15.05.20 – Vom Saatgut bis zum fertigen Textil — read English version

Remei AG: Es geht nur gemeinsam

Die Remei bietet eine komplett nachhaltige Lieferkette für Bio-Baumwolle. Interview mit Marion Röttges, Co-CEO von der Remei AG zur Corona-Pandemie.

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Marion Röttges, Co-CEO Apparel & Communication der Remei, über unternehmerische Verantwortung, die Bedeutung von Kooperationen für sinnvolle Wertschöpfungsketten und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. © Remei AG

 
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Marion Röttges bei einem Besuch des Partnerunternehmens Century in Tirupur, Indien. Remei formt ein Netzwerk für ein Wirtschaften, das den Respekt vor der Würde des Menschen und die Achtsamkeit im Umgang mit der Natur der wirtschaftlichen Rendite gleichberechtigt gegenüberstellt. © Remei AG

 
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textile network: Geschlossene Läden, gestoppte Produktionen, unterbrochene Lieferketten: Corona erschüttert die Branche. Wie ist das bei der Remei?

Marion Röttges: Wir befinden uns in einer Art „Sandwich“- Position: Wir sind zeitgleich von der Schließung der Handelshäuser unserer B2B-Partner und vom Stillstand der Fabriken unserer Produktionspartner in Indien in Folge von Ausgangssperren betroffen. Wir sehen aber ein großes Miteinander und einen sehr kooperativen Austausch mit unseren Partnern. Das trägt uns und unsere Vorstellung einer nachhaltigen Form des Wirtschaftens.

textile network: Sie verfolgen den sogenannten All-Holder-Value-Ansatz. Was kann man sich darunter vorstellen?

Marion Röttges: Bei Herstellung und Handel muss es ein Gleichgewicht zwischen Sozialem, Ökologie und Ökonomie geben. Praktisch übersetzt heißt das, dass alle bioRe-Partner füreinander denken und arbeiten. Das ist eine Verantwortung, der wir uns stellen wollen – auch in der Corona-Krise.

textile network: Welche neue Rolle kommt dieser Verantwortung seit dem Ausbruch des Coronavirus zu?

Marion Röttges: Sie wird konkreter: Wir haben schnell begonnen, Informationen von den Produktionsstätten einzuholen und mit unseren Stakeholdern zu teilen. Wir haben die echte Nähe zu unserer vollständigen Lieferkette und wollen wissen, wie es unseren Partnern und Bauern geht. In Tansania spitzt sich das Risiko bei den Bauern in Hinblick auf die Lebensmittelversorgung und einen möglichen Lockdown zu. Außerdem wurde die Versammlungsfreiheit eingeschränkt und bioRe Tanzania Ltd. sucht nach Lösungen, wie der Aufkauf der Baumwolle im Mai stattfinden kann. In Indien soll im Mai die Baumwollaussaat beginnen, es gibt aber eine landesweite Ausgangssperre. Hier sind wir im ständigen Austausch mit bioRe India Ltd., die versuchen sicherzustellen, dass die Bauern genügend Saatgut erhalten können, um den landwirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen.

textile network: Kooperation ist ein wichtiger Teil des Remei-Modells. Wie könnten sinnvollere kooperative Wertschöpfungsketten generell aussehen?

Marion Röttges: Richtig, für uns im Bereich Bio-Baumwolle sind faire Handelsbeziehungen eine tragende Säule. Unsere B2B-Partner sind nicht zufällig bei uns: Sie verstehen den Ansatz und ihre Rolle darin und haben großen Anteil an unserem Erfolg. Partnerschaften sind der Schlüssel für die Zukunft, wenn man nachhaltig Textilien produzieren will: Es braucht Experten, die zusammen an nachhaltigen Lösungen arbeiten, und Entscheidungsträger, die sich einer Sache verschreiben und dieses Ziel dann gemeinsam verfolgen. Das hat sich auch bei der Greenpeace Detox-Kollektion gezeigt: eine Herausforderung, bei der alle Partner zusammengearbeitet haben, und für uns ein großer Meilenstein.

textile network: Aktuell werden die saisonalen Rhythmen der Modebranche kritisch hinterfragt. Es wird unter anderem diskutiert, eine Saison auszusetzen oder Liefertermine zu verschieben. Was macht die Remei und was sagen Ihre Handelspartner?

Marion Röttges: Es ist gerade zu viel Ware im Markt. Im Sinne der Nachhaltigkeit und der vorhandenen Textilressourcen muss eine sinnvolle Regelung gefunden werden. Die Herausforderung ist also da, beim nachhaltigen wie beim konventionellen Wirtschaften. Von unseren B2BPartnern erlebe ich einen sehr vernünftigen Umgang damit. Wir müssen Lösungen finden, die für alle zumutbar sind. Es gibt nur einen gemeinsamen Weg aus dieser Krise.

textile network: Resilienz – eines der Buzzwords dieser Tage. Sind nachhaltige Unternehmen hier im Vorteil?

Marion Röttges: Davon bin ich fest überzeugt. Unser Wertemodell und seine Sinnhaftigkeit sind unverändert und können auch durch solche Situationen tragen. Entscheidend für unsere Resilienz ist die Verbundenheit in unserem Geschäftsmodell und der Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Außerdem sehen wir die Selbstwirksamkeit bei Remei als große Stärke: Wir wissen, was wir beitragen können. In der Krise beginnen Konsumenten umzudenken und Unternehmen hinterfragen ihre Geschäftsmodelle und Lieferketten. Ich glaube daher, dass unsere Form des Wirtschaftens an Relevanz gewinnen wird. Wir können die Krise natürlich nicht eliminieren, werden aber hoffentlich zeigen können, dass nachhaltige und sinnhafte Geschäftsmodelle resilient (widerstandsfähig) sind und damit weitere Entscheidungsträger im Handel überzeugen können.

Frau Röttges, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Jana Kern.