20.03.19 – Lectra — read English version
Neue Hightech-Macht China
Chinas Industrie ist in den letzten Jahren rasant fortgeschritten. Das Land hat sich von der Billigproduktion verabschiedet und setzt nun auf Hightech.
Javier Garcia, Präsident Asien-Pazifik bei Lectra, berichtet im Interview über die Trends des chinesischen Markts und das große Potential für technologische Innovationen.
China hat die Digitalisierung von Unternehmen schnell vorangetrieben. Was sind Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren?
Javier Garcia (JG): Blickt man einige Jahre zurück, dann war China ein Billiglohnland, das niedrige Lohnkosten und die reichlich vorhandenen Arbeitskräfte als Pfeiler seiner Wirtschaftsstrategie nutzte. Das hat sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren, mit den auch dort steigenden Lohnkosten und dem Arbeitskräftemangel, radikal verändert. Heute setzt die chinesische Industrie in vielen Bereichen, wie zum Beispiel in der Mode- und Bekleidungsbranche, in der Möbel- sowie der Automobilindustrie auf Digitalisierung und hochtechnologische Lösungen im Produktionsbereich. Die Regierung in China treibt mit der Initiative „Made in China 2025“ sowie einigen weiteren Förderprogrammen und finanziellen Anreizen die Modernisierung der Industrie und somit auch den Grad der Automatisierung und Digitalisierung von Herstellungsprozessen stark voran. Im Automobilmarkt verhielt sich die Entwicklung der Industrie etwas anders, da diese in China ziemlich neu ist. Die meisten Automobilwerke wurden erst in den vergangenen Jahren gebaut, und so entstanden direkt technologisch hochleistungsfähige Fertigungsanlagen. Somit gibt es auch keine Altlasten, was nicht digitale oder nicht automatisierte Lösungen betrifft.
Wie sind die Marktbedingungen in China?
JG: Denkweise und Mentalität der Kunden in China sind sehr unterschiedlich, verglichen dazu, wie wir sie aus anderen Ländern kennen. Es gibt in den Bereichen, in den Lectra tätig ist, ein Riesen-Marktpotential, da die meisten Unternehmen nach den besten neuen Technologien und Lösungen suchen. Sie sind stetig bestrebt ihre Prozesse noch weiter zu optimieren und haben keine Berührungsängste mit neuen Technologien. Dies birgt für Unternehmen wie Lectra viele Chancen und wir können mit unserer Erfahrung und neuen Innovationen Veränderungen in den Branchen begleiten und beeinflussen.
Inwiefern unterscheiden sich die Bedürfnisse von Unternehmen und Managern in China von Kunden, zum Beispiel in Europa oder Amerika?
JG: Der Hauptunterschied liegt in der Geschwindigkeit. Man kann sagen, dass chinesische Manager etwa zehn Mal schneller entscheiden als Manager in Nordamerika oder Europa. Das Ganze wird beschleunigt durch die Regierung mit ihrem starken Fokus auf digitale Transformation. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Lectra hat vor einigen Jahren eine neue Lösung für den Laserzuschnitt von Airbags, FocusQuantum, eingeführt. Während Unternehmen in Nordamerika und Westeuropa ein oder mehrere Jahre validieren, hat ein chinesisches Unternehmen sich bereits vor der offiziellen Markteinführung zum Kauf entschlossen.
Welche Trends sehen Sie in China in den verschiedenen Industrien?
JG: Der Grad der Automatisierung und Digitalisierung der chinesischen Mode- und Bekleidungsindustrie hat in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Hier bewegen sich nicht nur Top-Unternehmen, sondern der Großteil des Marktes in einem hochtechnologischen Umfeld. Es ist spannend zu beobachten, wie schnell sich der Markt und somit die Nachfrage in China ändert. Heute sind nicht mehr Lösungen für hohe Stückzahlen die meist verkauften Systeme, sondern Technologien zur Verwaltung personalisierter und individualisierter Produkte, um maßgeschneiderte High-End-Bekleidung herzustellen.
Die Möbelindustrie war im Vergleich zur Bekleidungs- und Automobilindustrie am langsamsten, um digitale Technologien in den Herstellungsprozess zu integrieren. Hier sehen wir gerade, neben dem Wachstumspotential für digitalen Zuschnitt, großes Interesse an digitalisierten Produktentwicklungsprozessen, da auch in der Möbelfertigung der Trend zur Individualisierung Einzug hält. Zudem investieren Unternehmen in Prozesse für besseres Design und hochwertigere Materialien, da das für den Kunden eine immer wichtigere Rolle spielt. Der neue Trend beim Interieur von Autos ist es, neben den Sitzen den gesamten Auto-Innenraum mit Stoff oder Leder zu verkleiden, wie zum Bespiel Türen, Cockpits oder Mittelkonsolen. Yanfeng Automotive Interiors, der weltweit größte Zulieferer für Auto-Innenausstattungen, setzt dafür beispielsweise auf die automatische Zuschnittlösung Vector iX6 von Lectra, um die wachsende Nachfrage in Bezug auf die Personalisierung zu bedienen und ihrem Anspruch, die Mobilität von morgen aktiv mitzugestalten, gerecht zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Peter Schatz.