31.10.22 – Messen
Modtissimo 2022 – Hedonistic Sustainability
Erfolgreich ging die 60. Modtissimo in Porto zu Ende. 240 Stoffhersteller und Konfektionäre präsentierten insgesamt 350 Kollektionen für Sommer 2023.
Nachhaltigkeit war zentrales Thema bei Ausstellern und Einkäufern gleichermaßen, manifestiert durch die Präsentation des „Green Circle“ im Eingangsbereich der Messe, die vom 6.–7. September 2022 in Porto stattfand.
„The best fair ever“, so lautete das Fazit von Pedro Gonzales, Lenzing Portugal. Und das bestätigten die Gespräche mit vielen Ausstellern. Modtissimo-Direktor Manuel Serrão berichtet: „Die Messe hätte nicht besser laufen können. Das zeigen sowohl die Rekordzahl ausländischer Einkäufer als auch die Aufträge, die im Laufe der zwei Tage geschrieben wurden.“ Sehr positiv bewertet wurde dabei neben der steigenden Anzahl europäischer Besucher die Rückkehr japanischer und US-amerikanischer Einkäufer.
Made in Portugal
Die steigende Internationalisierung der portugiesischen Textil- und Bekleidungs-Industrie betonte auch Mário Jorge Machado, Präsident von ATP (Associacao Textil e Vestuario de Portugal). „Made in Portugal ist heute eine Garantie für Qualität, Kompetenz, Innovation, Service, Quick Response, Flexibilität, Nachhaltigkeit, aber auch für Design und Kreativität, R&D“, so Machado.
„Die Exporte der portugiesischen Textil- und Bekleidungsindustrie betrugen in 1992, dem Gründungsjahr der Modtissimo, 4,2 Mrd. Euro. In 2021 waren es 5,4 Mrd. Euro, das ist ein Anstieg von 30 %. Das mag nicht viel erscheinen, aber wir dürfen nicht vergessen, das wir in diesen 30 Jahren beobachten mussten, wie sich China zum Hauptlieferanten der europäischen und US-amerikanischen Märkte entwickelte, gefolgt von weiteren Textil- und Bekleidung produzierenden Ländern weltweit. Das heißt, unsere Industrie ging durch außerordentlich schwierige Zeiten“, erklärt Machado.
Nun wird also eine Rückkehr nach Portugal beobachtet. Das bestätigt auch eine Einkäuferin aus Deutschland. „Wir haben jahrelang nur in China gekauft. Doch das ist jetzt mit zu vielen Unsicherheiten verbunden. Dies ist mein erster Besuch in Portugal und wir bauen auf Qualität und kürzere Lieferwege.“
Qualität, kurze Lieferwege und kleinere Mengen – 1.000 Meter statt 10.000 Meter und mehr – sind Argumente, denen sich kleinere und mittlere Unternehmen nicht verschließen können.
Ein Anreiz dieser Messe für ausländische Besucher ist darüber hinaus die Möglichkeit, im Anschluss die Firmen direkt besuchen zu können. Die Textil- und Bekleidungsindustrie konzentriert sich auf das Gebiet rund um Porto – die Messe als One-Stop-Shop, um sich ein Bild vor Ort zu machen und Aufträge zu konkretisieren.
Luxus – recycled
Der Begriff der „hedonistic sustainability“ (hedonistische Nachhaltigkeit) wurde von dem dänischen Architekten Bjarke Ingels geprägt und findet Anwendung inzwischen in fast allen Branchen, gerade auch im Bereich Fashion. Er bedeutet nichts anderes als Freude, Spaß an Ökologie und Nachhaltigkeit – auch gepaart mit Luxus.
Das zeigte z. B. 2JM, portugiesischer Importeur von recycelten Edelhaaren und Luxusmaterialien: Recyceltes Cashmere und Seide, auch in Mischung mit Wolle oder recyceltem Polyester, als Füllmaterial für Steppjacken, Bettwaren und Matratzen.
Hochertige nachhaltige Materialien waren allenthalben zu sehen auf dieser Messe. Nachhaltigkeit – für die Portugiesen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. „Wenn man das nicht bieten kann, ist man raus aus dem Geschäft“, heißt es bei Lenzing Portugal. Auch bei Lemar ist man der Meinung: „Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Trend.“ Lemar verarbeitet für seine Stoffe u. a. Garne aus Plastikabfällen im Meer; spanische Fischer bringen sie an Land. Verarbeitet zu neuen Garnen werden sie von einem spanischen Spezialisten.
Adalberto, größter portugiesischer Drucker und einer der größten in Europa, bietet ausschließlich nachhaltige Produkte, u. a. mit Wasser und Chemikalien sparenden Digital-Drucken auf ökologischem Grundmaterial. Das Credo hier lautet: Wir bieten keine Preise, wir bieten Lösungen, Service.
Green Circle
Manuel Serrão ist ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit. Im Jahr 2016 rief er den „Green Circle“ ins Leben. Das heißt, Modeschulen fertigten Modelle aus nachhaltigen Stoffen portugiesischer Anbieter und wurden auf der Messe präsentiert. Manuel Serrão: „Am Anfang war es eher schwierig, die Hersteller von unserem Konzept und der Bedeutung der Nachhaltigkeit zu überzeugen. Inzwischen haben wir so viele Anbieter ökologisch beispielhafter Materialien und Interessenten an unserer Präsentation, dass wir unser Konzept ändern mussten. Nun zeigen wir an jeweils einem Modell die Stoffe von verschiedenen Herstellern.“
Manuel Serrão ist ein großer Kommunikator und geht mit seinem „Green Circle“ nach draußen, präsentiert ihn auf den verschiedensten Messen in Europa und Übersee. So u. a. auch auf der Neonyt, die nach Berlin und Frankfurt im kommenden Jahr in Düsseldorf stattfinden wird. „Die Neonyt ist die wichtigste Messe in Sachen Nachhaltigkeit in Europa“, so Serrão.
Und er denkt weiter. So ist geplant, ab dem kommenden Jahr Heimtextilien in einer eigenen Halle auf der Modtissimo zu präsentieren, gemeinsam mit der Guimarães Home Fashion Fair. Denn gerade auch bei Tisch- und Bettwäsche, Badtextilien und Baby-Ausstattungen kommt es auf Nachhaltigkeit an.