30.04.15 — read English version
BB Engineering: Nachhaltige Leistung
Ohne Polyester-Fasern geht in der textilen Welt nichts mehr. Weil die Faserproduktion immer weiter zunimmt, wird die Nutzung gebrauchter Rohstoffe wichtiger. Allerdings ist das Verspinnen von gehexelten PET-Flaschen tückisch. Mit der VarioFil R+ hat der Maschinen- und Anlagenbauer BB Engineering viele Herausforderungen gelöst und gleichzeitig eine kompakte Spinnmaschine entwickelt, die für Nischenmärkte gedacht ist.
Weltweit nimmt der Bedarf an Textilfasern zu. Die Produktionsmenge steigt jährlich weiter und erreichte in 2013 erstmals ein Niveau von über 90 Millionen Tonnen. Die Nachfrage wird vor allem durch Chemiefasern gedeckt, die mit 54,4 Millionen Tonnen zu Buche schlagen (2013). Unter ihnen nimmt wiederum Polyester mit 74% den Spitzenplatz unter den Chemiefasern ein. Deren Produktion erfolgt zu einem erheblichen Teil in China, von wo sie überwiegend zu Bekleidung und Heimtextilien verarbeitet und anschließend rund um den Globus gehandelt werden. Zur Deckung des Massenmarkts werden entsprechend groß dimensionierte Spinnmaschinen benötigt, die - je nach Anlage - täglich bis zu 600 Tonnen Polyesterfasern produzieren können.
Ganz anders stellt sich der Fasermarkt in Europa dar. Er wird schön längst nicht mehr durch Commodities, sondern durch Sonder- und Spezialanwendungen für technische Textilien bestimmt. Dementsprechend werden von den Spinnanlagenherstellern hochflexible Maschinen mit kleineren Produktionsmengen verlangt. Diese sollen außerdem mit Recyclingmaterial befahren werden können, denn die gebrauchten Rohstoffe sind ein wichtiger ökonomischer Faktor. Abgesehen davon gehört Wiedergewinnung zu einer guten Nachhaltigkeitspraxis – unabhängig davon, ob sie politisch gefordert oder eine freiwillige Leistung auf Unternehmensseite ist.
Von der Weiterverwendung gebrauchter Materialien kann vor allem die Polyesterfaserindustrie profitieren, der weltweit jährlich etwa 8,2 Millionen Tonnen gebrauchter PET-Getränkeflaschen zur Verfügung stehen. Damit diese ihr zweites Leben als textile Faser antreten können, müssen die Flaschen einen aufwändigen Prozess durchlaufen. Sie werden sortiert, zu Flakes zerkleinert, gewaschen und getrocknet.
Für die Herstellung von extrusionsfähigen Chips werden sie teilweise unter Aufbringung hoher thermischer Energie erneut aufgeschmolzen. Es ist aber gerade dieser letzte Prozessschritt, der dem Material einen Teil seines ökonomischen und ökologischen Nutzens nimmt. Aus nachhaltiger Sicht ist es deutlich sinnvoller, wenn die Vorprodukte für das Ausspinnen zu Fasern genutzt werden könnten. Darüber hinaus sind sie in Europa etwa 20% preiswerter als PET und rPET-Chips.
Allerdings stellen die Flakes gewisse Anforderungen an ihre Aufbereitung und die Verarbeitung. Bisher mangelt es ihnen noch an einer hohen Schüttdichte und einer guten „Förderfähigkeit“, die für die Transportvorgänge in einer Spinnanlage wichtig sind. Auch die Reinheit der ehemaligen Flaschen ist noch nicht ausreichend gelöst, weshalb die Spinnschmelzen vor dem Ausspinnen der Fasern einer sehr feinen Filtration unterzogen werden müssen.
