25.06.21 – Mit Textil UN-Nachhaltigkeitsziele erreichen – Teil 3
textil+mode: Auf dem Weg zur Circular Economy
Julia Eckert, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Gesamtverband textil+mode: „Die Circular Economy ist der Schlüssel für die Umsetzung des SDG 12.“
Nachhaltigkeitsexperten gehen davon aus, dass gerade die Circular Economy der Schlüsselfaktor zur Umsetzung des SDG12 ist. Für diesen Ansatz steht nicht nur die deutsche Textil- und Modeindustrie, sondern auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit seiner neu ins Leben gerufenen Initiative Circular Economy.
- Befasst man sich mit dem Thema Circular Economy sticht ein Ziel aus der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen heraus: Das SDG 12: „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“ zielt auf die notwendige Veränderung unserer Lebensstile und unserer Wirtschaftsweise. Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion verlangen, heute so zu konsumieren und zu produzieren, dass die Befriedigung der berechtigten Bedürfnisse der derzeitigen und der zukünftigen Generationen unter Beachtung der Belastbarkeitsgrenzen der Erde und der universellen Menschenrechte nicht gefährdet wird, heißt es in den Sustainable Development Goals (SGD).
Julia Eckert, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Gesamtverband textil+mode beschreibt das Ziel der Initiative im Gespräch mit textile networks so:
„Die Initiative will eine Plattform für den Austausch der Wirtschaft mit Politik, Wissenschaft und Gesellschaft sein. Dabei soll unter anderem im Fokus stehen, gemeinsam Instrumente zur Förderung des Recycling-Rohstoffmarkts zu entwickeln und Potenziale zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung zu heben.“
Dabei hat der Industriestandort Deutschland aufgrund seiner hohen technologischen Kompetenz enormes Potenzial, zum Leitanbieter neuer Technologien zu werden, die eine wirtschaftlich sinnvolle Wiederverwertung eingesetzter Rohstoffe ermöglichen und dabei die Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren zu reduzieren.
Die BDI-Initiative Circular Economy geht die Themen Ressourcenschonung und Versorgungssicherheit ganzheitlich an – von der Produktentwicklung bis zur Wiederverwertung. Was das in der Praxis bedeutet erklärt textil+mode Kreislaufexpertin Julia Eckert so: Schon heute würden in den Unternehmen etablierte Strategien ausgeweitet und innovative Konzepte erprobt. Als Beispiel für bereits bestehende, nachhaltige Geschäftsmodelle nennt sie Hygienetextilien in Leasingsystemen:
Mehrweg statt Einweg
Handtücher, Tischdecken, Servietten, Friseurumhänge, viele Produkte aus Stoff gehören zu den allbekannten Dingen des Alltags und des Wirtschaftslebens, die schon vor der Corona-Pandemie aber an vielen Stellen Einweg-Lösungen weichen mussten. Eine für den Umweltschutz verhängnisvolle Entwicklung, zumal auch Mehrweg-Textilien durch fachgerechtes Waschen absolut hygienisch sind und auch von Corona-Viren gereinigt werden können. Es gibt deshalb keinen Grund, Gebrauchstextilien durch immer mehr Einwegartikel zu ersetzen und die Müllberge damit zu vergrößern.
- Beispiel Handtuchrollen
Stoffhandtuchrollen besitzen eine weit bessere Ökobilanz als Papierhandtücher. Das ist wissenschaftlich belegt. Sie verursachen bis zu 95 Prozent weniger Abfall, benötigen bis zu 48 Prozent weniger Energie und haben ein bis zu 29 Prozent geringeres Treibhauspotenzial.
