09.04.21 – Nachhaltigkeits-Start-ups – Folge 8: Infinity StartUp GmbH (Aachen)
Ziel Zero (8): Das Unmögliche wagen
Alles was wir an Bekleidung tragen, sollte entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar sein. Innovative Start-ups zeigen neue Wege auf.
Der Gedanke fasziniert Textilforscher wie auch Newcomer im Textil- und Modebereich gleichermaßen: Eines möglich frühen Tages sollte alles, was wir an Bekleidung tragen, entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar bzw. verrottbar sein. Auch sind nachhaltige Textiltechniken gefragt. Dafür sind keine Patentrezepte in Sicht, wohl aber Einzelschritte, die mit neuen Materialien und Technologien in die richtige Richtung zielen. textile network stellt in lockerer Folge Startups aus dem deutschsprachigen Raum vor, die mit Blick auf eine verbesserte Kreislaufwirtschaft deutlich die Grenzen des bisher Möglichen sprengen.
Folge 8: Infinity StartUp GmbH (Aachen)
Mit der „Mikrowelle“ für Laufschuhe begann die Zukunft des Waschens
Als Jogger weiß man: Gegen den „Duft“ von Laufschuhen hilft kein neutralisierendes Spray. „Man muss dafür offensichtlich vorher erst die geruchsbildenden Mikroorganismen abtöten“, schlussfolgerten einige Aachener Studienfreunde um Sing-Hong Stefan Chang und konstruierten aus „just for fun“ ihre erste RefresherBoxx speziell für den Einsatz in den eigenen vier Wänden. Um darin Bakterien, Keime und Viren abtöten zu können, kombiniert das Gerät verschiedene physikalische Methoden. Dabei kommen aktiver Sauerstoff, Strahlung in verschiedenen Wellenlängen ebenso zum Einsatz wie unterschiedliche Temperaturen und Drücke.
Kaum damit in die Schlagzeilen geraten, erreichte das 2018 auf vier Gründer angewachsene Team mehrere Anfragen: „Könnt ihr auch Gastro- oder Hotelwäsche reinigen?“ Nach einer entsprechenden Modifikation für diese Einsatzzwecke in eine Professional-Variante mit Bügeleffekt, Bezahlsystem sowie variabel einstellbaren Parametern für Feuchtegrad oder Geruchsintensität hat das Corona-Virus mit Blick auf Krankenhaustextilien eine weitere Geräteentwicklung angestoßen: die weiße RefresherBoxx als Healthcare-Version für medizinisches Equipment. Sie eliminiert auch bei Covid-19 nachgewiesenermaßen 100 Prozent aller Viren.
Mit ihrer Geräteserie schlagen die mehrfach preisgekrönten Quereinsteiger, die ihre Technik bereits in Japan, China und Ostafrika erfolgreich präsentiert haben, zugleich ein neues Kapitel bei der Reinigung von Textilien auf: Desinfizierte Bekleidung ohne Waschzusätze, Chemie und Wasser.
Fragen an die beiden Studenten für Chemie bzw. Maschinenbau, Sing-Hong Stefan Chang und Gernot Sümmermann:
textile network: Sie wollen 2021 Ihren Nachhaltigkeitsanspruch weiter auf die Spitze treiben – womit?
Im zweiten Corona-Jahr stehen Gesundheitsanwendungen im Fokus. FFP2-Masken lassen sich in unseren Boxen inzwischen ohne Wirkungsverlust bei der Filterleistung desinfizieren. Unser Ursprungsgedanke war, mit der patentierten RefresherBoxx und praktisch neben der Waschmaschine eine chemische Reinigung für Zuhause zu entwickeln. Denn Textilien aus Seide bzw. mit integrierter Elektronik kann man ebenso wenig wie Lederartikel in die Nasswäsche geben. Da wir für die Umsetzung unserer Ideen vergleichsweise wenig Zeit benötigen, arbeiten wir parallel an mehreren „Baustellen“.
textile network: Was geht da noch?
Aktuell können wir beispielsweise noch keine Flecken entfernen. Daran beispielsweise arbeiten wir. Unser längerfristiges Ziel ist es, eine Technik anzubieten, die die Waschmaschine komplett ersetzen kann. An der Stelle hoffen wir, vom Bund mit entsprechenden Mitteln unterstützt zu werden. Wir halten zudem weiterhin Ausschau nach einem Investor, um mit seiner Hilfe die Produktion entsprechend skalieren zu können. In der heutigen Zeit sind Ressourcenschonung und Umweltschutz große Themen. Traditionelles Waschen, das weiß jeder, sorgt für Abrieb und Mikroplastik im Nanobereich, das über das Abwasser letztlich in den Ozeanen landet. Dieses Manko hat inzwischen große Waschmaschinenhersteller wie Miele auf den Plan gerufen, die über mehrere Monate hinweg Messungen und Laboranalysen vorgenommen haben. Wir stehen darüber hinaus mit einigen Praxis- und Wissenschaftspartnern über Aachen und NRW hinaus in Kontakt.
Infinity StartUp auf einen Blick:
Gründung: 2018
Gründer: Sing-Hong Stefan Chang (CEO, 37), Gernot Sümmermann (CTO, 23), Marko Kloiber (Vertrieb, 32), Dr. Said W. Ashrafina (Recht, 38)
Mitarbeiter: 7
Alleinstellung: Entwicklung von neuartigen Desinfektions- und Waschboxen zur Entfernung von Viren, Feinstaub, Bakterien, Milben und chemischen Reinigungsmitteln in Kleidung, Schuhen und Schutztextilien binnen 30 Minuten
textile network: Wie sieht Ihr Startup 2025 aus?
Natürlich sehen wir uns an verschiedenen Standorten, möglichst auch zukünftig mehr im Homecare-Bereich. Momentan sind wir mehr mit B2B im Professional-Sektor mit Krankenhäusern oder Hotels tätig. Da wir schon mal bei der Europäischen Weltraumagentur ESA angeklopft hatten, bleibt der Wunsch, es vielleicht noch in diesem Jahrzehnt mit unserer RefresherBoxx bis auf den Mond zu schaffen. Dort gibt es bekanntlich kein Wasser – für uns schon mal eine gute Voraussetzung.
textile network: Was kosten die Geräte aktuell?
Die kleineren Versionen um 500 Euro; die Healthcare-Variante für größere Durchsatzmengen etwa 4.500 Euro. Mehrere davon in Reihe sind pro Stück dann entsprechend preiswerter. Falls Sie jetzt fragen sollten, ob die Charité oder die Unikliniken von Heidelberg, Dresden oder München schon bei uns angefragt haben: leider nein.
textile network: Eine letzte Frage zur Coronakrise: Wie hat sich die Pandemie bislang auf Ihre Firma ausgewirkt?
Wir leiden wie jede andere Firma auch unter dem Lockdown. Andererseits waren wir nach Anfragen aus dem Medizinbereich in nur drei Wochen in der Lage, speziell für das Gesundheitswesen eine Geräteversion zu entwickeln. Der Prototyp der RefresherBoxx Healthcare steht im Aachener Luisen-Hospital und wird für die Desinfektion von OP-Schuhen verwendet.