09.08.19 – Neue textile Flammschutzmittel in Sicht
Forschung in der Textilchemie
Halogenierte Flammschutzmittel für Textilbeschichtungen sind seit 2017 mit nur wenigen Ausnahmen verboten. textile network wollte wissen: Was nun?
Textilchemiker Dr. Thomas Mayer-Gall vom Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) in Krefeld erforscht umweltfreundliche Alternativen. Das Institut hat auf der Suche nach effizienten und nachhaltigen Alternativen mehrere Strategien für den Ersatz halogenierter Flammschutzmittel durch umweltfreundliche Materialien entwickelt. Derzeit laufen zwei Vorlaufforschungsprojekte im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF). Ziel ist es, die in Verruf gekommenen bromhaltigen Chemikalien durch unbedenkliche anorganische Polymere zu ersetzen.
textile network: Welche Wege schlagen Sie ein, um bromhaltige Chemikalien zu ersetzen?
Dr. Thomas Mayer-Gall: Zum einen die Sol-Gel-applizierte Flammschutzausrüstung. Das sind wasserbasierte Permanent-Ausrüstungen auf der Grundlage von phosphor-und stickstoffhaltigen Silanen. Eine 10-prozentige Gewichtsauflage im Textil bietet sowohl Flammschutz als auch Waschresistenz.
Der andere Weg, einen halogenfreien Flammschutz beispielsweise auf Baumwolle zu erzeugen, geht ebenfalls über wasserlösliche Substanzen, sogenannte Cyclophosphazene. Sie können schon beim Färben des Materials aufgebracht werden. Wir arbeiten daran, dieses Verfahren auch auf Mischgewebe und PET und PA zu übertragen. Zudem nehmen wir Kurs auf umweltfreundliche und biologisch abbaubare Flammschutzmittel.
textile network: Wie hoch ist das Interesse der Industrie an Ihren Forschungsergebnissen und dem gewonnenen Know-how?
Dr. Thomas Mayer-Gall: Die Industrie – das zeigen die Anfragen beispielsweise aus der Chemie-, Bau- und Holzindustrie – ist stark interessiert an neuen Produkten, weil effektive Lösungen weiterhin fehlen.
textile network: Ohne textilen Brandschutz im Halbzeug oder Produkt lässt sich nichts verkaufen ...
Dr. Thomas Mayer-Gall: So ist es. Europaweit sterben jedes Jahr 25.000 Menschen in den Flammen. 80 Prozent übrigens bei Wohnungsbränden. Im jedem zweiten Fall sind textile Materialien oder entsprechend überzogene Polstermöbe die Brandursache! Welcher Rolle effektiver Flammschutz bei (Arbeits)-Schutzausrüstungen spielen, muss ich mit Blick auf Feuerwehrleute und Co. sicherlich nicht erläutern. Übrigens: Der volkswirtschaftliche Schaden durch Brände entspricht einem Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts. Großbritannien hat deshalb bereits in den 80er-Jahren strengere Flammschutzvorgaben für Polstermöbel eingeführt.
Herr Dr. Thomas Mayer-Gall, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen für textile network stellte Hans-Werner Oertel.