17.01.23 – Besserstellungsverbot

Innovativer Mittelstand fürchtet Verlust von Innovation und Forschung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat einen Konflikt ausgelöst, der die mittelständische Innovationstätigkeit massiv negativ zu beeinflussen droht – so auch die Textilforschung.

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Die plötzlich restriktive Auslegung des Gesetzes durch den Bund könnte zu hohen Verlusten an Innovationspotenzial führen. © STFI

 

Seit einigen Monaten wird das sogenannte Besserstellungsverbot (BV) bei Anträgen auf staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung drastisch restriktiver als zuvor ausgelegt. Damit zieht das Habeck-Ministerium beim schon beeinträchtigten Innovationsräderwerk die Bremse weiter an. Das „Handelsblatt“ benannte Anfang Dezember drohende Negativkonsequenzen für Innovationsverbünde in der Automobilwirtschaft.

Worum geht es bei dieser Bestimmung?

Die BV-Regelung besagt, dass Zuwendungsempfänger von Projektmitteln der öffentlichen Hand Beschäftigte finanziell nicht besserstellen (entgelten) dürfen, als es bei vergleichbaren Bundesbediensteten der Fall ist. Während sich Großforschungsverbünde wie Fraunhofer-, Planck- oder Helmholtz-Gesellschaft nicht angesprochen fühlen brauchen – für sie gelten gemäß Wissenschaftsfreiheitsgesetz längst sinnvolle Ausnahmeregeln –, trifft es viele der bundesweit rund 130 meist gemeinnützigen, privatwirtschaftlich organisierten Industrieforschungsinstitute zur Unzeit und mit voller Wucht. Kern ihres Problems: Selbst leitende Mitarbeiter mit Personalverantwortung (die im Gegensatz zum Beamtentum wirtschaftliches Risiko tragen, zum Teil sogar persönlich haften) und fachliche Leistungsträger dürfen nicht mehr verdienen als Angestellte des Bundes. Dass die strittigen Zuschläge nicht aus Fördertöpfen, sondern aus selbst erwirtschafteten Industriemitteln stammen, interessiert nicht. Formale und rechtliche Bedenken werden ministeriell ebenfalls zurückgewiesen.

Forschungseinrichtungen sind in Gefahr

Übergangsfristen für die geforderten „Anpassungsmaßnahmen“ liefen oder laufen zum Jahresende 2022 bzw. mit dem ersten Quartal 2023 aus. Personalverluste, der komplette Ausschluss von Förderprogrammen und fallweise gar die Existenzbedrohung ganzer Einrichtungen sind die absehbare Konsequenz. Entsprechend groß sind Verunsicherung und Aufruhr nicht nur in den Instituten. Fungieren sie doch in ihren jeweiligen Branchen als praxisnahe, bewährte Forschungspartner und Innovationsquelle für Tausende Mittelständler bundesweit.

Aus dem politischen Raum ist bisher kein Einlenken bei der Gleichstellung dieser dritten Säule der außeruniversitären Forschung mit anderen institutionellen Akteuren oder zur Gewährung von Ausnahmeregelungen oder aber längeren Übergangsfristen signalisiert.

Der Präsident der Zuse-Gemeinschaft*, Prof. Martin Bastian, befürchtet bereits zum Jahresanfang 2023 massive und irreversible Verwerfungen: „An mehreren Standorten sind bereits Spitzenkräfte von Bord gegangen, weil sie in den privilegierten Großforschungsverbünden oder der Privatwirtschaft deutlich mehr verdienen. Ein personelles Ausbluten unserer Institute würde den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft massiv beeinträchtigen.“ Zahlreiche Institutschefs gingen inzwischen zudem davon aus, ab Januar von öffentlich finanzierten Forschungsvorhaben ausgeschlossen zu werden.

* Die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft „Konrad Zuse“ e. V. vertritt 78 Institute mit mehr als 6.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 450 Mio. Euro. Die Einrichtungen sind beim Technologietransfer für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort von nationaler Bedeutung, werden gegenüber anderen Forschungs- und Entwicklungsorganisationen jedoch staatlicherseits benachteiligt.