29.06.18 – Heimtex — read English version
Autsch! Das brennt schnell auf den Nägeln
Wer beim Thema Arbeitssicherheit schludert und erwischt wird, kommt heute nicht mehr mit einem blauen Auge davon!
Dem Thema Arbeitssicherheit widmen die Berufsgenossenschaften (BG) der Textilindustrie seit einem aufsehenerregenden Arbeitsunfall mit tödlichem Ausgang im Jahr 2005 besondere Aufmerksamkeit. Gleichwohl nehmen viele Unternehmer das Thema nicht ernst. Solche, die nicht einmal die Grundzüge der erforderlichen Maßnahmen umgesetzt haben, kommen aber jetzt definitiv nicht mehr ungeschoren davon, wenn sie erwischt werden, was ein aktuelles Beispiel zeigt. Zu Ende des vorletzten Jahres wurden einem Hersteller von Heimtextilien sage und schreibe 400 Stunden für die Betreuung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit für das Jahr 2017 auferlegt und nur mit einem enormen Aufwand und persönlichem Engagement vieler Beteiligter konnten die Vorgaben der BG erfüllt werden. Von der Erhebung von Zwangsgeldern wurde vor dem Hintergrund des entfalteten Engagements abgesehen.
Nach Arbeitsunfall können Regress und Strafverfahren drohen
Zudem droht dem Unternehmer in Fällen, in denen gesetzliche Pflichten grob missachtet wurden, die erhebliche Gefahr, für Heilbehandlungen und Rentenzahlungen nach Arbeitsunfällen vollständig in Regress genommen zu werden. In einem hierzu passenden Fall hatte der Unternehmer nach einer Verpuffung im Anschluss an einem Bitumenanstrich in einer Tiefgarage 53.000 Euro an bereits geleisteten Heilbehandlung zu erstatten zuzüglicher aller zukünftig noch erforderlichen Therapiekosten und der folgenden Berufsunfähigkeitsrente des Arbeitnehmers, und zwar bis an dessen Lebensende (des Arbeitnehmers oder des Unternehmers, je nachdem wer zuerst verstirbt). Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen droht dem Unternehmer auch immer eine strafrechtliche Verurteilung, die je nach Höhe als „Vorstrafe“ gilt.
Da der Umsetzungsgrad in der Textilindustrie langsam aber sicher steigt, steigen auch die Ansprüche der BGs, soweit die schlechte Nachricht. Sofern Unternehmer hier eine vollständig offene Flanke haben, können sie aber durch schnelles und zielgerichtetes Handeln zeitnah die ganz großen Gefahren in den Griff bekommen.
Schnelles und planvolles Handel führen aus der größten Gefahrenzone
Als allererste Maßnahme sollte eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt werden (für das Unternehmermodell bei Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern fehlt dem Unternehmer die Zeit für die erforderliche Fachkundeausbildung!). Um den Umfang der erforderlichen Maßnahmen abschätzen zu können, sollte die Fachkraft für Arbeitssicherheit direkt nach ihrer Bestellung eine Betriebsbegehung vornehmen, die für die BG und die anschließende Maßnahmenpriorisierung mit Text und Fotos ordentlich dokumentiert werden muss. Im nächsten Schritt sollte die Dokumentationsstelle mit den Ordnern für Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanleitungen und Unterweisungen angelegt werden, auch wenn die Ordner – bis auf das Begehungsprotokoll – noch leer sind.
Bevor mit der aufwändigeren Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen begonnen wird, sollte dann noch die erforderliche Beschilderung angebracht (Gehörschutz, Sicherheitsschuhe, Schutzbrille etc.), Verbandkästen mit Verbandbuch ausgestattet und die aushangpflichtigen Arbeitsgesetze ausgehängt werden. Erst hiernach sollte mit ausgewählten Gefährdungsbeurteilungen begonnen werden. Dabei gilt lieber die drei fertig, als alle nur angefangen. Priorisieren Sie auch hier, und zwar nach Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Unfalls und dessen Schwere bzw. Folgen. Für die weiteren Gefährdungsbeurteilungen sollte es eine „To do-Liste“ geben. Bevor diese dann aber vollständig abgearbeitet wird, empfiehlt es sich, zunächst noch ein Gefahrstoffkataster anzufertigen, denn einerseits liegt es in der Natur der Gefahrstoffe gefährlich zu sein, zum anderen liegt auch das Kataster gerne im Fokus der Begehung durch die BG.
Danach sollte – ggf. mit externer Unterstützung – ein System im Unternehmen implementiert werden, das die kontinuierliche Umsetzung der Anforderungen der Arbeitsgesetzgebung sicherstellt. Wir empfehlen, das Thema Arbeitssicherheit als ein eigenes Unternehmensziel zu definieren, schließlich ist die Gesundheit der Mitarbeiter ein hohes Gut, die darüber hinaus maßgeblich zur Bruttowertschöpfung eines Unternehmens beiträgt.
Wenn es eng wird mit der Umsetzung der Arbeitssicherheit: Prioritäten richtig setzen!
1. Geeignete Person zur Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellen, soweit gesetzlich gefordert,
2. Betriebsbegehung durchführen, protokollieren und Maßnahmenliste mit Priorisierung erstellen,
3. Ordner für Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanleitungen und Unterweisungen anlegen,
4. Erforderliche Beschilderung anbringen (Gehörschutz, Sicherheitsschuhe, Schutzbrille etc.), Verbandkästen mit Verbandbuch ausstatten, Aushang der aushangpflichtigen Arbeitsgesetze,
5. Gefährdungsbeurteilungen zunächst für die drei Arbeitsplätze mit den statistisch meisten Unfällen bzw. mit dem höchsten offensichtlichen Gefährdungspotenzial erstellen und entsprechende Unterweisungen durchführen und dokumentieren,
6. Gefahrstoffkataster erstellen.
Danach muss ein ordnungsgemäßes Verfahren etabliert werden, das die regelmäßige Befassung in den jeweiligen Gebieten sicherstellt.
von Martin Auerbach, Hauptgeschäftsführer Heimtex