12.10.21 – Textil für Morgen

Regional, nachhaltig, innovativ – und vor allem zusammen

Eigentlich wissen wir es alle: Nachhaltiger Wandel erfordert Innovation. Und: Gemeinsam geht vieles leichter. Die Herausforderung liegt jedoch oft darin, die beiden Einsichten miteinander zu verbinden.

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Den Leitgedanken für das Projekt „Textil für morgen“ boten die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN. © Südwesttextil

 
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Andreas Merkel, Geschäftsführer Gebr. Otto: „Kooperation ist der einzige Weg, um eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen und eine nachhaltige Textilindustrie zu gestalten.“ © Gebr. Otto

 

Zu diesem Zweck haben sich der Garnhersteller Gebr. Otto und der Wirtschafts- und Arbeitergeberverband Südwesttextil mit der Risiko- und Nachhaltigkeitsberatung Sustainable Thinking zusammengeschlossen und starten im Oktober das Jahresprojekt „Thinking Circle Regio:Tex“. Sie wollen damit das Bewusstsein und die Wertschätzung für regional hergestellte Produkte erhöhen und in der Folge die regionalen Hersteller stärken.

Der Ursprung von „Regio:Tex“ liegt im Projekt „Textil für Morgen – nachhaltig vernetzt in Baden-Württemberg“ von Südwesttextil, gefördert durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur des Rats für Nachhaltige Entwicklung. Dieses Konzept war unter den elf Gewinnern des Ideenwettbewerbs „Modekultur, Textilien & Nachhaltigkeit“ ausgeschrieben worden. Zum Hintergrund erklärt Oliver Dawid, Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer: „Wir stehen als Industrie ebenso wie als globale Gemeinschaft vor großen Herausforderungen. Als Verband ist es für uns selbstverständlich, unsere Mitgliedsunternehmen in ihrem nachhaltigen Wandel zu unterstützen. Wir bieten dabei den Rahmen und die Plattform für Zusammenarbeit.“

Technologieoffenheit nur ein Teil von Innovation

Das Projekt „Textil für Morgen“ startete im November 2020 mit einem digitalen Runden Tisch. Dort trugen Vertreter von über 30 Mitgliedsunternehmen die Herausforderungen der Industrie und Ansatzpunkte für eine Roadmap zusammen. Den Leitgedanken boten die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN. Im Zentrum standen „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“, „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ sowie „Industrie, Innovation und Infrastruktur“.

Letztere bereiten den Unternehmen schon ohne Bezug zu Nachhaltigkeit Kopfzerbrechen. Gerade in der Corona-Pandemie brachen Lieferketten weg, der Druck auf die Branche wuchs weiter und das Thema Nachhaltigkeit rückte mit seinen komplexen Fragestellungen weiter in den Fokus. Welche Technologieinnovationen bewirken den entscheidenden Schritt in Richtung einer Kreislaufwirtschaft? Wie kann die Digitalisierung und eine digitale Infrastruktur für höhere Transparenz sorgen? Das Fazit der Unternehmen bei „Textil für Morgen“: Mehr Technologieoffenheit ist nötig, um nachhaltige, innovative Materialien, Produktionsweisen und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Technologieoffenheit allein führt noch nicht zum Ziel, da waren sich der „Textil für Morgen“-Teilnehmer Andreas Merkel und die Referentin Sina Wans schnell einig. Ihr Credo lautet: Kooperation statt Wettbewerb. Für Sina Wans, Gründerin von Sustainable Thinking, ist das Miteinander selbst Teil der Innovation. „Für den nachhaltigen Wandel braucht es nicht nur technische Innovation, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit, sprich organisatorische und prozessuale Innovation.“ Andreas Merkel, Geschäftsführer von Gebr. Otto, sieht in der Zusammenarbeit eine Lösung, den Herausforderungen der Textilbranche zu begegnen: „Kooperation ist der einzige Weg, um eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen und eine nachhaltige Textilindustrie zu gestalten.“