Das wiederum stellt die Anlagenbauer vor besondere Herausforderungen: aufgrund der von den Flakes eingeschleppten Verunreinigungen müssen die eingebauten Filter etwa alle 2 Wochen gereinigt werden. Mit den herkömmlichen thermischen oder mechanisch-chemischen Methoden dauert dieser Vorgang etwa 24 Stunden. Für die auf Flexibilität und Schnelligkeit angewiesenen Spinnereien ist das eine bittere Pille. Aber sie müssen sie nicht mehr schlucken.
Der BB Engineering aus Remscheid ist es gelungen, die Filterreinigung auf vier Stunden zu verkürzen. Der ausbaubare Filter wird bei 265°C heißem Dampf ohne Zusatz von Chemikalien rückstandsfrei gereinigt und ist anschließend wieder einsetzbar. Eingebaut ist er in der jüngsten Spinnanlagengeneration VarioFil R+, einer kompakten Spinnmaschine, die speziell für das Verarbeiten von rPET-Flakes und –Chips zugeschnitten ist.
Ihre Produktionsleistung liegt bei etwa 500 kg halbverstreckter Polyestergarnen (POY – pre-oriented yarn), die bei Bedarf auch spinndüsengefärbt werden können. Dann werden Flüssigfarben im Spinnprozess zudosiert und in die Schmelze eingearbeitet. Dadurch sind die Hersteller nicht mehr auf Masterbatches angewiesen, die zwischen zwei und fünf metrischen Tonnen farbiger Filamente ergeben. Es wird also künftig möglich sein, den Markt mit kleineren Mengen bunter rPET-Filamente zu versorgen und damit die Nachhaltigkeit der synthetischen Fasern weiter zu verbessern.
Nun wurde die erste VarioFil R+ einem ausgewählten Publikum vorgestellt a. Anlass war das Open House Event der BB Engineering in Remscheid am 21. Januar 2015. Zu dem Event, deren Höhepunkt eine Live-Vorführung der Anlage war, hatte das Unternehmen 130 Kunden aus Europa, dem Vorderen Orient und Asien eingeladen. Nach einführenden Vorträgen, die den Herausforderungen bei der Faserherstellung von rPET gewidmet waren, ging es direkt zu der Anlage, die vor den Augen der Gäste spinndüsengefärbte, schwarze POY-Polyesterfaser (150 Denier, 48 Filamente – 150f48) aus rPET-Flakes produzierte. Anschließend wurden sie in einer Anlage von Oerlikon Barmag zusätzlich texturiert.
Die Gäste hatten außerdem Gelegenheit, spezielle technische Lösungen – darunter das Filterreinigungssystem (White Filter Cleaning) und die Umwicklungstechnologie WINGS von Oerlikon Barmag – Vor Ort zu inspizieren. Rege Gespräche zwischen den Teilnehmern und den Mitarbeitern von BB Engineering sowie Oerlikon lassen darauf schließen, dass die VarioFil R+ den Zeitgeist trifft. Immerhin verspricht die Anlage die Produktion kleinere Chargen qualitativ hochwertiger Fasern mit und ohne Farbzusatz aus preiswerteren Rohstoffen in kurzen Rüstzeiten. Mehr Flexibilität kann eine Spinnanlage wohl kaum bieten.
[ www.bbeng.de]
[Sabine Anton-Katzenbach]
BB Engineering ist ein 1997 gegründetes Joint Venture zweier Weltmarktführer: Der Spinnanlagenhersteller Oerlikon Barmag (Remscheid) und der Hersteller von Filmfertigungsanlagen, Brückner Group (Siegsdorf), halten jeweils 50 Prozent der Anteile. Das Unternehmen ist auf Extrusionstechnologie und die Herstellung von Kompaktspinnanlagen des Typs VarioFil (ehemals Barmag) spezialisiert. Zum Angebot gehören außerdem Dienstleistungen wie die Entwicklung von Sondermaschinen oder Auftragsarbeiten für komplette Baugruppen. Insgesamt beschäftigt der Maschinen- und Anlagenbauer 120 Mitarbeiter (2013) und erwirtschaftete in demselben Jahr 35 Millionen Euro Umsatz.