27.11.17 – Interview: Wie wichtig ist Europa für Bangladesch? — read English version

Ein Gespräch mit Mostafiz Uddin, Geschäftsführer von Denim Expert Ltd.

Mostafiz Uddin setzt sich für Nachhaltigkeit und soziale Standards in Bangladesh ein. Nun war er in Europa unterwegs um für sein Anliegen zu werben.

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Mostafiz Uddin plädiert für faire Kooperationen! Das heißt: Partnerschaft und gemeinsames Wachstum, gegenseitiger Respekt, Zusammenarbeit in der Lösungsfindung und Erfüllung gemeinsamer Verantwortungen gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt, Teilen der Ressourcen, aber auch der Herausforderungen, langfristige Verpflichtung und Stabilität © Denim Expert

 
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Bangladesch ist ein Land voller beherzter und lebensfroher Menschen © Denim Expert

 
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Uddins Ziel ist es, das Bewusstsein der Käufer und der Denim-Gemeinschaft für das Potential Bangladeschs in der Denim-Industrie zu schärfen.

tn: Was ist die Idee/das Ziel dieser Reise?

Mostafiz Uddin: Mein Hauptanliegen ist es, für Bangladesch zu werben und unsere Denim-Industrie vorzustellen. Bangladesch ist zwar in allem Munde, aber nur wenige verbinden unser Land mit Denim. Deshalb suche ich den persönlichen Kontakt, weniger um über das Geschäft zu reden, sondern um Bewusstsein zu schaffen. Außerdem ist seit Jahren meine Aufgabe, die Welt der Jeans-Mode zu vernetzen, was mich eben auch nach Europa bringt. Natürlich möchte ich auch alle herzlich zu der 7. Denim Expo in Bangladesch vom 8.-9. November 2017 einladen.

tn: Welche Eindrücke/Einsichten nehmen Sie aus Europa mit?

Mostafiz Uddin: Mir ist aufgefallen, dass die Menschen, die ich in Europa getroffen habe, sehr beeindruckt von dem Fortschritt Bangladeschs in Sachen Sicherheit am Arbeitsplatz und Nachhaltigkeit sind. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für uns am europäischen Markt, wenn wir mehr Werbung über unsere Erfolge und Stärken betreiben. Im Denim-Bereich sind Jeans „Made in Bangladesch“ das meistverkaufte Produkt und wir arbeiten daran, unsere Wertschöpfungskette auszubauen. Bangladesch wird immer mehr in einem andern Licht wahrgenommen.

tn: Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit europäischen Geschäftskunden?

Mostafiz Uddin: Wie ich bereits erwähnt habe, ist Europa der größte Abnehmer für unsere Denim-Produkte. Die meisten und größten Kunden aus dem Bekleidungsbereich, die Waren aus Bangladesch beziehen, kommen aus Europa. Darüber hinaus pflegen wir sehr gute und verlässliche Beziehungen mit europäischen Geschäftspartnern, die sich in ihrem Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Bekleidungsindustrie widerspiegelt. Europa ist also ein wertvoller Partner für unseren Fortschritt. Als Denimhersteller geht der Großteil meines Exports nach Europa. Ich arbeite eng mit einigen europäischen Marken zusammen und die Wertschätzung dieser guten Beziehungen ist auf beiden Seiten zu spüren. Besonders dieser partnerschaftliche Zugang, der gegenseitige Respekt und die Qualität der Beziehung mit europäischen Kunden inspirieren mich in meiner Arbeit.

tn: Gibt es Ihrer Meinung nach Vorbehalte gegen Bangladesch als Herstellerland, die nicht gerechtfertigt sind?

Mostafiz Uddin: Obwohl Bangladeschs Bekleidungsindustrie einen Paradigmenwechsel bezüglich Arbeitssicherheit erfahren hat, sind die Nachrichten dieses Wandels nicht bis an die Kunden durchgedrungen. Bangladeschs Ruf ist oft noch vom Einsturz des Rana Plaza geprägt. Die Industrie vor und nach dem Vorfall ist wie Tag und Nacht. Bangladesch ist heute wahrscheinlich einer der weltweit transparentesten und saubersten Bekleidungshersteller. Darüber hinaus legt die Bekleidungsindustrie neben Sicherheit auch immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit.

tn: Wie würden Sie Bangladesch beschreiben?

