07.08.20 – Nachhaltige Alternativen in der Fashionbranche

Neonyt: All you need is air

Wegwerfkultur, Verpackungsflut, Luftverschmutzung: Fast Fashion ist eine der größten Umweltbelastungen. Es ist Zeit, die Praktiken zu überdenken.

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Hessnatur produziert in Deutschland und weltweit faire Textilien. Bei der Färbung von Stoffen werden Materialien eingesetzt, die Mensch und Natur nicht schaden. © Hess Natur-Textilien

 
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Lisa Jaspers, Gründerin des Fair Fashion-Labels Folkdays und Initiatorin der Petition #fairbylaw. © Studio36 GmbH

 
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Nach dem Leitthema Wasser in 2019 hat die Neonyt für dieses Jahr das Leitthema Luft gewählt. Bei der Corona bedingten virtuellen Sommerausgabe „Neonyt on Air“ diskutierten Experten über nachhaltige Alternativen in der Branche. Digitale Tools standen dabei im Mittelpunkt.

Luft heißt Leben

10.000 bis 20.000 Liter – so viel Luft atmet jeder Mensch täglich ein und aus. Die massenhafte Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass der Anteil von Kohlenstoffdioxid in der Luft deutlich gestiegen ist. Die Natur kommt nicht mehr hinterher. Das sorgt nicht nur für eine schlechtere Luftqualität, sondern auch zu der Erwärmung der Atmosphäre. Die Textilindustrie verursacht zehn Prozent des globalen CO2-Ausstoßes – das sind 1,7 Mrd. t CO2 im Jahr. Die Branche trägt so auch einen Teil zum Klimawandel bei. Um so wichtiger ist es, dass sie Teil der Lösung wird.

On Air 2020 hat die Neonyt, der internationale Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation, „Luft“ zum Leitthema gemacht. Es wurde gebrainstormt, diskutiert und sich ausgetauscht. Dabei ging es unter anderem um die Suche nach Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit, wie z. B.:

  • Wie kann die Textilbranche ihren Carbon Footprint senken?
  • Welche Alternativen gibt es? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Vom 13. bis 17. Juli 2020 kamen Experten der Branche auf den Social-Media-Kanälen der Neonyt und des internationalen Konferenzformates Fashionsustain zusammen und zeigten, dass Veranstaltungsverbote kein Hindernis für die Vernetzung der Modebranche sein müssen. Business, Lifestyle und neue Technologien – darüber wurde bei „Neonyt on Air“ in Live-Interviews, Podiumsdiskussionen und Statements gesprochen.

The Brand Show Circular

„Digitalisierung wird in der Modebranche genauso selbstverständlich werden wie Nachhaltigkeit“, sagte CEO und Gründer von The Brand Show Circular Saydou Bangoura in einer Talkrunde der Neonyt on Air. The Brand Show Circular ist eine B2B-Marketing- und Orderplattform, die sich auf nachhaltige Mode fokussiert. Weniger Flugreisen, weniger Quadratmeter, weniger CO2: Brands können ihre Mode in digitalen Showrooms präsentieren, sich mit Kunden austauschen und Bestellungen aufnehmen. Die Zusammenarbeit der Neonyt mit The Brand Show Circular ermöglichte den Ausstellern die Nutzung aller digitalen Services der B2B-Orderplattform und half ihnen, die Corona bedingte Veranstaltungspause zu überbrücken.

Browzwear

Digitale Tools werden zukünftig dabei helfen, Qualität und Nachhaltigkeit von Mode zu fördern. Designs und Produktionsmengen sollen stärker am tatsächlichen Kundenbedarf orientiert sein. Wie das aussehen kann, zeigt das Unternehmen Browzwear, das sich auf 3D-Lösungen für Bekleidungsdesigns spezialisiert hat. „Die letzten Monate haben gezeigt, dass die digitale Transformation keine Wahl, sondern für modebezogene Unternehmen unerlässlich ist“, sagte Avihay Feld, Mitbegründer von Browzwear. Dort arbeitet man daran, digitale Zwillinge zu erschaffen, über die Mode online passgenau anprobiert werden kann. Mit Avataren, die die exakten Körpermaße der Kunden haben, soll Onlineshopping effektiver werden. Weniger Bestellungen bedeuten schließlich auch weniger Transporte und Rückversand und damit einen geringeren CO2-Ausstoß.

Hessnatur

„Wir sind überzeugt, dass wir für eine gesunde und nachhaltige Zukunft vor allem eins brauchen: Dass Mensch und Natur im Einklang leben“, sagte Kristin Heckmann, Head of Corporate Responsibility bei Hessnatur, in einer Talkrunde der Neonyt on Air. Ein Credo, das in der Beauty- und Modebranche bisher noch nicht von allen gelebt wird. Corona hat die Anfälligkeit globaler Lieferketten und die damit verbundenen Folgen dramatisch aufgezeigt: Durch die Pandemie haben tausende Textilarbeiter in Produktionsländern über Nacht ihre Arbeit verloren, weil Modeunternehmen ihre Aufträge stornierten. Diese wiederum blieben teilweise auf bereits produzierten Kollektionen sitzen, die schließlich weggeworfen bzw. entsorgt werden mussten.

#fairbylaw

In einem Live-Talk bei Neonyt on Air stellte die Gründerin des Fair Fashion-Labels Folkdays, Lisa Jaspers, die von ihr initiierte Petition #fairbylaw vor. Seit zwei Jahren fordert sie, dass Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihre Lieferketten zu kontrollieren. Bisher müssen Textilunternehmen keine Angst vor einer Strafverfolgung für ihre Geschäftspraktiken im Ausland haben. Ein solches Gesetz würde Unternehmen dazu anhalten, bereits im Vorfeld Missstände aufzuklären und vorzubeugen. „Ein Gesetz wäre ein Anfang. Es würde die Situation hervorbringen, in der Unternehmen wieder darüber nachdenken müssen, wie sie eigentlich produzieren. Das haben sie die letzten fünf bis zehn Jahre nicht getan“, erklärt Lisa Jaspers.

„Together now and here“

Die nächste Neonyt wird vom 19. bis 21. Januar 2021 ein letztes Mal in Berlin stattfinden, bevor sie ab Sommer 2021 Teil der Frankfurt Fashion Week sein wird. Unter dem Motto „Together now and here“ soll die Winterausgabe in Berlin das Comeback der physischen Messe feiern. Im Sommer wird sich bei der Frankfurt Fashion Week dann alles um die beiden tragenden Säulen „Applied Digitisation“ und „Applied Sustainability“ drehen.

Olaf Schmidt, Vice President Textile and Textile Technologies bei der Messe Frankfurt:

„Durch die FFW sollen nachhaltige Innovationen für den breiten Markt zugänglich gemacht werden, um Konzernen die Möglichkeit zu geben, ihre bisherige Arbeit zu zukunftsorientierten Lösungsansätzen vorzustellen.“

Digitale Plattformen könnten in den nächsten Jahren die ein oder andere Flugreise zwischen Lieferanten und Käufern ersetzen, virtuelle Ankleiden die Online-Shoppingwelt von morgen prägen. Der faire und bewusste Umgang mit Ressourcen und Arbeitskräften ist das, was die Modebranche jetzt braucht.

Sarah Malik