Stoffhandtuchrollen stellen Textilservice-Unternehmen im Leasing-Modell bereit. Deren Kunden sind öffentliche Einrichtungen, Gastronomie, Handel, Verwaltung, produzierendes Gewerbe. Die Dienstleister für textilen Service übernehmen dabei die Anschaffung hochwertiger Textilrollen aus Baumwolle, holen sie bei den Kunden ab, bereiten sie hygienisch auf, transportieren sie zurück. Das Kreislaufmodell wird auch dadurch unterstützt, dass es im Eigeninteresse der Textilservice-Betriebe liegt, langlebige Textilien einzusetzen, sie schonend aufzubereiten und das Material so lange zu reparieren, wie es sinnvoll ist. So können textile Handtuchrollen bis zu 125-mal gewaschen werden. Und am Ende werden sie zum Beispiel als Putzlappen weiterverwendet.
Eine Studie, die der Wirtschaftsverband Textil Service e. V. (WIRTEX) und der Europäische Textilservice Verband (European Textile Services Association) gemeinsam durchgeführt haben, belegt eine in Hinblick auf die Ökobilanz erhebliche Überlegenheit der Handtuchrollen aus Baumwolle gegenüber Handtüchern aus Frischfaser- und Recycling-Papier.
Auch die Textilforschung im Verbund mit forschenden Unternehmen hat jede Menge Lösungen für einen Green Deal Textil und arbeitet an weiteren Ideen, um textile Kreisläufe zu schließen, beispielsweise Geotextilien aus Agrarreststoffen. Steile Böschungen an Straßen oder Uferbefestigungen müssen vor Erosion geschützt werden oder Bergbaufolgelandschaften renaturiert werden. Künftig können hierfür Geotextilien aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh oder Heu direkt vor Ort hergestellt werden. Möglich macht das eine Anlage, die in einem Kooperationsprojekt der polnischen Akademia Techniczno-Humanistyczna und dem STFI in Chemnitz entwickelt worden ist.
Die Anlage fertigt aus den Rohstoffen super grobe Faserstränge, die direkt vor Ort zu Geotextilien wie etwa Geogittern verarbeitet werden können. Diese können ohne weitere Gabe von Humus eingesetzt und bepflanzt werden. Auf diese Weise entsteht eine regionale Wertschöpfungskette. Landwirte in der Region haben mit den Geotextilien einen neuen Absatzmarkt für Heu, Stroh oder auch Wolle.
Wir können Green Deal Textil: textil+mode auf der Woche der Umwelt beim Bundespräsidenten
Ein Kreislaufmodell par excellence präsentierte sich im Juni auch auf der virtuellen Woche der Umwelt beim Bundespräsidenten. Mit einem neuen Textil filtern Krefelder Forscher kostbare Metalle aus industriellem Abwasser. Ihre Faser hat das Potenzial zum Universalkünstler für das Recycling von Rohstoffen. Die Erfindung erscheint zunächst unspektakulär: Ein farbloser Stoff, die Oberfläche rau. Glanz erhält die Faser durch das, was an ihr haften bleibt: Gold beispielsweise, das Platin-verwandte Edelmetall Palladium oder das seltene Erdmetall Lanthan. Kostbare Metalle aus Abwässern der Industrie, die bisher ungenutzt bleiben. Die Faser gewinnt sie zurück, damit daraus erneut LED-Leuchten, Computerbildschirme oder Katalysatoren für chemische Prozesse entstehen. Zum Filter-Experten macht den Stoff seine spezielle Mixtur. Klaus Opwis und sein Team vom Krefelder Deutschen Textilforschungszentrum Nordwest (DTNW) nennen den Filz Adsorber-Textil, das Wertmetalle aus Abwässern rückgewinnt und damit Ressourcen schont. Ein Beispiel, das zeigt, was textile Fasern bei der Kreislaufwirtschaft alles leisten können.
Was bei der virtuellen Woche der Umwelt beim Bundespräsidenten begeistert aufgenommen wurde, ist auch Beispielgebend, wenn es um die BDI-Initiative Circular Economy geht. Julia Eckert ist sich sicher, dass die Kreislaufwirtschaft in den kommenden Jahren in Deutschland und Europa wahre Innovationssprünge machen wird.