Mostafiz Uddin: Allem voran ist Bangladesch ein Land voller beherzter und lebensfroher Menschen. Seit der Unabhängigkeit 1971 gilt unser Land heute als eine der weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaften. 65 % der Bevölkerung sind zwischen 18-35 Jahre alt und diese junge Generation treibt unsere Wirtschaft und Produktionskapazitäten stark voran. Des Weiteren hat Bangladesch ein reiches kulturelles Erbe zu bieten und das Volk ist für seine herzliche Gastfreundschaft bekannt. Dhaka ist zwar dicht gedrängt, aber darum herum befindet sich eine immergrüne Oase aus malerischer Landschaft durchzogen von Flüssen und Seen.

tn: Können Sie uns einen kurzen Einblick in das Leben von TextilarbeiterInnen geben?

Mostafiz Uddin: Der Mindestlohn für BekleidungsarbeiterInnen ist 67 US$. Das ist der Lohn, den ArbeiterInnen für einen Einstiegsjob ohne Kenntnisse oder Fähigkeiten bekommen. FacharbeiterInnen verdienen durchschnittlich 120 US$. Der Arbeitstag beträgt acht Stunden. Arbeitsrechtlich können jedoch bis zu maximal vier Überstunden bei doppelter Bezahlung pro Tag hinzukommen, vorausgesetzt die ArbeiterInnen geben ihr Einverständnis. Darüber hinaus besteht Anspruch auf einige Zuschüsse, wie 2 Feiertags-Bonusse jedes Jahr, verpflichtend mindestens 5 % Lohnerhöhung und einen Sozialfonds, der Unfall- und Lebensversicherung abdeckt. Die Regierung arbeitet übrigen auch an einer Gesundheitsversicherung für ArbeitnehmerInnen.

Das Arbeitsrecht gewährleistet auch, dass Bekleidungsbetriebe mit 5.000 ArbeiterInnen oder mehr medizinische Versorgung mit einer ausreichenden Anzahl an ÄrztInnen und medizinischem Personal in der Fabrik bereitstellen müssen. Kleinere Betriebe sind angehalten, den ArbeiterInnen adäquate Versorgung durch Gesundheitszentren in industriellen Clustern zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren betreiben Bangladeschs Bekleidungshersteller und Exportvereinigungen landesweit zwei Krankenhäuser und 12 Ärztezentren für TextilarbeiterInnen.

tn: Wie können europäische Kunden auf die Arbeitsbedingungen in Bangladesch Einfluss nehmen?

Mostafiz Uddin: Es herrscht zwar auf jeden Fall ein größeres Bewusstsein über die Arbeitsverhältnisse in Herstellerländern bei europäischen Kunden als früher, doch bedarf es auch der Bereitschaft, etwas mehr für Kleidung, die ethisch, transparent und nachhaltig hergestellt wird, zu bezahlen. Selbst ein paar Cent mehr können sich schon enorm auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auswirken und den Lohn der Textil- und BekleidungsarbeiterInnen entlang der Lieferkette erhöhen. Wenn man sich die makroökonomischen Aspekte von Herstellerländern wie Bangladesch, das lange Zeit wie ein Handelsgut behandelt und unterdrückt wurde, ansieht, sollten europäische Konsumenten die Erfahrung und Kapazitäten von Herstellern in Bangladesch nutzen, um Design- und Innnovationsmöglichkeiten auszubauen und somit die Lebensqualität unserer ArbeiterInnen zu verbessern. Mein Unternehmen Denim Expert Ltd. ist ein gutes Beispiel für dieses Geschäftsmodell. Je mehr Anerkennung diesen innovativen Produkten zukommt, desto weiter kann Bangladesch in Richtung Nachhaltigkeit und einen höheren Lebensstandard rücken.