19.02.20 – Nachhaltigkeit und hohe Wertigkeit — read English version
Themen der Zukunft prägten die Heimtextil 2020
Auf der Heimtextil 2020 zog sich das Thema Nachhaltigkeit über die gesamte Veranstaltung wie ein grüner Faden. Der Wandel nimmt mehr und mehr Fahrt auf!
Auch wenn die Zahlen noch nicht stimmen, die Bereitschaft der Verbraucher, für umweltfreundliche Textilien mehr Geld auszugeben noch in den Kinderschuhen steckt, waren Angebot und Nachfrage auf der weltweit größten Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien so groß wie noch nie.
Umfangreiche Maßnahmen und Informationen zeigten, wie sich die Materialprozesse für eine bessere Umwelt weltweit verändern und soziale Verantwortung für die beschäftigten Menschen zunimmt.
Langlebigkeit und „Second Life“ beginnen sich in Produkten zu manifestieren.
Martin Auerbach, Hauptgeschäftsführer vom Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.:
„Das Umdenken fängt eigentlich erst richtig an. Denn um tatsächlich in der Kreislaufwirtschaft anzukommen, müssen wir über die gesamte Wertschöpfungskette denken und handeln. Mehr noch: Bisher stand in der Entwicklung das Produkt an erster Stelle. Um in der ‚Circular Economy‘ anzukommen, müssen wir die bisherigen Fragestellungen umkehren. Diese lauten dann: Wie sieht das optimal kreislaufende Produkt aus? Wie können wir danach die erforderlichen Gebrauchseigenschaften bekommen? Und letztlich: Wie können sich die Hersteller mit ihren Produkten im Markt differenzieren?“
Großes Interesse an nachhaltigen Konzepten
Auf Besucherseite zeigte sich das große Interesse an nachhaltigen Konzepten auch in der neu eingerichteten „Future Materials Library“ im Trend Space in Halle 3.0. Die Library bot einen spannenden Einblick in nachhaltig produzierte Textilinnovationen. So machte die Kategorie Natural Assets mit Algen und Brennnesseln auf ungenutzte Naturschätze aufmerksam, Living Materials mit heranwachsenden Pilzgeflechten auf gezüchtete Materialien, Biological Byproducts mit Orangenschalen oder Agavenblättern auf landwirtschaftliche Ressourcen. Remade wiederum demonstrierte mit Hilfe von textilen Abfallstoffen deren Wiederverwendungspotential.
Das gemeinsame Konzept heißt Diversität
Die Zeit der vorgegebenen Stil-Richtungen ist vorbei. Es gibt keinen Massengeschmack mehr. Es geht um Diversität. Das brachte der Trend Space in Halle 3.0 mit insgesamt 1.000 Aussteller-Exponaten stark zum Ausdruck. Die Darstellung des Themas „Where I belong“ führte vor Augen, dass Identität durch viele Erlebnisse geformt wird. Und diese wiederum etwas damit zu tun hat, wie man sich einrichtet, was einem gefällt. Alles ist inklusiv, findet zusammen, tauscht sich aus. Mit dem einen großen Ziel: Wohlbefinden!
Es geht darum, textiles Interior Design für eine heimelige, angenehme Atmosphäre zu nutzen. Und die kann für jeden anders aussehen.
Objekttextilien
Die erstmals auf der Heimtextil gezeigte textile Materialbibliothek „Interior.Architecture.Hospitality Library“ veranschaulichte das Spektrum moderner Funktionstextilien anhand einer kuratierten Auswahl an Produkten aus dem Angebot der Heimtextil-Aussteller. Dazu gehörte „Sensation“, ein schwer entflammbarer Samt (Edmund Bell) aber auch „Solarflex“, ein schalldämpfender Twill (A House of Happiness – Royal Vriesco), „Vogue“, eine wasserabweisende Strukturtapete (Omexco) oder „Soft Basic“, ein scheuerbeständiger Velvet (Gebr. Munzert). Insgesamt umfasste die Library 64 Textilien zu vier funktionalen Kriterien (scheuerbeständig, schalldämpfend, schwer entflammbar und wasserabweisend). Online ist die Library das ganze Jahr HIER abrufbar und bietet ein wertvolles Arbeitstool für den Einsatz von Textilien im Objekt.
Expo in Halle 4.2
Der Trend hin zu einer nachhaltigen Wertschöpfungskette prägt natürlich auch das Objektgeschäft. Das wurde auch bei den Ausstellern der „Interior.Architecture.Hospitality EXPO“ deutlich. Die Expo in Halle 4.2 zeigt eine Auswahl an textilen Produkten und Einrichtungslösungen für das Objekt. Dort präsentierte sich auch Féline, ein niederländisches Start-up mit nachhaltigen und hoch flexiblen Akustiklösungen aus Wollfilz. Der Newcomer am Markt gewann mit seinem Produkt „minimal art collection“ das begehrte „Heimtextil Trendscouting by AIT“.
