06.04.18 – Jil Sander — read English version
Mode für die Jetztzeit
Die Ausstellung ‚Jil Sander.Präsens‘ im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt würdigt die deutsche Design-Ikone.
Die Ausstellung ‚Jil Sander.Präsens‘ im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt würdigt das emblematische Werk der für Purismus und bedingungslose Modernität stehenden deutschen Design-Ikone
Rund 3000 Quadratmeter, also seine gesamte Ausstellungsfläche, bespielt mit eindrucksvollen raumgreifenden Rauminstallationen, widmet das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt der einflussreichsten Modedesignerin Deutschlands, die mit Intelligenz und seismographischer Sicherheit den Geist ihrer Zeit erspürt, Weiblichkeit neu definiert hat, der Inbegriff für Modernität gewesen ist und diese hohe Sensibilität nicht nur in stromliniengerader Mode aus technisch weit entwickelten Materialien übersetzt, sondern damit auch Modefotografie, Produktdesign, Architektur und Gartenkunst beeinflusst hat. So ist die Ausstellung in eben diesen vielfältigen Themenbereichen gegliedert. Zudem wird dem Besucher Zugang „behind the scenes“ gewährt.: Im „Atelier“ erhält er Einblicke in die intensive Materialrecherche und Stoffentwicklung der Designerin, und im Backstage-Raum schaut er dank eindringlicher Video-Aufnahmen hinter den Kulissen einer Modenschau und kann daran erkennen, was für eine intensive Vorbereitung und Arbeit hinter der Professionalität steckt.
Dass Jil Sanders Visionen dank einer Zusammenarbeit mit prominenten, ihre Philosophie zum Ausdruck bringenden Künstlern in Perfektion verwirklicht werden konnten, wird in der Ausstellung eindrucksvoll demonstriert: Es sind die Klänge des Musikers Frédérick Sanchez in den Räumen zu hören, der die Musik ihrer Defilees schuf, und ikonische Kampagnefotografien solcher bedeutender Modefotografen wie Peter Lindbergh, Irving Penn, Nick Night, Mario Sorrenti läuten einen eigenständigen, nach innen gekehrten Stil ein.
„What interests me is the new, the emerging. - Mich interessiert das Neue, das erst kommt.“
Die Ausstellung zeigt Exponate aus verschiedenen Schaffensperioden der Designerin. Diese sind jedoch so inszeniert und haben eine solche zeitgemäße Formsprache und Ausdruckskraft, dass sie den Betrachter sofort in das Hier und Jetzt führen – oder, dank der sich mit dem in gleichen Mustern „bekleideten“ Raum verbindenden Kleidern mit All-Over-Mustern des italienischen Künstlers Alighiero e Boetti – direkt in die Zukunft beamen.
Minimalismus, Purismus, Androgynität, Schlichtheit – das sind die Begriffe, die genauso wie der Einfluss durch die Bauhaus-Philosophie der klaren Linie und die Modernität der neuen Sachlichkeit den Jil-Sander-Stil ausmachen: ein „Weniger ist mehr“ („Less is more“), das für eine leise Weiblichkeit, sophistizierte Formen und ein Understatement-Luxus steht, der auf innovative Schnitt-, Web- und Verarbeitungstechniken beruht. Im Fokus steht immer das Material, ob als aus Japan importierte High-Tech-Gewebe, dreidimensionale formgebende Stoffe wie Neopren oder eigens mit italienischen Textilproduzenten entwickelte Stoffe mit skulpturaler Formbarkeit. Jil Sander ist insofern auch eine ästhetische Revolutionärin der Mode, als dass sie Funktionalität, Praxistauglichkeit und Bequemlichkeit der Kleidung der berufstätigen Frau in den Vordergrund rückt.
Mit ihrer visionären kreativen Gestaltungskraft, ihrem Gespür für die Jetztzeit ist es Jil Sander gelungen, nicht nur eine international erfolgreiche Luxusmarke aufzubauen, sondern den ästhetischen Erwartungen eines sich verändernden Gesellschaft gerecht zu werden. So ist, ihren eigenen Worten zufolge, „wer Jil Sander trägt, … nicht modisch, sondern modern“.
Neli Mitewa