28.08.19 – Trommelwirbel für das künstliche Trommelfell — read English version
Neue Zukunftsfelder für Textil
Besonders der Forschung ist es zu verdanken, dass sich Innovationen wie z. B. künstliche Trommelfelle oder Textile Mining-Filter neue Zukunftsfelder auftun.
Wer die Doppel-Leitmessen Techtextil/Texprocess besuchte, weiß: Es gibt kaum eine Branche im Dienste anderer Industriezweige, die so innovativ ist wie Textil. textile network hat sich auf den beiden Messen bei der Forschung umgeschaut.
ITM/TU Dresden:
Schaut aus wie ein kleines Iglu mit vergittertem Fenster, ist aber ein Anwendungsmodell für multiaxialkettengewirkte 3D-Verstärkungsgitter. Mit dieser Technologie kann das Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) dem textilen Bauen und damit Architekten neue Impulse geben. Solche Armierungsgitter im Textilbeton folgen dem Prinzip „Form follos Force“ und sichern den bedarfsgerechten Kraftfluss in hochkomplexen 3D-Integral-Verbundbauteilen ab.
Dr. Dilbar Aibibu, Chefin der Bio- und Medizintextilforschung am ITM macht uns auf medizintechnische Anwendungen des Elektrospinnens mit Blick u. a. auf Herzklappen und Knorpelgenerierung aufmerksam. Besonders augenfällig: Eine Entwicklung, mit der sich in sicherlich noch fernerer medizinischer Praxis große Trommelfell-Defekte schließen lassen sollen. Das daraus mit Dresdner HNO-Spezialisten entwickelte prototypische Transplantat aus Biomaterial ist eine biomimetrische Nachbildung einer humanen Ohrmembrane und soll über die entsprechenden akustisch-mechanischen Eigenschaften des Originals verfügen.
ITA/RWTH Aachen:
Noch leichter, leichter, leichter ... Nicht nur die E-Mobilität, sondern gerade auch Luft- und Raumfahrt suchen ständig nach neuen Technologien. In dieses Raster würden Leichtbautanks aus Faserverbundstoffen passen, vom ITA in Frankfurt zunächst „nur“ in einem ferngesteuerten Modellfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb gezeigt.
Wird der Wasserstoff-Druckbehälter per Multifilament-Wickelverfahren in Carbonfasern „eingepackt“, so ist diese Technologie weitaus günstiger als im Vergleich zum konventionellen Nasswickelverfahren. Der Tank als Teil eines emissionslosen Antriebs mit hoher Reichweite und einer deutlichen Gewichtseinsparung gegenüber Batterien hält einem Druck von 700 bar stand.
STFI Chemnitz:
Das Sächsische Textilforschungsinstitut Chemnitz (STFI) entwickelt seit zehn Jahren hochfeste Textilmaterialien, die im wahrsten Wortsinn bombensicher sind. Mögliche Einsatzbereiche solcher Behältnisse sind terrorgefährdete Bereiche wie die Luftfahrt, aber auch Logistikdienste am Boden. „Verdächtige“ Postsendungen zum Beispiel könnten in flexiblen Boxen bis zur Vernichtung oder Entwarnung transportiert werden. Am Institut ist man zuversichtlich, dass sich die Forschungsergebnisse aus zahlreichen Programmen in verschiedenartige Sicherheitsprodukte umsetzen lassen, sobald ein Produktionspartner dafür gefunden ist.
TITK Greiz:
Wie agieren Mensch und Maschine im Digitalzeitalter miteinander? Eine Antwort darauf geben der Textilmaschinenhersteller Karl Mayer und das in Greiz ansässige Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (TITV) mit einer interaktiven Bewegungssteuerung. Die Infrarot-Ärmelsteuerung mit gewirkter leitfähiger Fläche funktioniert wie ein berührungsloser Schalter. Im Laborstadium steuert die Touch-Elektronik lediglich ein Spielzeug von Ferne. Mit leistungsstarker Elektronik „inside“ ließe sich auf diese Weise in der Produktionspraxis alles steuern, wofür zuvor eine Fernbedienung benötigt wurde. Eine neue Mensch-Maschine-Schnittstelle mit Potenzial ...
Techtextil-Award:
Die industrienahen deutschen Textilinstitute gehören zu den Innovationslokomotiven und so gingen zwei der insgesamt sieben Techtextil Innovation Awards 2019 an die Industrieforschung nach Krefeld und Denkendorf.
DTNW Krefeld:
Wenn in den letzten Jahren das Deutsche Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) für Forschungsleistungen rund um die textilbasierte Rückgewinnung von Edelmetallen geehrt wurde, stand zumeist „Ideenvater“ Dr. Klaus Opwis auf dem Siegertreppchen. Das war schon beim Deutschen Rohstoffeffizienzpreis 2014 und entsprechenden NRW-Auszeichnungen so – und bei der Award-Verleihung zum Eröffnungstag der Techtextil nicht anders. Die internationale Jury bescheinigte dem Wissenschaftler in der Kategorie „New Technology“, mit Adsorbertextilien zur Rückgewinnung von Edelmetallen aus Prozessabwässern ein ganz neues Recyclingkapitel aufgeschlagen zu haben.
Die Spezialtextilien können heute schon auf kostengünstige Art und Weise beispielsweise Palladium aus schwach konzentrierten Galvanik-Abwässern zurückholen. Pro Kilogramm Textilfilter konnten in ersten Tests etwa für 1.000 Euro Palladium gewonnen werden.
Für das patentierte Verfahren, das selektiv Substanzen wie Platin, Gold, Silber, aber auch Ammoniak und Arsen binden kann, kommen Polyester und Polyvinylamin als preiswerte Grundmaterialien zum Einsatz. Bevor die Zeichen auf Kommerzialisierung gestellt werden können, wofür eine „Ausgründung angedacht“ ist, laufen in zwei Unternehmen entsprechende Praxisversuche.
Dr. Opwis hält mittelfristig auch die Rückgewinnung von solchen strategischen Metallen wie Indium, Gallium, Niob, Tantal und Seltenen Erden wie Lanthal aus Sekundärrohstoffquellen für möglich.
DITF Denkendorf:
In der Kategorie „New Application“ wurden die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) in Kooperation mit der Robert Bosch GmbH für die Entwicklung einer platzsparenden induktiven Ladespule für Hybrid- und Elektroautos geehrt. Der gestrickte Demonstrator mit 3,3 kW Leistung erfüllt alle Anforderungen in punkto Wärmeableitung und elektrischer Sicherheit. Nur zwei Knackpunkte, die es bei der Entwicklung zu bewältigen galt, waren: Zum einen mussten die wenig verformbaren Metallstränge (Kupfer) als auch die wesentlich flexibleren, dafür aber dünnen Stickfäden (Polyester) parallel verarbeitet werden können. Zum anderen musste eine besondere Bauforum gefunden werden, denn kontaktlose Ladespulen können aus Platzgründen an der Fahrzeugunterseite nur schwer so verbaut werden, dass an allen Stellen der Spule die gleiche und zur Ladung von größeren Batterien notwendige Spannung vorhanden ist. Die DITF nutzen die Hightech-Sticktechnologie, um diese Herausforderung zu umgehen.