Zukunft spinnen mit regionaler Wertschöpfung

Die Baumwollspinnerei und Zwirnerei Gebr. Otto ist ein Familienunternehmen aus Dietenheim und dort seit 120 Jahren zu Hause. Der Garnhersteller steht am Ausgangspunkt der textilen Wertschöpfungskette und tüftelt an nachhaltigen Lösungen für seine Kunden. Dabei kommen Innovationen wie recot2 heraus, ein Garn, das zu 25 % aus Recycling-Material besteht und damit einen technischen Kreislauf zu schließen hilft. Ein Kilogramm fertiges recot2-Textil bringt es so auf eine Wasserersparnis von rund 5.000 Litern. Das hat die Uni Ulm, recot2-Projektpartner, errechnet. In puncto Energieeinsatz liegt die Ersparnis bei 10 bis 20 %.

Geschäftsführer Merkel bezeichnet sich deshalb gerne mal als „Spinner“ im doppelten Wortsinn. Zusammen mit Sina Wans und Südwesttextil an einer regionalen Wertschöpfungskette für Textilien zu spinnen, war für ihn naheliegend. Schließlich ist er überzeugt: „Wenn Kunden wissen, wie und wo ein Textil hergestellt wird, bietet es auch den Mehrwert für eine bewusste Kaufentscheidung in der Region. Wir müssen Nachhaltigkeit also auch am Point of Sale, egal, ob online oder offline, transparent und erlebbar machen.“

Thinking Circle als erprobtes Format

Aus dieser Überzeugung entwickelte sich der Thinking Circle Regio:Tex. Er soll zeigen, wie viel regionale Infrastruktur und Innovation nach wie vor in den textilen Produkten steckt. Das Format stammt von Sustainable Thinking und ist praxiserprobt. Es läuft aktuell zu den Themen „Aufbau nachhaltiger Lieferketten“ und „Klimamanagement im Unternehmen“. Gründerin Sina Wans: „Die Lösung von Herausforderungen in Gemeinschaften und die Arbeit an konkreten Nachhaltigkeitsfragen ist in dieser Form neu und wird dringend gebraucht. Kein Unternehmen kann die nachhaltigkeitsbezogenen Herausforderungen allein lösen, dafür sind diese zu komplex.“

  • Beim Thinking Circle „Regio:Tex“ von Gebr. Otto, Südwesttextil und Sustainable Thinking geht es Ende Oktober los. Hier ist das Ziel, ein Kommunikationskonzept zu entwickeln, das dem Endkunden am Point of Sale sichtbar macht, was Textilproduktion in Deutschland bedeutet. Das Projekt ist offen für Akteure aus Industrie und Handel, die Regionalität in ihrer Lieferkette verankern und Kommunikation im Rahmen einer gemeinsamen Initiative neu denken wollen.

Während für „Regio:Tex“ der Startschuss fällt, findet das Projekt „Textil für Morgen“ im Herbst seinen Abschluss. Mit www.textilfuermorgen.de wird eine Website an den Start gehen, auf der sich Unternehmen mit ihren Zielen, aktuellen Projekten und Nachhaltigkeitsthemen eintragen und gezielt vernetzen können. Die 17 UN-Ziele sind auch hier allzeit präsent, als Basis für gemeinsame Kooperation für nachhaltige Industrie, Innovation und eine langfristige Infrastruktur.

  • „Textil für Morgen“ ist der Podcast von Südwesttextil über die Zukunft und Nachhaltigkeit in der textilen Branche. Der Verband möchte Unternehmen bestärken, gemeinsam die Herausforderungen der nachhaltigen Zukunft und Entwicklung anzugehen und aktiv zu werden. Im Podcast sprechen Branchenvertreter über Transformationsprozesse, Innovationen und ihre Perspektiven zum Thema Nachhaltigkeit. Die ersten Folgen präsentieren erste Anschlussprojekte aus der Branche und geben Einblicke in spannende Forschungsthemen. Die Podcast-Folgen sind auf allen gängigen Plattformen verfügbar.