19.09.19 – Äthiopien — read English version
Wachsende Textilbranche unterstützt Baumwollerzeugung
Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist ein wesentlicher Arbeitgeber und Einkommensquelle in vielen Staaten. In Afrika fehlt es vielfach noch an notwendigen Strukturen.
Aktuell exportieren die baumwollproduzierenden Staaten des subsaharischen Afrikas laut dem International Cotton Advisory Committee bis zu 90 Prozent ihrer Fasern. Der Baumwollverbrauch in dieser Region blieb konstant während der letzten zwei Jahrzehnte. Derzeit sind die wesentlichen baumwollverarbeitenden Länder Äthiopien, Tansania, Nigeria und Südafrika. Laut Zahlen der Weltbank aus dem Zeitraum 2008–2017 erreichte der Export von Textilien und Bekleidung aus Subsahara-Afrika nur einen Anteil von zwei Prozent an den gesamten Exporterlösen, die 2017 rund 212 Mrd. Dollar betrugen.
Bedeutung der Textilindustrie
In den letzten Jahren gab es in der Region Bestrebungen, beispielsweise der Regierung von Äthiopien die Exporterlöse zu diversifizieren. Dazu sollen Schlüsselbranchen gefördert werden, darunter die Textil- und Bekleidungsindustrie. Im Jahr 2012 exportierte Äthiopien Textilien und Bekleidung im Wert von 71,2 Mio. Dollar. Bis 2016 steigerte sich dieser Wert um 32 Prozent auf 94,1 Mio. US-Dollar. Parallel dazu nahm auch der Anteil der Bekleidungs- und Textilexporte am Gesamtexport in diesem Zeitraum von 2,45 Prozent auf 5,46 Prozent zu.
Der Textilsektor ist Teil des äthiopischen Regierungsplans für Wachstum und Transformation, der bereits 2010 veröffentlicht wurde und nun in einer überarbeiteten Version die Ziele bis 2020 umfasst. Ziel des Plans ist die Initialisierung eines Veränderungsprozesses einer momentan auf Landwirtschaft basierenden Wirtschaft. Die Textil- und Bekleidungsindustrie erhält in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung sowohl in sozialer, wie auch in finanzieller Hinsicht: Sie sorgt für Arbeitsplätze und ist eine wichtige Quelle für Devisen.
Größere Inlandsnachfrage
Derzeit kann der äthiopische Baumwollsektor den inländischen Bedarf an Rohfasern zu 70 Prozent decken. Aufgrund des Wachstums der Textilindustrie, unterstützt durch ausländische Investitionen, etwa aus China, Indien und der Türkei, ist ein steigender Baumwollverbrauch in Äthiopien zu erwarten. Nach Angaben der äthiopischen Investitionskommission haben verschiedene ausländische Unternehmen Investitionen in Höhe von etwa 2 Mrd. US-Dollar zugesagt, um den Aufbau von Industrieparks zur Textil- und Bekleidungsfertigung voranzutreiben.
Dem äthiopischen Textilindustrie-Entwicklungsinstitut zufolge sind mindestens ein Dutzend Spinnereiunternehmen geplant, die einen Teil der erwarteten Garnnachfrage abdecken sollen. Zusammen mit den bereits existierenden Spinnereien dürfte damit die jährliche Herstellungskapazität insgesamt 200.000 t Baumwolle erreichen. (Quelle: ICAC)
Leicht steigende Baumwollverarbeitung
Für die Saison 2018/19 prognostiziert der Auslandsdienst des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA/FAS) eine leicht steigende Baumwollverarbeitung von 64.000 Tonnen. Der Anstieg von 4.000 Tonnen gegenüber dem Vorjahr erklärt sich vor allem aus der wachsenden Nachfrage der existierenden sowie neu etablierten Spinnereien und Textilindustrieparks. Der traditionelle Sektor für handgewebte Baumwolle kann voraussichtlich ein klares Wachstum verzeichnen. In diesem Teilsektor wird hauptsächlich Baumwolle verbraucht, die von Kleinbauern erzeugt wird.
Investionen in die Entwicklung
Nach Angaben des USDA/FAS kündigte die äthiopische Regierung auch eine neue Baumwollentwicklungsstrategie an. Das Programm sieht vor, dass Äthiopien innerhalb der nächsten 15 Jahre (2017–2032) mit einer Produktion von 1,1 Mio. t jährlich einer der Topproduzenten von Baumwolle wird. Wesentlicher Teil der Strategie ist es, eine äthiopische Aufsichtsbehörde für Baumwollentwicklung einzurichten, die dafür sorgt, den Baumwollsektor wettbewerbsfähiger zu machen. Vertreter des USDA halten das genannte Produktionsziel in Anbetracht der kurzen Zeitspanne für überambitioniert.
Ausweitung der Baumwollanbaufläche
In der Saison 2019/20 erreicht die Baumwollerzeugung in Äthiopien voraussichtlich 57.000 t. Dies entspricht einer Steigerung von acht Prozent gegenüber der Produktionsschätzung aus dem Vorjahr. Die Prognose beruht auf der erwarteten Ausweitung der Baumwollanbaufläche von 77.000 auf 80.000 Hektar. Da der internationale Preis für Sesam eingebrochen ist, ist es wahrscheinlich, dass Produzenten vor allem aus den nördlichen und nordwestlichen Regionen den Baumwollanbau präferieren. Viele Farmer wechselten bereits zur Baumwollproduktion, da diese höhere Einkünfte verspricht.
Schwierige Marktbedingungen
Trotz einer guten Ernte in der Saison 2018/19, stellt die Verfügbarkeit von Arbeitskräften die kommerziell aufgestellten, privaten Farmunternehmen vor Herausforderungen. Zudem hätte die Baumwollproduktion ein erhebliches Wachstumspotential, wenn die aktuell schwierigen Marktbedingungen im Land verbessert würden. Dazu gehören verlässliche Marktinformationen sowie intakte Vermarktungsnetzwerke zwischen den Markteilnehmern. Diese umfassen die Baumwollerzeuger, also Kleinbauern, industrielle Anbaubetriebe mit großen Flächen sowie genossenschaftlich organisierte Farmer einerseits sowie die Entkörnungsanlagen und die Textilbetriebe andererseits.
Erst kürzlich genehmigte Äthiopien die kommerzielle Nutzung von Bt-Baumwolle, um Erträge und Produktion zu steigern. Auf etwa 800 Hektar ist eine Test-Produktion für die genveränderte Baumwolle vorgesehen.
Quellen: USDA Gain Report Äthiopien 06/2019, ICAC Recorder Ausg. 1/2019