Renske Vogel, Gründerin/Managing Partner von Féline:
„Vielen Kunden ist nicht bewusst, wie umweltbelastend die klassische Herstellung von Filz ist. Wir haben im Vorfeld viele Recherchen angestellt und uns für die Entwicklung Zeit genommen. Jetzt können wir mit der Féline Kollektion Fresco eine wirklich nachhaltige und sehr moderne Alternative anbieten.“
Bei der Auszeichnung „Heimtextil Trendscouting by AIT“ nominieren zunächst rund 50 Innenarchitekten, Architekten, Planer oder Hotelexperten ihre Trendprodukte aus dem Angebot der Heimtextil. Aus allen Nominierungen kürte eine hochkarätige Fachjury am zweiten Messetag schließlich den Heimtextil Trendscouting by AIT Winner und drei Special Mentions (die Flachstapeten von Norafin Industries/Extra Organic, das OceanSafe Prinzip und die Square LED der Marburger Tapetenfabrik).
Green Directory
Die Unternehmen erachten das Thema Nachhaltigkeit zunehmend als Chance. Allein die Zahl der nachhaltig agierenden Unternehmen, die sich für den Green Directory mit ihren Zertifikaten bewarben, war zur Heimtextil 2020 mit 259 so hoch wie noch nie. Nachhaltiges Produzieren und Handeln wird zur Konstante und zeigt sich auf der Heimtextil in zahlreichen Facetten: Selbstklebende Design- und Funktionsfolien für ein „Second Life“ von Möbeln und Wänden (Konrad Hornschuch), der Einsatz kompostierbarer Materialien (Alonso Mercader), traditionelle Webwaren aus Upycling-Garnen (The Aviary Studio), zu einhundert Prozent recyclebare, dekorative und FSC-zertifizierte Tapeten mit schimmerndem Digitaldruck (Komar Products). Die spanische Firma Antex ist schon 2007 mit nachhaltigen Produkten gestartet, aber seit zwei bis drei Jahren nimmt die Nachfrage zu: „Der neue Konsument macht den Unterschied.“
Ökologische Produktion
Die Zukunft der Textilindustrie, die einen starken Impact auf die Umwelt hat, wurde auch im Bereich „Textile Technology“ sichtbar. Denn die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung ist in der technischen Vorstufe evident. Neben der Automatisierung bietet vor allem die Digitalisierung viele neue Möglichkeiten. Dazu gehören Druckmaschinen, die nicht nur den Energie- und Wasserverbrauch senken, sondern auch schneller sind und mit Tinte auf Wasserbasis mit ökozertifizierten Farbstoffen arbeiten (KIIAN Digital/JK Group). Feinlösliche, hochpigmentierte Farbstoffe für den Digitaldruck sparen pro Kilo Ware bis zu 35 Prozent Energie und bis zu 30 l Wasser ein, weil Waschen und Dämpfen entfällt (Itaca Textile). Ein neues Papier für den Transferdruck, das aufgrund seiner Spezialbeschichtung keine Vor- oder Nachbehandlung erfordert, gewährleistet Schnelligkeit und verbesserte Druckqualität (Neenah Coldenhove).
Aus der Modewelt gegriffen
Mit dem Rückgriff in glamouröse Zeiten kommen im Interior auch Dessins, von bold bis verspielt, für Vorhänge oder Möbel, auf den Plan, die aus der Modewelt gegriffen sind (Pala Suni Deri). Dessins bauen sich auf, die der Fashion-, Furnishing- und Lifestylemarkt gleichermaßen nutzt (Pattern Hive, Studio Bodhi). Räume werden eingekleidet wie Haute Couture (Karin Sajo/Grandeco Wallfashion Group). Originalvorlagen (Sooshichacha) oder anspruchsvolle, gewebte Stoffbilder werden für Kissen und Vorhänge eingesetzt (Woven Art Company). Der künstlerische Aspekt der Dessinaturen tritt in den Vordergrund. Kissen mit abstrahierten Gesichtern im Stil von Picasso (Alfred Apelt, Gardisette) gehören in diese Strömung und vermitteln künstlerischen Anspruch. Außerdem Prints in Aquarelltechnik für Tapeten (Eijffinger), die als Unikate sogar in Kooperationen mit Künstlern entstehen (Feathr Oy).
Die nächste Heimtextil findet vom 12. bis 15. Januar 2021 statt.