29.03.21 – Nachhaltigkeit: Interview

5 Jahre Siegelklarheit: Wie geht es nun weiter?

Siegelklarheit ist ein Vorhaben der Bundesregierung. Ein Interview mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth.

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textile network sprach mit Dr. Maria Flachsbarth über das Portal Spiegelklarheit. © Thomas Trutschel/photothek.net

 
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Das Portal Siegelklarheit hat sich seit dem Start 2015 gut etabliert und ist für viele Siegel in Deutschland ein wichtiges Aushängeschild. © Siegelklarheit

 

Die Federführung für das Portal Siegelklarheit obliegt dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). textile network sprach dazu mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth.

  • textile network: Die Webseite ist nun ja schon seit fünf Jahren online. Wie zufrieden sind Sie mit der Nutzung?

Dr. Maria Flachsbarth: Mittlerweile gibt es zahlreiche Nachhaltigkeitssiegel auf dem Markt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist es da nicht immer einfach, zu durchschauen, welches Siegel für was steht. Das Internetportal Siegelklarheit bietet Durchblick im Siegeldschungel. Das Portal hat sich seit dem Start 2015 gut etabliert und ist für viele Siegel in Deutschland ein wichtiges Aushängeschild. Wir bekommen häufig Anfragen von Organisationen, die um eine Bewertung auf Siegelklarheit bitten. Diese wird ja auf freiwilliger Basis vorgenommen. Darüber hinaus erreicht uns auch viel positives Feedback sowie konstruktive Kritik aus der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft. Auch Presseanfragen erreichen uns. Das freut uns sehr! Die Reichweite bei Nutzerinnen und Nutzern möchten wir weiter ausbauen. Daher wenden wir uns zukünftig verstärkt an die Öffentlichkeit.

  • textile network: Sie sprechen mit der Webseite/App mehrere Produktgruppen an. Neben Textil auch Lebensmittel, Holz, Natursteine etc. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?

Dr. Maria Flachsbarth: Besonders viele Siegel gibt es in den Produktgruppen Textil und Lebensmittel. Diese Produktgruppen sind auch gleichzeitig die beliebtesten unter den Nutzerinnen und Nutzern der Webseite. Als die Textilfabrik Rana Plaza 2013 einstürzte, war das für viele Verbraucher ein Weckruf. Sie schauten danach genauer hin, wie ihre Kleidung eigentlich hergestellt wird. Natürlich handelt es sich bei Textilien und Lebensmitteln aber auch um die Produkte, die besonders oft und gerne eingekauft werden.

Vor dem Ausbruch der Pandemie haben wir jedoch ein stetiges Wachstum der Besuche beobachtet. Durch Corona haben wir auch auf der Webseite von Siegelklarheit einen gewissen Einbruch der Besuche erlebt. Waren es im vierten Quartal 2019 noch knapp 40.000 Besuche, so konnten wir zur selben Zeit 2020 nur noch um die 33.000 Besuche verzeichnen. Wir wollen in diesem Jahr die Zahl der Besuche auf das vorherige Niveau zurückbringen. Auch bei der App wird es Neues geben: Nutzerinnen und Nutzer können bereits Siegel, beispielsweise für Textilien, scannen und direkt am Handy ablesen, was dahintersteckt. Bald geht das auch bei Lebensmitteln: Dann kann man direkt im Supermarkt die Produkte scannen und sich dann bewusster entscheiden.

  • textile network: Wie garantieren Sie den Usern gegenüber die Aktualität der gelieferten Informationen, insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Nachhaltigkeitssiegels?

Dr. Maria Flachsbarth: Natürlich versuchen wir die Bewertungen so aktuell wie möglich zu halten und stellen uns dazu selbst immer wieder auf den Prüfstand. Derzeit werden die Glaubwürdigkeitskriterien angepasst. Im Gegensatz zu den inhaltlichen Kriterienrastern zu Umwelt- und Sozialaspekten von einzelnen Produktgruppen gelten die Glaubwürdigkeitskriterien für alle Produktgruppen. Sie untersuchen etwa wie verlässlich die Vorgaben eines Siegels eingehalten werden. Die Revision soll die Glaubwürdigkeitskriterien auf ihre Aktualität und Anwendbarkeit prüfen und sicherstellen, dass neue fachliche, gesellschaftliche und politische Entwicklungen abgebildet werden. Da wir auch von den Standardorganisationen erwarten, dass sie ihre Kriterien regelmäßig überprüfen – auch hierzu gibt es ein eigenes Glaubwürdigkeitskriterium –, gehen wir mit gutem Beispiel voran. An diesem Prozess kann Jeder unter sst-revision.org teilnehmen!

