02.02.22 – Interview mit Florian Heubrandner – Teil 1

Mit Lenzing Greenwashing vermeiden

textile network sprach mit Florian Heubrandner, Vice President Global Textiles Business bei Lenzing, über die Nachhaltigkeits-Initiativen des Unternehmens, Greenwashing sowie Lieferketten-Transparenz.

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Florian Heubrandner, Vice President Global Textiles Business bei Lenzing, weiß: „Für die Verbraucher wird Greenwashing zu einem wachsenden Problem.“ © Lenzing

 

Die Lenzing Gruppe steht für eine ökologisch verantwortungsbewusste Erzeugung von Spezialfasern aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz. Mit ihren innovativen Produkt- und Technologielösungen ist Lenzing Partner der globalen Textil- und Vliesstoffhersteller, darunter bekannte deutsche Marken wie Erlich, Armed Angels und Esprit, und Treiber zahlreicher neuer Entwicklungen. Das Unternehmen setzt sich ambitionierte Ziele in Sachen Nachhaltigkeit, um seinen Weg in eine nachhaltige Zukunft weiter voranzutreiben.

textile network wollte von Florian Heubrandner, Vice President Global Textiles Business, wissen, wie Lenzing dazu beiträgt, dass Verbraucher schnell und einfach „echte“ nachhaltige Produkte erkennen können (Teil 1), wie das Unternehmen seinen ökologischen Fußabdruck verringert und die Transparenz seiner Lieferkette sicherstellt (Teil 2).

textile network: Der Ursprung jeder Lenzing Faser ist Cellulose. Ist Lenzing von den aktuellen Versorgungsengpässen beim Rohstoff Holz betroffen?

Florian Heubrandner: Holz und der daraus gewonnene Zellstoff sind die wichtigsten Ausgangsmaterialien für unsere Cellulosefaserproduktion. Mehr als die Hälfte des Rohstoffs wird in unseren eigenen Werken in Lenzing, Österreich, und Paskov, Tschechien, produziert. In Brasilien bauen wir derzeit eine der größten und nachhaltigsten Zellstoffanlagen der Welt. Die Anlage soll in der ersten Hälfte des Jahres 2022 in Betrieb gehen. Darüber hinaus bezieht Lenzing Faserzellstoff auf dem Weltmarkt, meist im Rahmen von langfristigen Lieferverträgen.

Wir setzen auf enge Partnerschaften mit unseren Holz- und Zellstofflieferanten. Durch den persönlichen und direkten Austausch mit den Waldbesitzern und Zellstoffherstellern erhalten wir einen besseren Einblick in die Branche, können unsere Wertschöpfungskette besser kontrollieren und die Versorgung mit dem Rohstoff Holz sicherstellen.

textile network: Das Thema Nachhaltigkeit ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Verbraucher wünschen sich zunehmend nachhaltigere Produkte. Umso mehr betreiben Unternehmen Greenwashing. Die Textil- und Modeindustrie ist davon nicht ausgenommen, ganz im Gegenteil. Fakt ist aber auch, dass nur ein verschwindend geringer Teil von Kleidung offiziell als nachhaltig gekennzeichnet wird. Wie erklären Sie sich diese extreme Diskrepanz?

Florian Heubrandner: Die Modebranche ist eine stark fragmentierte Branche. Undurchsichtige Lieferketten erschweren es Marken und Einzelhändlern, die Herkunft ihrer Produkte zurückzuverfolgen. In der Regel können Marken nur ihre direkten Zulieferer wie Bekleidungshersteller oder Stofffabriken zuverlässig erfassen. Bei anderen frühen und mittleren Produktionsstufen ist es hingegen schwierig, zu beurteilen, ob diese Quellen wirklich nachhaltig oder ethisch vertretbar sind. Auch für die Verbraucher wird Greenwashing zu einem wachsenden Problem, da sich Schlagworte wie „Nachhaltigkeit“ oder „umweltfreundlich“ zu einer Art Checkliste entwickelt haben.

Um die Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten, müssen sich sowohl die Marken als auch die Verbraucher über die Herausforderungen innerhalb der Prozesse bewusst werden. Die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen im Endprodukt kann sicherstellen, dass sie aus verantwortungsvollen Ressourcen stammen, den Industriestandards entsprechen und somit die Verwendung von Materialien aus umstrittenen Quellen vermeiden. Langfristig wird dies dazu beitragen, die Nachhaltigkeit der Branche insgesamt zu verbessern.

textile network: Verbraucher haben heutzutage die Möglichkeit, sich an Siegeln wie Oeko-Tex Made in Green, Bluesign, GOTS etc. zu orientieren, wenn sie nach einem nachhaltigen, zertifizierten Produkt suchen. Gibt es darüber hinaus weitere Anhaltspunkte in der Mode- und Textilbranche, mit denen sie erkennen können, was „echte“ nachhaltige Produkte sind?

Florian Heubrandner: Im Jahr 2021 startete die Sustainable Apparel Coalition (SAC), ihr Technologiepartner Higg und weitere globale Marken und Einzelhändler die erste Phase eines Transparenzprogramms zur Offenlegung von Daten über die Umweltauswirkungen eines Produkts, beginnend mit seinem Materialgehalt. Das Ziel des Higg-Index-Transparenzprogramms ist es, den Verbrauchern glaubwürdige und durch Daten belegte Informationen zu geben, denen sie vertrauen können.

Lenzing war der erste Holzfaserhersteller, der die Higg-Zulassung erhalten hat. Wir unterstützen Marken und Einzelhändler, die Tencel Markenfasern verwenden, durch einen authentischen Verifizierungsprozess bei der Erteilung neuer Produktlizenzen. Mit den wachsenden Transparenzanforderungen wird es immer wichtiger, von den Herstellern zertifizierbare Standards zu verlangen, die ihre Nachhaltigkeitsbemühungen nachweisen.

Darüber hinaus empfehlen wir den Verbrauchern, stets das Etikett, den Anhänger oder die Verpackung eines Produkts auf Nachhaltigkeitsinformationen zu überprüfen.