30.01.23 – Interview mit Gerhard Kränzle, CEO HILTL
Klassik neu belebt – ein Traditionsunternehmen auf neuen Wegen
Im September 2022 eröffnete HILTL, die Traditionsmarke für exklusive Premium-Hosen, ihr neues Schneideatelier in Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz. textile network hat sich auf den Weg gemacht, um sich die innovative Manufaktur live vor Ort anzuschauen und im Gespräch mit HILTL-CEO Gerhard Kränzle mehr über ihren Aufbau sowie die aktuelle Neuausrichtung des Unternehmens zu erfahren.
Bereits seit 1955 produziert HILTL langlebige und hochwertig verarbeitete Hosen – zeitlose Klassiker, die für Qualität, Regionalität, Authentizität und handwerkliches Geschick stehen. Das zahlt sich aus: Einige Jahrzehnte später hat sich die Premiummarke vollständig am Markt etabliert und lieferte jährlich über 0,5 Mio. Hosen in über 40 Länder weltweit. 2020 kam die Kehrtwende: Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Doch keine zwei Jahre später eröffnete HILTL an seinem Ursprungsstandort Sulzbach-Rosenberg die nach eigenen Aussagen innovativste Hosen-Manufaktur Europas: eine einzigartige Kombination aus alten Schneidermaschinen und modernster Computer-Software.
textile network besuchte den Bekleidungshersteller an seinem Standort in der Oberfpalz, um sich ein eigenes Bild von der Hightech-Manufaktur zu machen. Redakteurin Sibylle Michel wurde herzlichst vom HILTL-Team empfangen und bekam eine ausgiebige Führung durch die Räumlichkeiten. Zur Bildergalerie
Im anschließenden Interview mit Geschäftsführer Gerhard Kränzle wurde noch einmal deutlich, mit wie viel Innovationsgeist sich das Traditionsunternehmen aus der Krise kämpft, ohne dabei seine Grundwerte aus den Augen zu verlieren.
textile network: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Neueröffnung Ihres Schneideateliers hier in Sulzbach-Rosenberg! Ein beeindruckender Meilenstein von HILTL und kein selbstverständlicher. Denn 2020 hat HILTL nach mehr als 60 Jahren am Markt Insolvenz anmelden müssen. Nur zwei Jahre später haben Sie nun eine Hightech-Manufaktur auf die Beine gestellt. Wie haben Sie das innerhalb dieser kurzen Zeit geschafft?
Gerhard Kränzle: Ja, das ist richtig. Uns ist 2020 der Geldgeber abhandengekommen. Corona hat da auch mit reingespielt. Mit der Lorea AG haben wir aber einen Top-Investor für HILTL gefunden.
Neben dem frischen Kapital als Grundlage brauchten wir natürlich auch eine Idee, um diese dann in einen Businessplan zu überführen. Wir haben uns gefragt: Was können wir verändern, damit eine Marke mit Historie wie unsere zukunftsfähig wird?
Wenn man dem Ganzen Zeit gibt, sich zu entwickeln, ist es für eine traditionelle Marke leichter, wieder auf die Beine zu kommen.
textile network: Wie sind Sie bei der Neuausrichtung des Unternehmens vorgegangen?
Gerhard Kränzle: Anhand von Daten haben wir uns angeschaut, wo sich der Markt hin entwickeln wird, wie sich Produkte entwickeln werden und welche Zukunftsthemen es geben wird. Also im Grunde: Was kann der Markt letztendlich gebrauchen? Natürlich haben wir uns auch bei Handelspartnern erkundigt, wo diese im Premiumsegment die Zukunft sehen und welche Produktgruppen eventuell noch fehlen.
Tatsächlich ist es ja so, dass wir in dem Upper Premiumbereich, in dem wir uns jetzt mehr und mehr bewegen, Deutschlands hochwertigste Hosen produzieren. Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Mit einer Produktmix-Veränderung wollen wir das Unternehmen nun neu ausrichten. Da sehen wir eine große Chance.
textile network: Welche konkrete Veränderung streben Sie denn an?
Gerhard Kränzle: Bei uns steht die Qualität als solche immer noch im Vordergrund. Haltbarkeit und Handwerk – das können wir. HILTL stand schon immer für Zuverlässigkeit und eine gute Passform. Wir waren aber nicht modern und sexy, nicht up to date. Das hat uns gefehlt. Jetzt arbeiten wir mit einer modernen Kollektion und einer neuen Ausrichtung nach.
textile network: Wie kamen Sie auf die Idee, hier am Standort Sulzbach-Rosenberg eine neue Manufaktur zu eröffnen?