  • textile network: Was tun Sie, um die Webseite Siegelklarheit „lebendig zu halten“?

Dr. Maria Flachsbarth: In der Vergangenheit war Siegelklarheit häufig bei relevanten Fachmessen und auch auf verschiedenen anderen Veranstaltungen präsent. Neben einem klassischen Informationsstand gab es auch Präsentationen. Beispielsweise haben wir Anfang 2020 Siegelklarheit auf der Textil-Fachmesse „Munich Fabric Start“ präsentiert. Siegelklarheit soll nicht nur die Menschen erreichen, die bereits eine gewisse Affinität für nachhaltigen Konsum haben, sondern einen möglichst breiten Teil der Bevölkerung ansprechen. Neben den bereits genannten Revisionsprozessen laufen im Hintergrund noch weitere. Hierbei beziehen wir erhaltenes Feedback ein, aktualisieren Inhalte und planen zudem, das Informationsangebot des Portals und unsere Öffentlichkeitsarbeit auszuweiten.

  • textile network: Im September 2019 wurde der grüne Knopf als deutsches Textilsiegel zur Corporate Social Responsibility lanciert. Warum reichte es nicht, die bestehenden Nachhaltigkeitssiegel über die Webseite Siegelklarheit bekannter zu machen?

Dr. Maria Flachsbarth: Laut einer Studie der Boston Consulting Group von 2019 legen Dreiviertel der Verbraucherinnen und Verbraucher Wert auf nachhaltige Kleidung. Aber bei über 40 Textilsiegeln allein auf dem deutschen Markt ist die Orientierung beim Kauf nicht einfach. Siegelklarheit hat hier zu Verbesserungen geführt. Es blieb aber bisher leider ein Instrument für diejenigen, die bereit sind, tiefer in die Materie einzusteigen. Hier setzt der Grüne Knopf an: Als Meta-Siegel baut er auf bestehenden anspruchsvollen Siegeln auf und geht darüber hinaus. Insgesamt müssen 46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden, was von unabhängigen Prüfstellen wie dem TÜV Nord überwacht wird. Das Besondere am Grünen Knopf: Er ist mehr als ein klassisches Produktsiegel. Es ist das erste Siegel, das auch systematisch prüft, ob das gesamte Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nachkommt: Kennt es die Risiken in seiner Lieferkette? Schafft es Abhilfe? Gibt es Beschwerdemöglichkeiten für die Mitarbeiter? Einzelne Vorzeigeprodukte reichen nicht aus.

  • textile network: Wird/wurde die Webseite/App Siegelklarheit mit ähnlichen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wie beim Grünen Knopf der Fall beworben?

Dr. Maria Flachsbarth: Siegelklarheit wurde bislang vor allem analog auf Messen und Veranstaltungen vorgestellt. Dies wollen wir in diesem Jahr ändern und verstärkt proaktiv zu Siegelklarheit kommunizieren, auch digital. Wir planen einen Relaunch mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit.

  • textile network: Sie haben einen Wunsch frei – was würden Sie sich für die Webseite/App Siegelklarheit wünschen?

Dr. Maria Flachsbarth: Für Siegelklarheit wünsche ich mir eine große Verbreitung und intensive Nutzung durch die Bevölkerung. Unser Ziel ist es, die Menschen für nachhaltigen Konsum zu sensibilisieren und es ihnen zu ermöglichen, dieses Interesse auch durch ihr Einkaufsverhalten umzusetzen. Das gilt sowohl für die Webseite als auch für die App. Denn je mehr Menschen wir erreichen, desto höher ist die Chance, sie bei nachhaltigen Konsumentscheidungen unterstützen zu können. Denn durch nachhaltigen Konsum können wir Verbraucher Mensch und Umwelt am Anfang der Lieferkette vor Ausbeutung schützen.

Frau Dr. Flachsbarth, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen für textile network stellte Iris Schlomski.