04.09.23 – Wirkstoffe effizienter in Textilien einsetzen — read English version
Waschpermanente Ausrüstung von Lyocell-Funktionsfasern
Funktionstextilien liegen voll im Trend. Neben Tragekomfort, Strapazierbarkeit und modischem Chic sollte ein Kleidungsstück auch Feuchte regulieren, Temperaturspitzen abfangen oder antimikrobiell wirken.
Zudem sind eine gute Anfärbbarkeit oder auch Knitterfreiheit erwünscht. Nur ein Textil, das die gesamte Verarbeitungskette (Faser- und Garnherstellung, Weben/Stricken, Färben/Veredeln) und den alltäglichen Gebrauch ohne größeren Funktionsverlust übersteht, stellt Verbraucher zufrieden. Gleichzeitig kann mit einer permanenten Wirkstoffausrüstung die Tragezeit verlängert und somit einem umwelt- und klimaschädlichen Fast-Fashion-Trend begegnet werden.
Die am Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) entwickelte Funktionsfaser „Cell Solution Bioactive“ überzeugt hier mit einer hohen antimikrobiellen und antiviralen Funktionalität sowie einer langanhaltenden Wirkstoffabgabe. Hergestellt wird sie mit dem patentierten „Alceru®“-Verfahren. Bei diesem modifizierten Lyocell-Verfahren handelt es sich um einen Kreislaufprozess mit bis zu 99 % Lösungsmittel-Rückgewinnung unter Verwendung von Cellulose als Hauptrohstoff.
Starke Bindung an innerste Faserschichten
Die „Cell Solution Bioactive“-Faser wird in einem Drei-Stufen-Prozess hergestellt. Im eigentlichen „Alceru®“-Verfahren wird ein Polymer der Polyacrylat-Klasse in geringer Konzentration (< 10 %) homogen in einer Spinnlösung aus Cellulose und Lösungsmittel verteilt. Grundvoraussetzungen sind eine sehr geringe Korngröße des Additivs und die intensive Durchmischung der Spinnlösung. Nur dadurch wird während des Trocken/Nass-Spinnprozesses das Additiv fest in die fibrilläre Struktur der Cellulose eingebunden und gleichmäßig über den gesamten Faserquerschnitt verteilt. Anschließend wird die Faser mit der Lösung eines Metallsalzes (Ag, Cu, Zn) behandelt und so schließlich das Metallion in ihr fixiert*. Diese Drei-Schritt-Technologie führt im Gegensatz zu Ausrüstungen an der Faseroberfläche zu einer starken Anbindung des Metallions in die innersten Schichten der Faser und gestattet gleichzeitig die Einstellung der Wirkstoff-Konzentration (%-Bereich). Folglich ist eine kontrollierte Migration (submikro-Bereich) des Wirkstoffs an die Oberfläche justierbar.
Additive können deutlich länger wirken
Diese Depot/Release-Funktion ermöglicht die hohe Waschpermanenz sowie textile Verarbeitungsprozesse auch unter harschen Bedingungen. So konnte die Faser Bleich- und Färbeverfahren (Direkt, Reaktiv, HT) unterworfen werden, die zur erwarteten Abnahme der Wirkstoffkonzentration führten. Anschließende Haushaltswäschen ergaben zwar einen weiteren Verlust (siehe Abb. 1), jedoch ist eine hohe antibakterielle Wirkung nach wie vor gesichert. Diese hohe Wirkstoff-Effizienz erlaubt die Verwendung kleiner Anteile (2 bis 6 %) im textilen Verbund, wie in Abb. 2 für ein Nadelvlies mit 6 % „Cell Solution Bioactive“-Anteil dargestellt. Im Ergebnis verringert sich die Umweltbelastung deutlich, während die Kosteneffizienz durch eine längere Wirksamkeit bei gleichem Additiveinsatz steigt. Hergestellt werden können Stapelfasern in den Feinheiten 2,3 bis 6,7 dtex, wobei die kleineren Titer für Garnfeinheiten bis NM50 geeignet sind. Somit ergibt sich ein Anwendungsspektrum, das von Textilien im Krankenhaus-Sektor bis zu Nonwoven für Filter reicht. Bei der Verwendung von Kupfer ist neben der antibakteriellen Wirkung zugleich eine hohe antivirale Wirkung garantiert. Diese Depot/Release-Funktion wird auch für andere Fasertypen der „Cell Solution“-Familie angewendet: darunter für die Hautpflege-Faser „Skin Care“ mit Vitamin E oder Lanolin sowie für die Insektenschutz-Faser „Protection“ mit Permethrin.
* Fußnote 1: Wendler F, Bauer J, Schulze T. Waschpermanente bioaktive Cellulosefaser mit antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften. Patent, DE 10 2022 109 459 A1 2022.10.27