15.12.21 – Interview mit Christian Sickel
„Es geht nicht immer nur um Zahlen“
textile network sprach mit Vertriebs-Experte Christian Sickel darüber, was Händler und Hersteller tun können, um den stationären Handel für Kunden wieder attraktiver zu machen.
Der Online-Handel boomt, und dass nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Kundenströme im stationären Handel schwinden langsam, aber sicher. Was können die Händler tun, um dem entgegenzuwirken? Und wie können Hersteller und Händler gemeinsam Wege finden, um die Zukunft des Handels zu gestalten? textile network sprach dazu mit Christian Sickel, Geschäftsführer von Sickel und Team, einem führenden deutschen Anbieter für Vertriebsentwicklung.
textile network: Herr Sickel, Sie sind Gründer und Geschäftsführer von Sickel und Team. Sie beraten Kunden u. a. zur Verkaufsproduktivität. Mit welchen Problemen wenden sich Ihre Kunden an Sie?
Christian Sickel: Häufig ist es so, dass uns ein Geschäftsführer oder Vertriebsleiter mit folgendem Problem anruft: Unsere Verkäufer verkaufen nicht genug oder sie sprechen die Kunden nicht an. Warum machen sie das denn nicht? Meine Antwort: Sie haben den Sinn dahinter gar nicht erkannt, weil sie losgelöst arbeiten. Denn Führungskräfte denken oft, dass das nur in den Händen des Vertriebs liegt. Aber wie soll es nachhaltig sein, wenn eine Führungskraft sich nicht verantwortlich für die Verkaufsqualität fühlt und sich gar nicht für die Menschen interessiert, die für ihn oder sie arbeiten?
textile network: Würden Sie sagen, dass eines der Grundprobleme bei niedrigen Verkaufszahlen in der mangelnden Führungsqualität der Führungskräfte liegt?
Christian Sickel: Ja, durchaus. Das zeigt auch unsere Fallstudie über das Management im Handel, die wir dieses Jahr durchgeführt haben. Nur 11 % der Geschäftsführer halten regelmäßig Kontakt zu den Mitarbeitenden im Verkauf, um Stimmungsbilder einzufangen. Und 33 % machen regelmäßig ein Qualitäts- und Zielmanagement mit den Führungskräften. Das reicht nicht aus. Letztens fragte mich eine Geschäftsführerin: Was kostet denn Ihre Beratung, Herr Sickel? Darauf habe ich geantwortet: Das ist die falsche Frage, die richtige Frage ist doch, wie viel Zeit wollen Sie persönlich investieren, damit das Geschäft läuft?
textile network: Es gibt immer weniger Kundenzulauf im stationären Handel. Der Online-Handel ist ein Grund dafür. Welche weiteren Faktoren spielen aus Ihrer Sicht eine Rolle?
Christian Sickel: Der stationäre Handel denkt häufig, Hauptsache viele Kunden kommen. Und dann müssen wir noch sonntags aufmachen, dann kommen noch mehr Kunden. Es werden aber auch in Zukunft nicht mehr so viele Leute kommen. Es wird diskutiert, ob das am Städtebild, an den Geschäften oder an der Ausstattung liegt. Aber die Frage ist doch, was kann ein Händler selber tun? Und das sind im Grunde ganz einfache Dinge wie z. B., dass sie nicht mehr nur auf Masse setzen, sondern auch auf Qualität.
textile network: Sie haben durch die Arbeit mit Ihren Kunden erfahren, dass die meisten Hersteller ihre Händler nicht ausreichend unterstützen. Oft beschränke sich die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern auf ein „Guten Tag“ bei der Lieferung. Zu welchen Problemen kann der geringe Austausch zwischen Hersteller und Händler führen?
Christian Sickel: Das kann dazu führen, dass sie unterschiedliche Ziele haben – die haben sie meistens auch. Der Hersteller möchte z. B. Produkt XY forcieren, aber beim Händler läuft das gar nicht. Trotzdem erwartet der Hersteller das. Häufig können die Händler die Forderungen der Hersteller gar nicht umsetzen.
textile network: Weil sie nicht die Kapazitäten haben?
Christian Sickel: Weil sie nicht die Kapazitäten haben, zum einen. Und zum anderen, weil ihre Mitarbeiter auch gar nicht das Know-how haben. Ich kenne es aus vielen Branchen im Handel, dass eine Produktschulung gemacht wird, aber keiner sagt ihnen, wie man vernünftig auf die Kunden zugeht. Ich hab z. B. für eine große Warenhauskette im Bereich Fashion den Einkauf trainiert. Da war sogar der Vorstand mit dabei, das fand ich klasse. Doch sie haben sich nur mit Farben, Größen usw. beschäftigt, statt zu hinterfragen, was dem Kunden gefallen würde. Oder wenn sie einen Modehersteller haben … dann ist die Kollektion fertig, aber sie passt gar nicht in den Vertrieb. Weil sie sich nicht abstimmen. Und was ganz wichtig ist: Es geht auch immer darum, dass Händler gute Preise aushandeln wollen. Das ist auch richtig so, aber manchmal überschätzen sie sich dann auch. Meines Erachtens muss der Handel von den Herstellern besser betreut werden, kooperativer sein – ich will das nicht verallgemeinern, aber das ist das, was wir aus unserer Erfahrung kennen.
textile network: Was können die Hersteller konkret tun, um ihre Händler zu unterstützen?
Christian Sickel: Angenommen ich wäre ein Hersteller, dann würde ich mich mal mit dem Geschäftsführer der Handelsunternehmen zusammensetzen. Ich würde mit dem Händler Ideen entwickeln, die gar nicht viel kosten.
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