23.11.19 – Stellen Smart Textiles den Blindenstock in die Ecke?

Bregenz: InnoDays – die Gewinner stehen fest

Knobeln bis Mitternacht, backen bis Früh um fünf und Variantendiskussionen ohne Pause – das Motivationsrezept für Menschen zwischen 17 und 30?

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Juror Günter Grabher (rechts) zeichnet die technotexilen Gewinner des Bregenzer Hackathon aus. The winner is ... ein Schüler-/Studententeam für ihren Produktvorschlag: intelligenter Bürostuhl mit textiler Sensorik. © Oertel

 
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Idee: High-Tech Pullover, der via Sensorik im Nacken kaltes Frösteln erfasst und daraufhin die im Textil integrierten Heizstreifen anregt, Batteriewärme abzugeben. © Oertel

 
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Wer einem Vorarlberger Berufsschullehrer nach dem zweitägigen Hackthron in Bregenz glauben will, ja. Die Methodik: im Team von Gestaltungswilligen, unter Begleitung von Experten und vor allem wettbewerblich.

Bei den InnoDays im Rahmen der Wearable Conference wurden von Firmen ganz unterschiedlicher Branchen vier Herausforderungen formuliert, auf die 30 Teams mit insgesamt 120 Teilnehmern auf dem Weg von der Idee zum Prototyp zum Teil erstaunliche Antworten fanden.

Die von der Smart Textiles Plattform Austria gestellte Problematik führt auf direktem Weg zur Künstlichen Intelligenz und damit in die Welt des Internets der Dinge. Generelle Fragestellung an die Vorarlberger Schüler, jungen Textiler und Wiener Modestudenten: Wie lassen sich Smart Textiles auf dem Weg zum Affective Computing dazu nutzen, menschliche Emotionen und Gefühle im Computer abzubilden?

Sechs Arbeitsteams, die zuvor kaum etwas von Smart Textiles noch von Textilsensorik gehört hatten, machten sich mit selbst formulierten Einzelthemen tastend auf den Weg ins Unbekannte.

Unser Autor Hans-Werner Oertel hat die Gruppe 20 zwei Tage lang auf ihrem Innovationstrip begleitet:

Die Schülerinnen Merve (21), die mit Architektur liebäugelt, Anna-Bella und Nicole (beide 18), Florian (17) und den Textiler Tolga (21), der schon Produktentwicklungserfahrung bei Getzner sammeln konnte. Ihr Projekt: ein gewebter Pullover, der via Sensorik im Nacken kaltes Frösteln erfasst und daraufhin die im Textil integrierten Heizstreifen anregt, Batteriewärme abzugeben. Gibt es schon, wird mancher einwerfen ... Doch darum ging es nicht.

„Wir sind selbst erstaunt, auf welche Lösungen wir Laien gemeinsam und in so kurzer gekommen sind“, so unisono der Kommentar der „Wettkämpfer“. Die Worte „Spaß“, „geil“, „Fun“ waren noch nicht verhallt, als sich eine mehrköpfige Jury auch an den Nebentischen die jeweiligen Lösungen erläutern ließ.

Günter Grabher, Chef der gleichnamigen Unternehmensgruppe und der österreichischen Smart Textiles Plattform, war dabei sichtlich angetan von einem Team, das sich einer ganz besonderen Fragestellung verschrieben hatte:

Kann der Blindenstock ggf. durch Textilsensorik eines Tages in die Ecke gestellt werden?

Ein Schüler mit Wundbinde über den Augen simulierte einen von über 140.000 Sehgeschädigten allein in Österreich; zwei Handys links und rechts am Arm gaben ihm (stellvertretend für Sensorik später im Textil) Vibrationsstöße und damit die Richtung, wenn links, rechts oder vorn ein Hindernis aufkam. „Wir müssten in unsere Lösung noch Abstandsensoren einbauen“, ergänzte einer und ein anderer fragte: „Und wie erfassen wir sensorisch einen Bordstein – mit dem Stock ist das kein Problem?“

Achselzucken, die Zeit war um ... Dozentin Eveline Kopf-Strassegger von der Modeschule Michelbeuern war mit fünf Studenten zu den ihr noch vollkommen unbekannten InnoDays gekommen – und fand ein Mitglied ihrer Gruppe dann sogar auf dem Siegertreppchen wieder.

Der 1. Preis in der Sparte Smart Textiles überraschte ein Fünferteam. Sie hatten einen textilen Sensorsitz kreiert, dessen vier Sensoren bei Körperfehlhaltungen unterschiedlich aufleuchten – und dann demjenigen per App muskelstärkende Ausgleichsübungen empfiehlt.

Womit gingen die Teilnehmer nachhause?

Mit dem Versprechen von Günter Grabher, dass sie für ein halbes Jahr das gerade neu eingerichtete Smart Textiles-Lab in Lustenau mit Expertenbegleitung nutzen können.

„Wollt ihr?“ – die Antwort war nach diesen beiden Tagen sofort klar und lautete: JA.