19.03.20 – Drive the Change – Luft — read English version

Make it fair, clean the air

Jeans dienen oft als Paradebeispiel für die negativen Auswirkungen von Mode auf den Planeten. Neue Technologien ermöglichen nachhaltige Alternativen.

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Wissenschaftler Pavan Manvi von der RWTH Aachen University (rechts) und Forscher Dr. Jochen Norwig von Covestro mit dem Prototyp einer Kunststofffaser aus CO2. © Covestro

 

Anfang Januar präsentierten Fair Fashion Brands im Rahmen der Messe Neonyt in Berlin ihre umweltbewussten Denims. Das Aachener Institut für Textiltechnik geht das Problem von der anderen Seite an und hat eine Faser aus Kohlendioxid entwickelt, die in Zukunft Elastan ersetzen könnte.

Konventionelle Produktion von Kleidung hat global weitreichende negative Auswirkungen für Mensch und Umwelt.

Gefährliche Chemikalien, verunreinigte Grundwasser und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind regelmäßig in den Schlagzeilen. Lösungsansätze der Industrie werden in der Branche aktuell so intensiv diskutiert, wie kaum ein anderes Thema. Die Jeans ist hierzulande eines der beliebtesten Kleidungsstücke: Im Schnitt liegen in jedem deutschen Kleiderschrank acht Jeans. Statista zufolge wurden zwischen 2006 und 2018 um die 197 Mio. Jeans in die Bundesrepublik importiert. Hauptherkunftsländer sind Bangladesch, Pakistan und die Türkei. Das Resultat dieses Denimberges sind nicht nur emissionsintensive Transporte, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen in den Produktionsländern.

Laut Umweltdialog werden ganze 35 Prozent der globalen Baumwoll-Produktion zur Herstellung von Denim verwendet. Allein 1 kg Ernte verursacht rund 1,8 Kilogramm CO2-Emissionen, ganz abgesehen von dem immensen Wasseraufwand. Beim konventionellen Monokulturanbau werden zudem große Mengen an Pestiziden eingesetzt. Insektensterben und eine Verödung der Böden sind die Folge. Bei unzureichenden Schutzmaßnahmen kommen die Arbeiter zudem mit den giftigen Chemikalien in Kontakt, auch beim anschließenden Waschen und Bleichen der Stoffe. Und auch Sandblasting ist trotz des Verbots im Jahr 2004 noch immer ein weit verbreitetes Verfahren zur Bearbeitung von Jeans, das durch den quarzhaltigen Staub extreme Gesundheitsrisiken für die Lungen der Arbeiter birgt.

So verursacht die Produktion von Denim auf vielen Wegen negative Umweltbilanzen und emittiert Treibhausgase – vom Anbau über die Produktion bis hin zu Textilveredlung und Transport. Doch es geht auch anders, wie beispielsweise die Brand Armedangels beweist. Vom 14. bis 16. Januar 2020 präsentierte das Label auf der Messe Neonyt in Berlin die neue Kollektion. Mit ihrer Linie „Detox Denim“ haben die Kölner hochmodische Jeans entwickelt, die ohne Pestizide, Schwermetalle und Chlor auskommen. Dazu arbeiten sie mit GOTS-zertifizierten Partnern zusammen und setzen bereits bei den Rohstoffen an. „Wir wissen ja mittlerweile alle, dass der CO2-Gehalt der wichtigste Indikator für die Qualität der Luft und die globale Klimaveränderung, die wichtigste Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist. Bio-Baumwolle spart knapp 46 Prozent an Kohlendioxid-Emissionen, baut die Bodenfruchtbarkeit auf und bindet mehr CO2 in den Boden“, erklärt Lavinia Muth, Corporate Responsibility Managerin bei Armedangels.

In der Textilveredlung verwendet Armedangels kein giftiges Chlor und schädliches Kaliumpermanganat, sondern setzt auf umweltschonende Technologien, wie Laserfinishings und Ozonwaschungen. Die Effekte und Looks sind optisch nicht von herkömmlichen Bleachings zu unterscheiden, doch der Marke zufolge spart das Lasern bis zu 62 Prozent Energie und 67 Prozent Wasser ein. In der konventionellen Produktion kommen jedoch zwischen 1,5 und 4 kg Chemie auf eine Jeanshose und auch Bio-Baumwolle macht bisher nur einen winzigen Marktanteil von nicht einmal 1 Prozent aus.

Wohin also mit den großen Mengen an Kohlendioxid, die die Modeindustrie verursacht?

Warum nicht einfach Kleidung daraus machen und den Kreislauf schließen, fragte sich der Hersteller von Hightech-Polymerwerkstoffen Covestro. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University ist es dem Werkstoffhersteller aus Leverkusen in zwei Forschungsprojekten gelungen, eine elastische Textilfaser auf CO2-Basis herzustellen. Diese kann das Erdöl, das bei der Produktion von Kunststofffasern wie Elastan verwendet wird, teilweise ersetzen. Strümpfe und medizinische Textilien sind mögliche Einsatzbereiche der neuartigen Faser namens Cardyon.

„Das CO2-basierte Material könnte in naher Zukunft eine nachhaltige Alternative für herkömmliche elastische Fasern sein“, erläutert Professor Thomas Gries, Direktor des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen University. Und das mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck und ohne die Verwendung von umweltschädlichen Lösungsmitteln. Ein sogenanntes Schmelzspinnverfahren bei dem CO2-basiertes thermoplastisches Polyurethan aufgeschmolzen, zu sehr feinen Fäden gepresst und schließlich zu einem Garn aus Endlosfasern verarbeitet wird, macht es möglich. Zwei Knackpunkte gilt es allerdings noch zu lösen, bevor die Faser den Rohstoff Erdöl vollends ersetzen kann. Zum einen die höheren Kosten in der Produktion und zum anderen die ausreichende Verfügbarkeit von Ökostrom, der für die Prozesse benötigt wird.

Gries gab im Rahmen der „Textile Technology Talks“ während der Messe Heimtextil vom 7. bis 10. Januar 2020 in Frankfurt am Main Einblicke in neuen Technologien und Produktentwicklungen des ITA. Dabei sprach er sich für die Umstellung der textilen Wertschöpfungskette von erdölbasiert auf biobasiert aus. Eine Rohstoffwende könnte mithilfe neuer Technologien eine nachhaltigere Textilindustrie greifbar machen – und langfristig für eine bessere Luft sorgen.

Katharina Koch