Gerhard Kränzle: Die Idee von HILTL war es schon immer, Schneiderqualität in einer Serienfertigung abzubilden. Das haben wir relativ schnell aufgegriffen. In der Übergangsphase während der Insolvenz haben wir mit ein paar Kunden gesprochen und Kleinserien gemacht, bei denen wir gute Abverkaufsquoten hatten. Daraus ist die Idee entstanden, dass wir „Made in Germany“ ausweiten.
Als es dann an das Produktionsverfahren ging, haben wir uns überlegt: Wie können wir Hightech und den Manufaktur-Gedanken zusammenbringen? So kamen wir auf die Idee, Schneiderqualität mit Hightech zu mischen. Wir kombinieren neue moderne Hightech-Maschinen mit alten, gut erhaltenen Schneidermaschinen, um sowohl schnell produzieren als auch den Schneidercharakter beibehalten zu können. Das ist das Besondere an unserer Manufaktur.
textile network: Qualität „Made in Germany“ war Ihnen besonders wichtig?
Gerhard Kränzle: Ja, uns ist die Qualität auch wichtig, wenn wir nicht in Deutschland produzieren, aber wir haben eben durch Corona und die schwierige Liefersituation schnell festgestellt, dass sich etwas ändern muss. Wie bekomme ich mehr Zuverlässigkeit in die Lieferkette? Kann ich einen gewissen Teil auf einem kürzeren Weg produzieren, sodass ich nicht so eine große Lagerhaltung brauche? Und wie zahlt Qualität in Nachhaltigkeit ein?
textile network: In Ihrer Pressemeldung haben Sie Ihr Schneideatelier als das innovativste und wirtschaftlich effizienteste in Europa bezeichnet. Woran machen Sie das fest?
Gerhard Kränzle: Innerhalb unseres Segments wird unsere Hightech-Manufaktur wirtschaftlich am effizientesten sein. Das ist aber im Gesamtpaket zu betrachten. Man muss sich dabei die gesamte Wertschöpfungskette anschauen. Wie kommt die Rohware an? Wie wird sie verarbeitet? Wenn die Produktion hier in Sulzbach-Rosenberg auf vollen Touren läuft und die Ware kommt, dann bewegt sich unser Produkt maximal im Umkreis von 80 km – im Gegensatz zu den üblichen 800 oder 8000 km.
textile network: Wie ist die bisherige Resonanz zur neuen Manufaktur vonseiten des Einzelhandels bzw. Ihrer Abnehmer?
Gerhard Kränzle: Wir bekommen eine sehr hohe Resonanz und sind etwas überrascht, was die Eröffnung für einen großen Nachhall hatte. Für uns ist aber viel wichtiger, dass diejenigen, die die Ware jetzt haben, sie auch verkaufen. Und mit dem Verkauf sind wir sehr zufrieden. Da haben wir zum Teil Abverkaufsquoten von 60 bis 90 %. Mit der Produktion sind wir noch in der Testphase mit entsprechenden Adaptionen, aber auf einem guten Weg, die uns gesteckten Ziele in Bezug auf Flexibilität, Qualität und Outputmenge zu erfüllen.
textile network: Im Moment produzieren Sie etwa 50 Hosen pro Tag. Ihr Ziel ist es aber, irgendwann einmal 500 Hosen pro Tag herzustellen ...
Gerhard Kränzle: Genau, das wird in ca. einem Jahr sein. Dazu werden wir noch einige Maschinen erwerben müssen und benötigen dann auch neue Mitarbeiter. Im Moment legen wir dafür den Grundstein.
textile network: Inwiefern spiegelt sich die Neuausrichtung von HILTL in der Herbst-/Winter-Kollektion 2023/24 wider?
Gerhard Kränzle: Für uns ist es wichtig, nicht die Klassik zu vernachlässigen, sondern stattdessen den Klassikbereich so zu modifizieren, dass er auch für ein jüngeres Publikum zugänglich gemacht wird. Wir wollen die Marke nicht verjüngen, sondern über einen Produktmix an die jüngere Zielgruppe kommen.
Wir haben viele junge Kunden im Alter von 20 bis 28 Jahren, die ihre HILTL-Hosen in Vintage-Läden kaufen. Von den Kunden erhalten wir dann eine Anfrage, ob es das Modell wieder geben wird. Da erleben unsere alten Modelle ein Revival. Wir machen dann eine jüngere Variante daraus. Und so belebt sich die Klassik neu.
textile network: Herr Kränzle, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!