war’s
Für den Klein- und Einzelhandel bedeutet das irgendwann Shutdown und das war’s ... Sobald du da als Shopbetreiber mitmachst, landest du unweigerlich in einer Spirale, die deine Kunden nur noch mehr fordern lässt. Am Ende kannst du zuschauen, wie dein hart aufgebautes Geschäft die Türen schließt und du den letzten Mitarbeiter entlassen musst. Schade, dabei liegt die Antwort doch so nahe, wie man gerade zu solchen Aktionen seine Kunden für sich gewinnt anstatt sich selbst das Wasser abzudrehen.
Auch wenn der Gedanke nahe liegt, dass wir Menschen nur preisgesteuert sind und unser Hirn ausschaltet, wenn wir Rabatte sehen, belegen doch Studien und Erfahrung etwas komplett anderes:
Wenn wir weniger auf den vermeintlichen Mitbewerber schauen, sondern uns an unseren eigenen Kunden und deren Bedürfnisse orientieren, werden wir schnell ganz andere Antworten erfahren, was dem Kunden wirklich wichtig ist. Wie die Luxusindustrie es immer wieder eindrücklich beweist.
At the end it’s a people business. Menschen sind bereit, unfassbare Summen für ihre Einkäufe auszugeben in dem Moment, wo sie das Gefühl haben, gerade ein wunderbares Einkaufsevent zu erleben. Der Barista Cappuccino und die persönliche Zuwendung einer lächelnden, kompetenten Verkäuferin, die Spielecke für die Kleinen, damit Mutter oder Vater den Einkauf in Ruhe machen können. Anstatt ein Rabattschild die Preise anheben und an die Türen schreiben „Wir machen keine Rabatte – wir sorgen dafür, dass sie sich wie eine Königin/ein König fühlen“.
Prosecco und Kinderbetreuung
Die persönliche, bedarfsorientierte Beratung statt die Suche nach einem freien Verkäufer, der mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es ist nicht der Preis, es ist das Gefühl, dass sie unweigerlich zum Schnäppchen steuert, wenn sie keine andere positive Emotion seitens des Verkäufers angeboten bekommen.
Wertschätzung, Zuwendung, ehrliches Interesse, Spaß und ein Erlebnis bringt unsere Endorphine außer Kontrolle.
Wer heute mit den Preisschlachten konkurrieren will, muss kreativ sein. Sich nicht von dem Mainstream bestimmen, sondern von den menschlichen Bedürfnissen lenken lassen.
#Selldifferent – das ist es, was wir seit Jahren unseren Kunden beibringen. Abseits von ausgelatschten Pfaden hin zu echten Werten, die für Wert verkauft werden.
Trau dich, anders zu sein, aufzufallen, und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Sie werden es ihnen danken. Versuchen sie es mal. Für alle die den Preiskampf mitmachen ein Tipp, wie sie dennoch Gewinn aus der Aktion schlagen können: Die Kunst darin liegt in der Ganzheitlichkeit des Verkaufs. Der Blazer zu 50 Prozent Rabatt verträgt sicher auch eine Kombination aus nicht heruntergesetzten Schuhen und Hosen, die perfekt dazu passen.
Diese nicht einfach so on top anbieten, sondern einfühlsam wieder eine Tiefe mit dem Kunden aufbauen, die dazu führt das „Warum“ und nicht das „Was“ von ihm zu erfahren.
Daraufhin lässt sich in einem schönen Storytelling und einer sauberen Nutzenargumentation bezogen auf den Kunden ein schönes Bundle erzeugen, welches er gerne unter diesen Umständen vielleicht mitnimmt. Wichtig wie gesagt. Ein Cross-Sell wie in diesem Fall verkauft sich nicht über das Angebot dieser weiteren Ware, sondern darüber, Lösungen zu bieten für die Herausforderung des Kunden. Der Punkt ist letztendlich:
Nicht der Preis entscheidet!
Der Preis entscheidet in den seltensten Fällen, ob ich das Produkt kaufe oder nicht. Doch für die Umsetzung dieser Erkenntnis braucht es mehr, als der Konkurrenz nacheifern. Dazu gehört ein Commitment der Führung und der Verkaufsmannschaft zu neuen Wegen, den eigenen Produkten, zu den Preisen und zu der Fähigkeit, diese auch zu dem angebotenen Wert verkaufen zu können.
Dafür ist ein solides Verkaufstraining auf eine etwas andere Art unumgänglich. Weit weg von Einwandbehandlungen und Symptombeseitigung hin zu echter verkäufersicheren Tiefe auf Augenhöhe mit dem Kunden. Das geht nicht von heute auf morgen, aber die Rabattschlachten werden am Ende deutlich mehr kosten.
Echte Gründe für eine negative Kaufentscheidung sind mangelndes Vertrauen, Zweifel am Produkt, mangelnde Begeisterungsfähigkeit.
Empathie- und Verkäuferqualität
Sobald das gegeben ist, der Kunde seinen Nutzen erkennt und seine Chance sieht, über das Kapital verfügt und Spaß dabei hat, kauft er und meist ganz gleich für welchen Preis. Die Hauptaufgabe für Unternehmen ist es, ihr Unternehmen gesund zu entwickeln, Mitarbeiter zu fördern und den Kunden hochwertige Produkte und Dienstleistungen auf höchstem Niveau mit Begeisterung zu bieten.
Alles andere ist Wahnsinn und wird die Welt des Mittelstandes immer noch weiter ausdünnen. Eins ist sicher – die Riesen wird’s freuen und dem Mittelstand und Ladenbesitzer wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Lebenswerk irgendwann kosten.
Stefan Rappenglück